Große Empörung in Chile hatte der Artikel über Izkia Siches in der deutschen taz (Die Tageszeitung) am 10. März ausgelöst. Unter der Schlagzeile «Links, indigen und erfolgreich» hieß es, dass die hohe Impfquote in Chile das Verdienst der Präsidentin der chilenischen Ärztevereinigung Colegio Médico sei, die auch Mitglied der Beratergruppe von Präsident Sebastián Piñera ist. Unter anderem wandte sich Cecilia Mackenna, die chilenische Botschafterin in Deutschland, gegen diesen Beitrag mit einem Leserbrief an die taz. Als eigentliche Ursache für den schnellen Impferfolg nannte sie das seit Jahrzehnten bestehende Gesundheitssystem und das frühzeitige Handeln der Regierung unter Präsident Piñera. Inzwischen hat die taz eine Richtigstellung veröffentlicht, die auch im Internet nachzulesen ist.
Leider ist dies kein Einzelfall in den deutschen Medien. Chile scheint für deutsche Journalisten zu weit weg zu sein, um es für nötig zu halten, richtig zu recherchieren. Oder passt die Meldung dann besser in ein vorgefertigtes Bild über das Land?
Das neueste Beispiel ist ein Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der FAZ, vom 29. März. Der Südamerika-Korrespondent Tjerk Brühweiler, der in São Paulo ansässig ist, widmet sich ebenfalls dem Impftempo Chiles und stellt im Titel seines Beitrags fest: «Viel geimpft, viele Infektionen». Der Journalist kritisiert, dass trotz hoher Ansteckungsrate «weder die Regierung noch die Opposition signalisiert, eine Verschiebung der Wahl ernsthaft in Betracht zu ziehen». Dabei scheint er nicht darüber informiert zu sein, dass seit Wochen in Chile eine intensive Diskussion über den Zeitpunkt der Kommunalwahlen und der Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung im Gange war. Bereits einen Tag vor der Veröffentlichung seines Artikels, am 28. März, beantragte Präsident Piñera, den Wahltermin vom 10. und 11. April auf den 15. und 16. Mai zu verlegen.
Genauso wenig erwähnt der FAZ-Redakteur übrigens, dass bei den nichtgeimpften, über 60-jährigen Intensivpatienten in Chile rund 30 Prozent sterben, während bei den geimpften die Sterberate nur bei 6 Prozent liegt, wie das chilenische Gesundheitsministerium bekannt gab. Dies sind Fakten – und gute Nachrichten vor Ostern!