Im Einsatz für deutsche Sprache und Kultur
Die Burschenschaft Araucania wurde am 31. März 1896 von einer Gruppe deutsch-chilenischer Studenten der Universidad de Chile gegründet. Ihr Wahlspruch lautete: «Ehre, Zucht und Einigkeit».
Das Ziel dieser Studentenverbindung war, einen Männerbund zu bilden, um akademische Diskussionen zu führen und das freie Reden zu fördern sowie eine enge Freundschaft zwischen Mitgliedern und das Deutschtum zu pflegen. In den folgenden 125 Jahren wuchs die Burschenschaft Araucania (B. Araucania) zu einer wichtigen deutsch-chilenischen Institution. Mitglieder sind Studenten aus ganz Chile mit einem gemeinsamen Interesse an der deutschen Sprache und Kultur sowie eine Gruppe von rund 200 alten Herren, die diese und andere Institutionen im Lande tatkräftig unterstützen.
Treu den Grundsätzen der Institution und genauso wie es in der frühen Geschichte war, besteht die Burschenschaft Araucania aus Studenten aus anerkannten Universitäten Santiagos, die die deutsche Sprache pflegen und sich für die Kultur begeistern. Durch die Kameradschaft und die Freundschaften zwischen den Mitgliedern entsteht ein Gefühl der lebenslangen Zugehörigkeit zur Burschenschaft. Denn auch nach Studienabschluss machen die Studenten weiter als «alte Herren» und beraten und unterstützen die jüngeren Mitglieder.
Heute zählt die Burschenschaft Araucania 30 aktive Mitglieder und bietet ihnen ein Zuhause an, in dem etwa 20 Studenten regelmäßig wohnen. Die Mehrheit kommt aus deutschen Schulen von ganz Chile, dennoch kann jeder Student, der der deutschen Sprache mächtig ist, aufgenommen werden und sich aktiv an den zahlreichen Versammlungen beteiligen. Ältere Studenten, die eine gewisse Zeit schon in der Verbindung verbracht haben, erlangen die Stellung des sogenannten «Burschen», und haben die Verantwortung, die Institution zu führen und die Aktivitäten zu organisieren. Die neueren Mitglieder nennt man «Fuchs». Sie sollen sich im ersten Jahr an das Studium und die Burschenschaft gewöhnen, bis sie dann befähigt sind, größere Verantwortung und Ämter innerhalb der Verbindung zu übernehmen.
Geschichte der Burschenschaft
Die Geschichte der Burschenschaft beginnt aber bereits viele Jahre vor dem Gründungsjahr der Araucanier 1896. Am 12. Juni 1815 wurde in Jena die erste deutsche Burschenschaft gegründet, Nachfolgerin der von Studenten gebildeten Landsmannschaften und anderer Vereine. Die
Freiheits – und Einheitsbewegung der Revolution erlebte um 1848/1849 in Deutschland ihren Höhepunkt, und es entstanden in dem Zeitraum die meisten der bis heute aktiven Burschenschaften.
Die vom chilenischen Staat geförderte Einwanderung von Deutschen Mitte des 19. Jahrhunderts führte zur Entstehung der deutschen Kolonie im Süden von Chile. In dieser deutschen Gemeinschaft entstand die Burschenschaft Araucania und andere deutsche Institutionen Chiles. Unter den deutschen Einwanderern war in den 1870er Jahren auch ein Burschenschaftler: Dr. Karl Martin, Mitglied der «Arminia» in Jena. Christoph Martin, der Sohn von Dr. Karl Martin, kam 1894 nach Santiago, um Medizin zu studieren. Zusammen mit anderen Studenten, insbesondere mit Wilhelm Münnich und Jens Petersen, gründeten sie 1896 die Burschenschaft Araucania
nach dem Vorbild der Burschenschaften in Deutschland und übernahmen die verschiedenen Traditionen, Sitten und Abzeichen der deutschen Korporationen.
Die verschiedenen Häuser und der Nationalsozialismus
In den ersten Jahren besaß die Institution keinen festen Sitz, sondern traf sich in den Wohnungen der Studenten oder mietete Häuser für ihre Aktivitäten. Erst im Jahr 1920 kaufte die B. Araucania ein eigenes Haus in der Calle Miraflores 239, damit dort Studenten, die aus anderen Orten kamen, wohnen konnten. Im Jahr 1924 entstand eine neue Burschenschaft in Concepción, die Montania, die von Studenten der Universidad de Concepción mithilfe der in dieser Stadt ansässigen alten Herren der Araucania gegründet wurde. Dank der Mitarbeit beider
Verbindungen und dem Studentenaustausch zwischen der Universidad de Chile und der Universidad de Concepción, ergab sich ein enges freundschaftliches Verhältnis zwischen Araucania und Montania, das bis heute besteht.
