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Chiles neue Verfassung (Teil 4)

Die Verfassungsgebende Versammlung von Ecuador: Ein Prozess des offenen Machtkampfes gegen die konstituierten Funktionen

Der Präsidentenpalast in Quito, in dem Rafael Correa vom 15. Januar 2007 bis zum 24. Mai 2017 als Präsident von Ecuador regierte.

Zwischen 1998 und 2006 erlebte Ecuador eine Phase großer Instabilität. Während dieser politischen und sozialen Krise gab es neun Präsidenten, von denen einige durch Amtsenthebung abgesetzt wurden. 2006 forderte Rafael Correa eine verfassungsgebende Versammlung, um den ecuadorianischen Staat neu zu gründen.

Der Politiker und Wirtschaftswissenschaftler machte dies zum zentralen Thema seines Wahlkampfs um das Präsidentenamt. Gleichzeitig stellte seine Koalition «Alianza País» bei den Parlamentswahlen im Oktober 2006 keine Kandidaten als Abgeordnete vor, was es ihm ermöglichte, den Kongress und die «Partitokratie», die die Legislative repräsentierte, ohne Gnade anzugreifen.

Correa lässt Volk abstimmen

Im Verlauf der Einberufung kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition, zwischen Exekutive und Legislative, zwischen dem Obersten Wahlgericht und dem Verfassungsgericht.

In der Verfassung von 1998 war die verfassungsgebende Versammlung nicht als ein Mechanismus der Verfassungsänderung vorgesehen. Allerdings erlaubte es Artikel 104 dem Präsidenten der Republik, ein Referendum gemäß den Bestimmungen des Artikels 283 oder, wenn es sich seiner Meinung nach um sonstige Fragen von wesentlicher Bedeutung für das Land handelt, einzuberufen.

Artikel 283 erklärte seinerseits: «Der Präsident der Republik kann in dringenden Fällen, die zuvor vom Nationalkongress mit der Mehrheit seiner Mitglieder bestätigt werden müssen, der Volksabstimmung die Genehmigung von Verfassungsreformen vorlegen.»

Auf diese Weise war der Präsident der Republik ermächtigt, ein Referendum in den Fällen einzuberufen, in denen «Fragen von wesentlicher Bedeutung für das Land», gemessen an den eigenen Maßstäben des Präsidenten bestehen, die jedoch keine Verfassungsreform zur Folge haben.

Am 15. Januar 2007, dem Datum seiner Amtseinführung, erließ Präsident Correa das Exekutivdekret Nr. 2,in dem er die Ecuadorianer aufrief, sich zu folgender Frage zu äußern: «Genehmigen Sie die Einberufung und die Einsetzung einer verfassungsgebenden Versammlung mit Vollmachten gemäß dem beigefügten Wahlstatut, damit sie den institutionellen Rahmen des Staates umgestaltet und eine neue Verfassung erarbeitet?»

Bruch zwischen Exekutive und Legislative

Auf diese Weise ergriff der Präsident die Initiative und rief entgegen den Bestimmungen der oben genannten Verfassungsnormen direkt ein Referendum aus. Des Weiteren schickte Correa eine Kopie des Dekrets an den Nationalkongress. Es war nicht ausdrücklich gefordert, dass der Gesetzgeber die Dringlichkeit der Einberufung zur Verabschiedung von Verfassungsreformen bewerte, wie in der Verfassung vorgesehen. Dennoch stimmten die meisten Kongressabgeordneten dafür, dass diese Konsultation dringend erforderlich war, wodurch das Vorgehen des Präsidenten nachträglich legitimiert wurde.

Allerdings führten einseitige Änderungen des Präsidenten an dem «Statut der Wahl, der Einrichtung und des Funktionierens der verfassungsgebenden Versammlung» zu einem frühen Bruch zwischen der Exekutive und der Legislative. Dieser Bruch wurde durch die Tatsache vertieft, dass im Statut nicht ausdrücklich erwähnt war, dass die Vollmachten der verfassungsgebenden Versammlung nicht die konstituierten Funktionen beeinträchtigen.

Entlassung der Oppositionsabgeordneten

Der Konflikt zwischen den Organen dehnte sich aus, als das Oberste Wahlgericht, das von der Regierung einseitig geänderte Statut akzeptierte und zur Volksbefragung aufrief. Aufgrund dieses Vorgangs beschloss der Kongress, die vier Mitglieder, die der Ausrufung zugestimmt hatten, einem Untersuchungsausschuss zu unterziehen und den Präsidenten des Obersten Wahlgerichts zu ersetzen.

Die Einberufung eines Untersuchungsausschusses gegen Wahlgerichtsmitglieder wegen der Verletzung verfassungsrechtlicher und gesetzlicher Befugnisse bei der Ausübung ihrer Funktionen stand zwar im Einklang mit der Verfassung. Es bestand aber für die Absetzung des Präsidenten des Wahlgerichtes keine Befugnis, welche die Verfassung dem Kongress zuerkannt hätte. Aus diesem Grund beschloss das Oberste Wahlgericht, die 57 Abgeordneten zu entlassen, die die Entscheidung, den Präsidenten des Wahlgerichts zu ersetzen, genehmigt hatten und berief sich auf Artikel 155 des Wahlgesetzes zu.

In der Volksbefragung zur Einberufung der verfassungsgebenden Versammlung am 15. April 2007 setzte sich die Option «Ja» mit 81,5 Prozent der Stimmen durch. Am 30. September desselben Jahres fand die Wahl der Mitglieder der Versammlung statt, bei der die regierungsnahe «Movimiento País» fast zwei Drittel der Sitze erhielt. In den Monaten vor der Einrichtung der verfassungsgebenden Versammlung am 30. November konzentrierte sich die öffentliche Debatte auf die Auslegung des Geltungsbereichs des Statuts.

Konstituierende Organe mussten sich unterordnen

Nach Einsetzung der verfassungsgebenden Versammlung war diese Angelegenheit jedoch schnell erledigt. Die breite Mehrheit der Regierungspartei argumentierte damit, dass die Vollendung des öffentlichen Mandats zur Umgestaltung des institutionellen Rahmens des Staates sofort beginnen sollte. Ihre erste Entscheidung war die Auflösung des Nationalkongresses (Konstituierendes Mandat Nr. 1) und die Feststellung, dass ihre Entscheidungen nicht vor Gericht angefochten werden könnten. Artikel 3 der von der Versammlung erlassenen Verordnungen sah dementsprechend vor, dass «keine Entscheidung der konstituierenden Versammlung der Kontrolle oder Anfechtung durch eine der konstituierten Mächte unterliegt».

Diese Beschlüsse verliehen der verfassungsgebenden Versammlung eine Aura der Allmacht. In der Praxis waren nicht nur die konstituierten Organe der verfassungsgebenden Versammlung untergeordnet, sondern die Verfassung von 1998 verlor komplett ihre Gültigkeit.

Die verfassungsgebende Versammlung hatte die Ausarbeitung des neuen Verfassungstextes im Juli 2008 abgeschlossen und am 28. September in einem Referendum mit 63,93 Prozent der Stimmen angenommen.

Die Verfassung trat mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt vom 20. Oktober 2008 in Kraft.

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