Das «Espantapajaros» setzt auf eigene Produkte
Cornelia Prenzlau lebt im südlichen Puerto Octay ihren persönlichen Traum: Die Hotelfachfrau bewirtschaftet im Familienverbund das Restaurant «Espantapajaros» am Lago Llanquihue. Mit viel Begeisterung verwirklicht das Team ein ökologisches Konzept mit eigenen Erzeugnissen wie Gemüse, Obst oder Wurst.
Ihr Vater kam als Zehnjähriger aus Deutschland nach Chile, ihre Mutter ist eine Nachfahrin der ersten deutschen Einwanderer um 1850. Cornelia Prenzlau selbst wurde 1971 in Frutillar geboren, lebte jedoch schon ab der Kindergartenzeit mit weiteren 150 Schülern im Internat der Deutschen Schule in Osorno. Sie erinnert sich: «Dieser Lebensabschnitt hat mich geprägt. Mein Leben war sehr geregelt durch den Stundenplan in der Schule und den Tagesablauf im Internat. Insgesamt war es eine gute Zeit. Ich war schon als kleines Mädchen selbstständig und habe viele Verbindungen aufgebaut. Die Wochenenden zu Hause auf dem Land genoss ich jedoch besonders. Bis heute bin ich dort am allerliebsten.» Dann habe sie, gemeinsam mit ihrer Schwester, die gesamte Aufmerksamkeit ihrer Eltern genossen.
In den letzten zwei Schuljahren lebte sie im Haus der Familie ihrer besten Freundin in Osorno, um nahe an der Schule zu wohnen. Ein neuer Abschnitt mit mehr Unabhängigkeit begann: Sie hatte ein eigenes Zimmer und mehr Freizeit. Mit 16 Jahren reiste sie das erste Mal nach Deutschland – zum Schüleraustausch in Mannheim. In der Deutschen Schule Osorno lernte Cornelia Prenzlau ihren heutigen Mann kennen, der ebenso Schüler dort war. Seine Eltern waren zu dieser Zeit als Lehrer im Auslandsdienst in der Deutschen Schule tätig. Mittlerweile leben sie längst wieder in Deutschland. Ihr Sohn entschied sich jedoch in Chile zu bleiben.
Mit ihm hat die heute 49-Jährige drei gemeinsame Kinder, auf die sie besonders stolz ist. Sie besuchen die Deutsche Schule Frutillar, die inzwischen alle Jahrgangsstufen integriert hat. Hier ist Cornelia Prenzlau schon viele Jahre im Vorstand tätig und für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
Nach dem Schulabschluss zog sie für drei Jahre nach Santiago um «Administración Hotelera» zu lernen. Auch das Leben in der Großstadt gefiel ihr. Nach ihrer Ausbildung übernahm sie 1992 eine ganz besondere Aufgabe: Bei den Olympischen Spielen in Barcelona war sie für die Logistik der Verpflegung beschäftigt.
Zurück in Chile arbeitete sie in Restaurants im Süden Chiles, unter anderem in der Casa del Altillo. Später machte sie sich gemeinsam mit ihrem Mann selbstständig und sie produzierten zunächst geräucherte Wurstspezialitäten. 2003 eröffneten sie schließlich im großen Familienverbund das Restaurant «Espantapajaros» (Vogelscheuche) auf den Ländereien der Eltern in Puerto Octay am Lago Llanquihue. Der Restaurantname stammt von dem kleinen Kiosk, den die Eltern vorher an der Straße betrieben. Um die Neugierde der passierenden Autofahrer zu wecken, war eine Vogelscheuche neben dem Kiosk aufgestellt.
Im Restaurant hat jeder seine Aufgabe, seine Verantwortung, seinen Platz. Das Konzept «Vom Feld auf den Tisch» steht für Frische auf ganzer Linie. «Wir versuchen so viel wie möglich selbst anzubauen. Der Garten wird von Jahr zu Jahr größer. Wir achten darauf, saisonales Obst und Gemüse auf die Speisekarte zu setzen. Die organischen Reste kompostieren wir. Zudem kaufen wir so intelligent wie möglich ein.» Das habe sie von ihren Eltern gelernt: So wenig Müll wie möglich zu produzieren und auf den Kauf von wiederverwertbaren Verpackungen zu achten. Die Ländereien des Hofes sind zudem vom Servicio Agrícola y Ganadero nach dem nationalen chilenischen Biosiegel zertifiziert.
Neben dem Restaurant vertreibt der Familienbetrieb auch selbstgemachte haltbare Produkte wie Säfte, Marmelade, Kleidung und Decken aus Wolle sowie lokale handwerkliche Souvenirs. Im Winter gibt es leckeres Rotkraut und Sauerkraut. Der Betrieb läuft also rund um die Uhr. Es gäbe immer etwas zu tun, erzählt Cornelia Prenzlau. Wenn der Koch seinen freien Tag habe, koche sie selbst. Früher stand sie oft gemeinsam mit ihrem Vater in der Küche. «Er war ein Experte in der Zubereitung von Spießbraten.»
Ansonsten stellt sie die Speisekarte zusammen und kümmert sich um die Weiterentwicklung des Betriebs. Ihr Mann ist für die Landwirtschaft verantwortlich. Ihre Mutter war vor der Pandemie für die Tischarrangements und Außenräume zuständig. Auch ihre Schwester unterstützt mittlerweile tatkräftig den Betrieb. Die Kinder helfen ebenfalls mit – in der Küche oder bei der Pflege der Tiere. Bei aller Geschäftigkeit muss jedoch niemand auf Urlaub verzichten. Denn Reisen rege die Kreativität an, ist Cornelia Prenzlaus Meinung. Der Abstand sei wichtig, um neue Perspektiven einzunehmen. Nur so könne sich das Restaurant ständig weiterentwickeln. Mit ihrer Familie bereist sie die Welt am liebsten im Wohnmobil.
2020 sei aufgrund der Pandemie ein sehr hartes Jahr gewesen. Von den 18 Angestellten, die vor einem Jahr noch zum Betrieb gehörten, sind zurzeit nur noch zehn tätig. Die Mitarbeiter seien in anderen Arbeitsstellen untergekommen. Im Moment lässt sich Cornelia Prenzlau zum Coach weiterbilden. In der Zukunft möchte sie gerne Töpfern lernen. Sie liebe ihre Arbeit, doch oft bliebe nicht viel Zeit übrig. Nichtsdestotrotz schaffe sie es immer wieder, das Glück in den kleinen täglichen Dingen zu sehen.