Das Haus in der Straße Cate-dral Ecke Almirante Barroso beherbergte die Burschenschaft Araucania ab 1932. Es begannen die Jahre, in der das Deutschtum aufgrund des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges eine schwierige Zeit erlebte. Die totalitären Ansichten des deutschen Regimes waren keinesfalls mit den freidenkenden demokratischen Grundwerten der Burschenschaften in Chile zu vereinbaren und diese Einstellung führte zu Auseinandersetzungen zwischen den Studentenverbindungen in Chile mit anderen deutschen nazifreundlichen Organisationen. Obwohl sich die B. Araucania dem Nationalsozialismus widersetzte, litt sie unter dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Chile und dem Dritten Reich ab dem Jahr 1943 sowie der Kriegserklärung an Japan im Jahr 1945 und musste zum einzigen Mal in ihrer Geschichte auf unbestimmte Zeit schließen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs konnte die B. Araucania wieder Veranstaltungen organisieren und die deutsche Gemeinschaft sich weiterentwickeln. Das alte Haus in der Avenida Pedro de Valdivia 1030 wurde das neue Heim, das von Araucanos «Die Burg» genannt wurde. Sie wurde zu einem wichtigen Treffpunkt der deutschen Gemeinschaft in Santiago. Im Jahr 1949 wurde mit Hilfe der Araucania die andere Burschenschaft Santiagos, die Andinia, die kurz nach dem Krieg schließen musste, wieder aktiviert. Im selben Jahr wurde die Burschenschaft Ripuaria in Valparaíso gegründet. Seit 1962 gibt es die Burschenschaft Vulkania, in Valdivia, die letzte in der Liste der fünf Burschenschaften, die zurzeit in Chile aktiv sind. Alle befinden sich in der seit dem Jahr 1996 bestehenden Dachorganisation des Bund chilenischer Burschenschaften (BCB).
Ein neuer Umzug wurde 1956 notwendig, als «Die Burg» mit den Jahren immer baufälliger wurde. Der neue Sitz der B. Araucania wurde das Haus in der Magdalena 90, das dank der Bemühungen der alten Herren gebaut wurde. Dieses diente 40 Jahre als Heim der Burschenschaft.
Ein wichtiges Ereignis dieser Zeit war die Gründung der Mädchenschaft Erika Michaelsen (MEM) in Santiago im Jahr 1969. Die Initiative hatte Peter Michaelsen, einer der alten Herren der Araucania, ergriffen, um eine Gemeinschaft für Studentinnen in Santiago zu schaffen. Diese sollte durch ihren Namen an seine jung verstorbene Tochter Erika erinnern. Nach dem Vorbild der MEM sind zwei weitere Mädchenschaften in Chile gegründet worden: Victoria in Concepción und Amancay in Valdivia.
Santiago wuchs mit den Jahren immer mehr, bis zu den Stadtvierteln Ostsantiagos, wo die Araucania ihr Heim in der Straße Magdalena besaß. Es begann die Suche nach einem neuen Verbindungshaus und man entschied sich, das Haus in der Straße La Serena Ecke del Inca zu kaufen. Dieses wurde umgebaut und ist bis heute das Heim der B Araucania. Als die Araucania ihr 100. Jubiläum 1996 feierte, besaß sie ein großes, gemütliches und attraktives neues Heim, das der Institution alle nötigen Räumlichkeiten für den Sprung ins neue Jahrhundert bot.
Hauptversammlung, Kneipe, Kommers und Ball
Schon als die Araucania ins Leben gerufen wurde, haben ihre Mitglieder Aktivitäten unterschiedlicher Art organisiert. Die Hauptversammlung ist das wichtigste Ereignis des Studentenlebens, in der sich alle Mitglieder treffen, ihre Meinungen äußern und Diskussionen führen können. Hier werden üblicherweise zwei von den Aktiven selbstverfasste Vorträge gehalten, die zu einem Meinungsaustausch führen.
Die «Kneipe» ist ein Fest, das nach der Tradition der Araucania mit Bier, Liedern und lustigen Reden und Scherzen gefeiert wird. Nach dem offiziellen Teil, wird so ein Fest eröffnet und die fröhliche Kneipe beginnt.
