Kultureller Brückenbauer
Von Nicole Erler
Er ist in verschiedenen Goethe-Instituten in der ganzen Welt aktiv gewesen. Chile ist seine letzte Station auf dieser beruflichen Reise: Christoph Bertrams wird seine Tätigkeit als Leiter des Goethe-Instituts Santiago Ende März 2021 beenden. Doch er bleibt in Chile und hat vor, Land und Leute aus neuen Perspektiven kennenzulernen.
Sein Studium der Germanistik, Romanistik, Komparatistik und Philosophie finanzierte er, indem er Diplomaten Deutschunterricht gab. Christoph Bertrams wuchs in Bonn auf. Sein Vater war höherer Beamter, Bonn zu dieser Zeit noch ein Diplomatenpflaster. Der Literaturwissenschaftler erinnert sich: «Der Sprachunterricht ließ mich über die Erfahrungen und Erzählungen der Diplomaten von meiner Heimatstadt aus, erste Blicke in die große weite Welt werfen.»
Nach dem Studium ging seine allererste Bewerbung an das Goethe-Institut. Eine Abfolge von zahlreichen Stationen rund um den Globus begann: Er war zunächst in Göttingen, dann in Lissabon, im argentinischen Córdoba, in Prag, in Berlin, in Havanna, im indischen Bangalore und schließlich – die vergangenen vier Jahre – in Santiago tätig.
In Indien sei es notwendig gewesen, zunächst einmal kulturelle Brücken zu bauen. Das Programm «Residenz», im Rahmen dessen ein deutscher Künstler für einen Monat nach Indien kam, um dort zu leben und sich aktiv in den Austausch zu begeben, ermöglichte eine erste intensivere Annäherung zwischen den Kulturen.
Ganz anders erlebte es Bertrams in Chile: «Chile ist spannend wegen seiner ausgeprägten Beziehungen zu Deutschland, die unter anderem schon in Zeiten der Kolonisierungspolitik und zum anderen durch die Exil-Chilenen entstanden. Daher existierten bereits zahlreiche, starke kulturelle und institutionelle Brücken.»
Das Goethe-Institut stützt sich auf drei Pfeiler: Den Sprachunterricht, die Bibliothek und die Programmarbeit. In Chile seien alle diese Pfeiler stark präsent. Neben Deutsch für Ausländer bietet das Goethe-Institut in Santiago sogar Spanischunterricht an, was sonst nicht üblich sei, wie Bertrams feststellt. Die Bibliothek in Santiago ist bekannt für ihre große Auswahl an deutschsprachiger Literatur. Ein ganz neues Angebot entstand nun dort in der Coronakrise: «Die Bücher zur Ausleihe werden auf Bestellung per Fahrradservice in viele Stadtteile von Santiago ausgeliefert.»
Gleichzeitig verzeichne das Sprachinstitut einen starken Zuwachs der Schülerzahl. Am Onlineunterricht können nun auch Schüler aus den chilenischen Regionen über die Lernplattform und Zoom teilnehmen. Bertrams betont: «Dieses Angebot implementiert das Goethe-Institut in Zukunft dauerhaft. Wir freuen uns natürlich aber auch auf die Zeiten, wenn wir erneut unseren Präsenzunterricht aktivieren können.»
Dies wird voraussichtlich in Bälde wieder in der Calle Esmeralda geschehen, wo das ehemalige Gebäude des Goethe-Instituts steht. Es wurde bei dem Erdbeben im Jahr 2010 stark beschädigt und wird nun renoviert. Die Gelder sind bewilligt, der Architekt arbeitet auf Hochtouren. Bertrams berichtet: «Die alte Fassade bleibt, der Gebäudekörper wird von Grund auf erneuert.» Das Gebäude war bis 2010 jahrzehntelang der Standort des Goethe-Instituts, «eine kulturelle Perle mit Theatersaal und ausgebuchtem Veranstaltungskalender, zudem ein wichtiger Treffpunkt in damals besonderen politischen Zeiten», erzählt der Institutsleiter.
Nach dem Erdbeben zog das Sprachinstitut in kleinere Räumlichkeiten in die Straße Holanda 100 um. Auch dort wird das Thema Kultur groß geschrieben. Wichtige Partner seien dabei unter anderem: Puerto de Ideas Valparaíso, Museo de Bellas Artes, Santiago a Mil und das Festival Internacional de Poesía. Als ein besonders gelungenes Beispiel-Projekt hebt Bertrams das Literaturprogramm «entreLineas» hervor. Es läuft seit drei Jahren und bringt junge deutsche und chilenische Autoren zusammen.
Lange Zeit war auch Migration ein wichtiges Thema: In den Räumen des Centro Cultural Gabriela Mistral hat das Goethe-Institut in einer Großausstellung für die Thematik sensibilisiert. Zudem wurde der Spanischunterricht für Migranten damals kostenlos angeboten.
Christoph Bertrams schwimmt gerne und versucht, sich mit einem Heimtrainer fitzuhalten. Mit Vergnügen erkundet er die teilweise doch versteckte Kulturszene von Santiago. Und er ist stolz auf seine zwei mittlerweile erwachsenen Kinder: «Die beiden haben das Vagabundenleben und die zahlreichen Umzüge immer gut mitgemacht. Sie sind vernünftige und wunderbare Menschen geworden. Das macht mich glücklich.»
Nach Beendigung seiner Tätigkeit beim Goethe-Institut wird er gemeinsam mit seiner chilenischen Lebenspartnerin erst einmal in Chile bleiben: «Ich möchte mit Menschen zusammentreffen, die einen wirklichen Austausch mit anderen Kulturen suchen. Diesen Prozess der Öffnung und des Austauschs zu begleiten, den Menschen zuzuhören, zu erfahren, was wirklich wichtig für sie ist, das interessiert und motiviert mich.»