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jueves, 10. octubre 2024
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Deutsch-chilenische Schauspielerin und Regisseurin Marianne Zahn in Berlin

«Öffne dich für die Kultur»

Von Nicole Erler

Die Schauspielerin Marianne Zahn verließ ihre Geburtsstadt Santiago vor sechs Jahren, um in Berlin neu anzufangen. Der Neustart ist ihr geglückt: Sie konnte sich in ihrem Beruf weiterentwickeln, hat in zahlreichen Theatergruppen mitgewirkt und vor Kurzem wurde ihr erster eigener Film uraufgeführt.

Die Gründe, aus denen Marianne Zahn Ende 2014 Chile hinter sich gelassen hat, sind besonders dramatisch. Ihr Weggang war eine Flucht. Da der Vater ihres Kindes ihr mit dem Tod drohte, musste sie schweren Herzens ihre Heimat verlassen und entschied sich, nach Deutschland zu gehen. Seitdem ist sie nicht nach Chile zurückgekehrt.

Ihr Großvater war Deutscher, er stammte aus Magdeburg. Es war kein Problem für Marianne Zahn die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Trotzdem musste sie erst einmal Deutsch lernen. Zwei Jahre dauerte dieser Prozess, bis sie sich in der Sprache sicher fühlte. Als sie in Berlin ankam, hätte die damals 36-Jährige nicht gedacht, dass sie sich dort in ihrem Beruf verwirklichen würde. In Chile hatte sie als alleinerziehende Mutter lange Zeit nicht als Schauspielerin arbeiten können.

In Deutschland jedoch stieg sie schon bald in die Theatergruppe «La chancla migrante» ein. Außerdem machte sie eine Weiterbildung in Theaterpädagogik und leitete danach in einem Verein in Kreuzberg Kinder zum Theaterspielen an. Es folgten Auftritte mit der Theatergruppe «Las cotorras», dem «Iberoamerika Ensemble» und der Gruppe «Teatro de los Sentidos» in Barcelona. 

Inzwischen hat Marianne Zahn ihren ersten eigenen Film gedreht. Das Besondere an «Relatos ciegos» sind die Aufnahmen per Handy. Eigentlich hatte sie die Handlung als Theaterstück geschrieben und so wurde die Theaterkompanie «Primera Línea Teatro» gegründet. Doch aufgrund der Pandemie entstand nun ein Kurzfilm, der in der Zeit der sozialen Unruhen im Oktober 2019 spielt. Die drei Protagonisten haben Marianne Zahn ihre Erlebnisse via Twitter übermittelt. Die Deutsch-Chilenin schrieb das Drehbuch und führte die Regie über Zoom; die Szenen wurden in den Wohnungen der Schauspieler aufgenommen, in Berlin und Santiago. Der Film ist in mehreren deutschen Festivals gezeigt worden.

Zurzeit nimmt Marianne Zahn am Weiterbildungsprogramm «Fit für die Zukunft» teil – eine Fortbildung für Schauspieler, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Der Neustart ist der Chilenin sichtlich gelungen: Die Schauspielerin genießt ihr Leben in Berlin und die vielfältigen Möglichkeiten, die sich ihr bieten.

Der Cóndor fragte Marianne Zahn, wie es ihr beim Einleben in ihren neuen Lebensraum ergangen ist. 

Welche Erfahrungen machten Sie zu Beginn in Deutschland?

Am Anfang war es schwierig – ganz einfach, weil ich die Sprache nicht konnte. Auch die deutsche Pünktlichkeit machte mir zu schaffen. In Chile läuft es eben ganz anders und Unpünktlichkeit ist vielen von uns zur Gewohnheit geworden.

Mittlerweile bin ich jedoch sehr pünktlich. Da habe ich wirklich dazu gelernt. Auch an die deutsche Ehrlichkeit und Direktheit musste ich mich erst einmal gewöhnen. Ich musste die Erfahrung machen, dass ich mich wirklich darauf verlassen konnte, wenn jemand sich mit mir verabredete oder mir etwas versprach.

Was gefällt Ihnen persönlich besonders in Deutschland?

Mich begeistert der Respekt vor der Natur und die spielerische Integration von Parks und kleinen Seen in das Stadtbild. Das Leben ist entspannt, obwohl ich in einer Großstadt lebe, mit all den Vorteilen, die dies mit sich bringt: Es gibt an jeder Ecke gute kulturelle Veranstaltungen im Überfluss, für Erwachsene und auch für Kinder. Vieles ist sogar kostenlos, aber trotzdem von hoher Qualität. Darüber hinaus sind die meisten Leute freundlich und aufrichtig. Das trägt auch ungemein zur Lebensqualität bei.

Was haben Sie hier gelernt oder welche Erkenntnisse neu gewonnen?

Ich habe gelernt, dass es möglich ist zu leben, um sich zu entfalten, anstatt zu leben, um zu arbeiten. Hier in Deutschland kann ich meine Kreativität ausleben, weil ich die Zeit und die Ruhe dafür habe. In Chile hat mein Arbeitsalltag meine gesamte Zeit aufgefressen. Da blieb nichts übrig am Ende des Tages – weder Zeit noch Energie.

Woran können Sie sich schwer gewöhnen?

Für mich ist bis heute die anfängliche Distanz gewöhnungsbedürftig, die viele Deutsche bei einer ersten Begegnung halten. Ich bin sehr extrovertiert, die meisten Deutschen eher ruhig und zurückhaltend. Aber das ändert sich oft, wenn man sich besser kennt.

Manchmal kann ich mich auch nicht so richtig daran gewöhnen, dass viel gemeckert wird. Die Menschen führen hier ein so gutes Leben und sind trotzdem oft nicht zufrieden. Das liegt jedoch vielleicht auch daran, dass sie selbst nie in anderen Ländern gelebt haben, um all das, was sie hier haben, mehr wertzuschätzen.

Welchen Ratschlag würden Sie einem Chilenen geben, der nach Deutschland zieht?

Lerne Deutsch! Öffne dich für die Kultur und nimm dir die Zeit, dich mit Menschen zu treffen und ihre Sichtweisen, ihre Kultur wirklich kennenzulernen. Als ich in Deutschland ankam, habe ich ganz bewusst und konsequent vermieden, mich mit Menschen zu treffen, die ebenfalls Spanisch sprechen konnten. Als ich dann sicherer im Deutschen war, habe ich mich auch wieder diesen Menschen geöffnet. Dieses Vorgehen hat mich sehr dabei unterstützt, mich besser zu integrieren.

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