Beim Kommers handelt es sich um ein offizielles größeres Zusammenkommen, das normalerweise im Rahmen der Feierlichkeiten der Gründung einer Burschenschaft veranstaltet wird.
Im Oktober jedes Jahres findet das Stiftungsfest-Kommers der Burschenschaft Araucania, mit vielen Teilnehmern, Gästen und feierlichen Reden statt. Das Feiern einer Kneipe nach solch einer Versammlung ist keine Ausnahme. Am Tag nach dem Stiftungsfest-Kommerse feiert die Araucania ihren Festball, eine Feier mit Mädchenschaften und Burschenschaften anderer Städte, wo auch Freunde oder Begleitung der Mitglieder eingeladen werden.
Erhalt der deutschen Sprache
In den letzten Jahren bemühen sich die Burschenschaftlichen besonders um den Erhalt der deutschen Sprache in Chile. Die deutschstämmigen Familien sprechen immer seltener Deutsch zuhause. Auch wenn viele auf eine deutsche Schule gegangen sind, reicht das Deutsch oft für den Alltag nicht aus. Außerdem kommt ein großer Teil der Studenten der deutschen Schulen aus nicht – deutschsprachigen Familien, was die Erlernung dieser Sprache schwieriger macht. Alle diese Faktoren führen dazu, dass die Bewerber der Burschenschaft ein schwächeres Deutschniveau als früher beim Eintritt haben. So hat sich die B. Araucania in den letzten Jahren vorgenommen, den Erhalt der deutschen Sprache in Chile als seine wichtigste Aufgabe zu sehen.
Heutzutage nimmt die Burschenschaft Araucania nicht nur Interessenten aus deutschstämmigen Familien auf, sondern auch aus Familien, die kein Deutsch sprechen, die aber schon einige Kenntnisse der Sprache haben und vor allem Begeisterung dafür zeigen. Die Verbesserung des Deutschniveaus während der Universitätszeit der Mitglieder, ist das wichtigste Ziel der Araucania. Wege, um die Sprache zu fördern sind, dass alle Aktivitäten der Verbindung auf Deutsch abgehalten werden, dass eine umfangreiche Bibliothek zur Verfügung steht, dass der Kontakt mit dem deutschen Sprachraum gefördert und Deutschunterricht für Mitglieder angeboten wird.
Doch vor allem ist es wichtig, dass die Mitglieder und insbesondere die alten Herren, sich in anderen deutsch-chilenischen In-
stitutionen des Landes engagieren und sich so aktiv für die Pflege der deutschen Sprache einsetzen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass es einen regen kulturellen Austausch der Araucania mit Burschenschaften im deutschen Raum gibt. Trotz der unterschiedlichen Geschichte oder des unterschiedlichen Zwecks der Studentenverbindungen des deutschen Raums und der in Chile ist der Kontakt für die B. Araucania immer bedeutsam gewesen.
So wurde in den letzten Jahren viel Kontakt zu Burschenschaften in Deutschland durch Austausche gepflegt. Dieser wird auch durch den Bund der chilenischen Burschenschaften gefördert: Jedes Jahr erhält ein Student einer chilenischen Verbindung ein Stipendium, das die Kosten des Aufenthalts in Europa deckt. Vom Stipendiaten wird dafür im Laufe des Semesters erwartet, dass er sich im Studium fortbildet, die deutsche Sprache verbessert und bei einer der vielen Burschenschaften im deutschen Raum teilnimmt. Deutsche Studenten werden jedes Jahr auch in den verschiedenen Verbindungen in Chile aufgenommen. Das trägt zur gegenseitigen Bereicherung und zum Lernen voneinander bei.
Christoph-Martin-Stiftung
Das wichtigste Angebot der Araucania ist sicherlich das Stipendium der Christoph-Martin-Stiftung (CMS). Um das akademische Leben zu fördern und die Mitglieder der deutschen Gemeinde zu unterstützen, bietet die CMS den Deutsch sprechenden Studenten und Studentinnen, die nicht in der Lage sind, ihr Studium zu finanzieren, ein Darlehen ohne Zinsen an. Der Fond besteht aus Spenden der alten Herren der Araucania oder von anderen Spendern. Zurzeit unterstützt die Stiftung etwa zehn Stipendiaten und sucht jedes Jahr neue Bewerber, die Deutsch sprechen und ihr Studium nicht ohne Hilfe finanzieren können.