Zum 150. Geburtstag von Friedrich Ebert
Von Simone Reperger
Er kam aus kleinen Verhältnissen und brachte es bis zum Reichspräsidenten. Der Sozialdemokrat Friedrich Ebert wollte ein Mann des Ausgleichs sein und wurde dafür gehasst, von Linken und von Rechten.
Sein Name ist bis heute in Deutschland präsent: Die Straße vom Reichstag zum Brandenburger Tor in Berlin ist nach ihm benannt. Und die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung engagiert sich weltweit für seine politischen Überzeugungen.
Geboren am 4. Februar 1871 als Sohn eines Schneiders in Heidelberg, machte Ebert nach der Volksschule eine Sattlerlehre. Während seiner Wanderjahre schloss er sich der SPD an. In Bremen begann sein Aufstieg. Er wurde Redakteur einer SPD-Zeitung und örtlicher Parteivorsitzender. Als Mitglied der Bürgerschaft stellte er schon 1903 einen Antrag auf Festsetzung von Mindestlöhnen und auf Begrenzung der Arbeitszeit.
Steile Karriere und vergebliche Vermittlungsversuche
Die nächste Etappe begann 1905: Friedrich Ebert zog nach Berlin und wurde in den Vorstand der SPD-Gesamtpartei gewählt – mit 34 Jahren war er der Jüngste. Er förderte den Austausch mit den Gewerkschaften und fungierte als Schlichter bei Parteistreitigkeiten, eine Rolle, die er später noch oft übernehmen sollte. 1912 wurde Ebert in den Reichstag gewählt. Die SPD war damals dort stärkste Fraktion. Ein Jahr später machte ihn seine Partei zu einem ihrer beiden Vorsitzenden.
Der Erste Weltkrieg spaltete die SPD. Hauptstreitpunkt war die Haltung zum Krieg und speziell die Bewilligung von Kriegskrediten. Vergeblich versuchte Ebert, die Parteiflügel zusammenzuhalten und für einen Ausgleich zu sorgen. 1916 wurden die Kritiker des Kriegskurses aus der Fraktion ausgeschlossen, 1917 auch aus der Partei. Die Verbannten gründeten daraufhin links von der SPD eine neue Partei, die USPD.
Die SPD selbst versuchte sich an einer Friedensresolution. 1917 reiste eine Delegation unter Eberts Führung zur Vorbereitung eines Friedensvertrages nach Stockholm. Doch eine Verständigung scheiterte, vor allem an der Frage der Kriegsschuld. Auch für Ebert persönlich endete das Jahr 1917 tragisch: Zwei seiner Söhne fielen.
Demokrat zwischen den Fronten
Die Revolution 1918/19 besiegelte den Untergang des kaiserlichen Obrigkeitsstaats und führte zur Gründung der ersten demokratischen Republik auf deutschem Boden. Das ¬Frauenwahlrecht wurde eingeführt, und in Betrieben galt jetzt der Acht-Stunden-Tag. Doch die junge Demokratie war in Gefahr: Revolutionäre und gegenrevolutionäre Kräfte kämpften um die Macht. Ebert bekannte sich klar zum Parlamentarismus. Als Reichskanzler setzte er die Wahl einer Verfassungsgebenden Nationalversammlung durch und gestaltete damit den Übergang von der Revolution in die Demokratie.
1919 wurde Ebert zum Reichspräsidenten gewählt. Als Staatsoberhaupt der jungen Weimarer Republik musste er außergewöhnliche Herausforderungen meistern: Regierungskoalitionen zerbrachen, die Reparationszahlungen von Versailles belasteten die Wirtschaft, rechte Putschisten formierten sich zum Angriff auf die Demokratie, politische Morde vergifteten die Atmosphäre. Ebert setzte auf eine Politik des sozialen Ausgleichs und verteidigte die junge Republik gegen ihre einflussreichen Feinde. Mit seiner Bereitschaft zum Kompromiss gelang es ihm, die Demokratie zu stabilisieren und Freiheit und Rechtsstaatlichkeit zu sichern.
Steuermann durch politische Krisen
Ebert verstand Demokratie als Angebot an alle zur Mitarbeit in der neuen Republik. Für ihn war klar: Demokratie braucht Demokraten. Er sah sich als überparteilichen Vertreter des demokratischen Staates, der zugleich überzeugter Sozialdemokrat blieb. In seiner Rede nach der Wahl zum Reichspräsidenten sagte er dies klar:
«Ich will und werde als der Beauftragte des ganzen deutschen Volkes handeln, nicht als Vormann einer einzigen Partei. Ich bekenne aber auch, dass ich ein Sohn des Arbeiterstandes bin, aufgewachsen in der Gedankenwelt des Sozialismus, und dass ich weder meinen Ursprung noch meine Überzeugung jemals zu verleugnen gesonnen bin.»
