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viernes, 20. septiembre 2024
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In den südchilenischen Seen leben noch immer viele Enten in Freiheit

Von Alois Schmidt

Viel Geduld gehört dazu, in der Freiheit lebende Vögel zu beobachten. Das erfuhr ich bei einer Fachexkursion mit den beiden Ornithologen Dr. Max Dornbusch und Hartmut Kolbe im Jahr 1993.

Dornbusch war der Leiter der Vogelschutzwarte des Landes Sachsen-Anhalt in Steckby. Ich half den beiden Wissenschaftlern während der Fahrt mit meinen Kenntnissen der einheimischen Namen der beobachteten Enten. Wir registrierten in diesen Wochen von Januar bis März rund 100 Arten. Dabei besuchten wir Orte, die heute zur Reserva National «Laguna Torca» und zum «Parque Nacional Conguillio» gehören. Fernando Körner, der seine Entenzucht am BioBio bei Concepción betreibt, bestätigte mir, dass die damals beobachteten Vögel heute noch in Chile vorkommen.

Geduld und schnelle Reaktion gefragt

Wahrscheinlich wäre ich selbst nicht darauf gekommen, wieviel Geduld und genaue Beobachtungsgabe dazu gehören, hätte mich nicht der Biologe Hartmut Kolbe um die Begleitung bei der Chiletour gebeten. Bei dieser Fachexkursion war es auch meine Aufgabe, mit meinem Auto die beiden Wissenschaftler durch das Land zu führen. 

Entenkenner Hartmut Kolbe zeigte mir immer wieder, wie genau man hinsehen muss, um die Tiere wahrzunehmen. Wenn er plötzlich: «Halt, halt!» rief, musste ich blitzartig reagieren, hatte selbst aber keinen Vogel gesehen – selbst dann nicht, wenn ich ausstieg und mich neben ihn stellte. 

Er wies auf einen vom Spritzwasser des schnell fließenden Baches überspülten Stein hin. Erst nach einiger Zeit sah ich, dass sich dort etwas bewegte.  Tatsächlich, es ragte ein Schwänzchen aus dem Wasser und von Zeit zu Zeit ein Kopf. Im schäumenden Wasser fiel der rote Schnabel zuerst auf. Dann gewahrte man auch die schneeweißen Wangen mit der elegant darauf gezeichneten schwarzen Linie, die sich bis zu den Augen zog und von dort breiter den Hals hinablief. Der dunkel gehaltene Körper wies weiße Striemen auf.

«Eine Sturzbachente», erklärte Hartmut. Er musste es wissen. Schließlich stammt das Buch «Entenvögel der Welt» von ihm. Darin kommen alle Entenarten vor, die es gibt. Darin kann auch nachgelesen werden, dass «Mergenta armata» eine hochspezialisierte Ente ist, welche die reißenden Gebirgsflüsse in Chile und Argentinien bewohnt. Gegen die Strömung schwimmend fängt sie die Larven von Köcher-, Stein- und Eintagsfliegen. Hartmut notierte sich, dass die Chilenen diese Ente «Pato cortacorriente» nennen und damit einen sehr passenden Namen wählten.

Mit der Kamera auf «Entenjagd»

Beisterung ist ansteckend. Mein Blick auf die Welt änderte sich. Mit dem mir vorschwebenden Suchbild Ente durchmusterte ich nun Wasserlauf, Schilfdickicht und Ufergebüsch. Ohne die gute Tarnung wäre schon mancher gut genährte Wasservogel den hungrigen Raubtieren in den Lüften und auf dem Boden zum Opfer gefallen. Nun galt es für mich, das Suchobjekt besser in den Blick zu bekommen als die  aufmerksamen Verfolger.

Zum Glück leben in den südlichen Regionen Chiles, in denen der Westwind reichlich Regenwolken vom Pazifik hereintreibt und die Niederschläge in Bächen, Sümpfen und Seen sammelt, noch verschiedene Entenarten in Freiheit.

Namen wie «Peposaka» oder «Koskoroba» gehen in den Wortschatz ein. Zumeist sind es drei Bezeichnungen, die man sich merken muss: den Namen im Volksmund, den wissenschaftlichen und auch den im fernen Deutschland bekannt gewordenen.  

Eine Reise durch Chile kann aus jedem einen Entenliebhaber machen. Mir ist der Augenblick unvergessen, als nach langem Warten am Schilfrand der Laguna Torca eine Peposakaente einschwebte. Sie kommt in den subtropischen Gebieten Brasiliens und Argentinien vor und sucht zum Glück auch diese Breiten Chiles auf. Als Lebensraum bevorzugt sie Sumpfland, etwa Süßwasserseen, Röhrichtzonen und Altarme von Flüssen. 

Wir erkennen das hübsche Tier an seinem schwarzen Kopf, zu dem ein feuerroter Schnabel vorzüglich passt. «Pato Negro» nennen sie die Landleute.

Wer sich auf zugegeben schlechten Wegen hat durchrütteln lassen, sollte vor dem Einbiegen zur Laguna Conguillio schon die Kamera bereithalten, um eine Dampfschiffente vor das Objektiv zu bekommen. Beim unverhofften Auftauchen unseres Wagens ergriffen mehrere sogleich die Flucht. Aber trotz großer Anstrengung hoben sie nicht zum Flug ab. Sie setzten ihre schmalen Flügel wie Paddel ein und hatten damit ihren Namen weg: Dampfschiffente (Tachieres patachonicus). Allerdings hat diese Gattung noch eine Schwester mit längeren Flügeln und weniger Körpergewicht. So unterscheiden die Chilenen die «Quetru» von der « Quetru no volador». Bernhard Grzimek beschreibt sie ausführlich in seinem «Tierleben».

Eine Zucht am Biobio

Hartmut hätte seine Zucht in Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt gern mit ein paar Exemplaren aus der chilenischen Wildnis bereichert. Es kam aber nicht infrage, Nester zu räubern. Man musste sich da schon an einen Züchter wenden. Also besuchte ich mit ihm meinen ehemaligen Schüler und Freund Fernando Körner in seinem Anwesen in Concepción auf Kilometer 7 an der Straße nach Santa Juana, also Biobio aufwärts. In den Ausläufern des Nahuelbuta-Gebirges entspringt dort eine Quelle, deren Wasser auf einer Wiesenfläche eine Niederung in einen See verwandelt hat. Dort fanden Wasservögel eine natürliche Umgebung. Eine Trennung ihrer Areale war trotzdem nötig, denn man wollte Vermischungen unter den «Anatidae», den Entenvögeln, zu denen auch die Gänse und Schwäne zählen, vermeiden. 

So kam es, wie es kommen musste: Man wollte Eier bestimmter Spezies austauschen. Wünschen wir Hartmut und Fernando eine Freundschaft von langer Dauer!

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