Doch der Staat geriet von einer Krise in die nächste. 1920 brachte der Kapp-Lüttwitz-Putsch die Weimarer Republik ernsthaft in Gefahr. Die Reichsminister Matthias Erzberger und Walther Rathenau wurden von rechtsterroristischen Attentätern ermordet. Regierungskoalitionen zerbrachen. Reichspräsident Ebert versuchte zu vermitteln, indem er für einen Ausgleich zwischen den politischen Lagern eintrat.
Eine schwere Belastung waren die Reparationszahlungen aus dem Versailler Vertrag. Die Bevölkerung empfand sie als äußerst ungerecht. Nach einem Zahlungsrückstand besetzte Frankreich 1923 das Ruhrgebiet. Auch in Sachsen, Thüringen und Bayern kam es zu Krisen. Und die Hyperinflation heizte die politische Stimmung auf.
Ebert geriet in die Kritik. In seinem Bestreben, die parlamentarische Demokratie zu beschützen, traf er auch unpopuläre Entscheidungen. Dadurch litt sein Ansehen in der SPD und in der Arbeiterschaft, Teile der Partei forderten sogar seinen Ausschluss. Schließlich gelang es Ebert, die Währung zu stabilisieren, Erleichterungen bei den Reparationen zu erreichen und die Staatsausgaben in den Griff zu bekommen.
Verleumdung und früher Tod
Ruhe kehrte für Ebert trotzdem nicht ein. Nach den politischen Krisen geriet er zunehmend persönlich unter Beschuss. Eine Zeitung warf ihm vor, er habe die Niederlage im Ersten Weltkrieg mitverschuldet. In einem Verleumdungsprozess wurde Ebert 1924 der Vorwurf gemacht, er habe sich gegen Kriegsende bei einem Munitionsarbeiterstreik in die Streikleitung wählen lassen. Ebert hielt dem entgegen, er habe damit Einfluss gewinnen wollen, um den Streik zu beenden. Am Ende verurteilten die Richter die Journalisten lediglich wegen Beleidigung. Dem Reichspräsidenten hielten sie dagegen vor, er habe faktisch Landesverrat begangen.
Während des Prozesses hatte Ebert sein persönliches Wohl zurückgestellt. Die notwendige medizinische Behandlung einer Blinddarmentzündung verschob er mehrfach. Als er sich schließlich operieren ließ, war es zu spät. Fünf Tage nach dem Eingriff, am 28. Februar 1925, starb Friedrich Ebert. Er wurde nur 54 Jahre alt.
Ansporn für eine demokratischere Welt
Schon kurz nach Eberts Tod trug der SPD-Vorstand dem politischen Vermächtnis des Reichspräsidenten Rechnung und gründete eine Stiftung. Die SPD tat dies aus der Erkenntnis heraus, dass es in der Weimarer Republik bis dahin nicht gelungen war, die Mehrheit der Bürger von den Werten der Demokratie zu überzeugen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung sollte deshalb dazu beitragen, Menschen aller Schichten politisch und gesellschaftlich zu erziehen, im demokratischen Geist und im Sinne der internationalen Verständigung. Insbesondere sollte die Stiftung jungen Menschen aus der Arbeiterschaft helfen zu studieren, um in der jungen Demokratie Verantwortung zu übernehmen und persönlich den sozialen Aufstieg durch Bildung zu schaffen.
Bis heute macht sich die Friedrich-Ebert-Stiftung für die Ziele ihres Namensgebers stark. Das Streben nach gesellschaftlichem Fortschritt, persönlicher Freiheit und sozialer Gerechtigkeit leitete Ebert sein Leben lang. Die Auseinandersetzung mit den Nöten der Arbeiterinnen und Arbeiter prägte seine politischen Entscheidungen. Er wollte Demokratie und sozialen Fortschritt verwirklichen. Nicht mit Gewalt, sondern Schritt für Schritt. Mit ihren Kultur- und Bildungsprogrammen arbeitet die Friedrich-Ebert-Stiftung für diese Ziele und Werte in Deutschland, in Chile und in weiteren mehr als 100 Ländern der Welt.
Simone Reperger leitet seit vier Jahren das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Chile (www.fes-chile.org).