Recycelte Farben in Chile – Marktlücke für die Umwelt
Von Nicole Erler
Erwin Mayer-Beckh begeistert sich für das Thema Rohstoffrückgewinnung und hat seine Mission als Unternehmer darauf ausgerichtet. Er wird nicht müde, die Wichtigkeit der Wiederverwertung von Produkten und Materialien zu betonen. Chile hat ein großes Entwicklungspotential für den Recyclingmarkt.
Erwin Mayer-Beckh gründete gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Richard Behrens vor etwas mehr als drei Jahren die Firma Pinturec – ein Unternehmen, das sich auf die Herstellung und den Vertrieb von recycelten Farben spezialisiert. Die beiden Ingenieure lernten sich kennen, weil ihre Kinder gemeinsam die Deutsche Schule Santiago besuchen. Damals war Behrens noch in der Reststoffverwertung von Styropor tätig. Die beiden Männer beschlossen gemeinsam neue Pläne zu schmieden und sich dem Recycling und der Herstellung von Farben zu widmen – in den USA seit langem ein Erfolgskonzept.
Erwin Mayer-Beckh erzählt begeistert: «Das Recycling von Anstrichmitteln ist in den USA sehr weit entwickelt. Wir möchten dieses Konzept auch hier in Chile vorantreiben. Chemisch unterscheidet sich die recycelte Farbe nicht von neu hergestellter Farbe. Bei gleicher Qualität sind unsere Farben sogar rund 20 Prozent günstiger. Und ökologisch gesehen können unsere Produkte allemal punkten: Bei der Herstellung wird weniger Kohlendioxid freigesetzt, insgesamt weniger Energie benötigt und das Müllvolumen wird reduziert. Zudem wird auch die Verpackung unserer Farben aus recyceltem Plastik hergestellt. Ein kleiner Nachteil ist, dass wir nicht beliebig viele Farbtöne anbieten können. Unsere Farbpalette ist auf rund 17 Farbnuancen beschränkt. Doch unseren Kunden ist der ökologische Aspekt wichtiger.»
Pinturec importiert Farbreste aus den USA, recycelt sie hier in Chile und vertreibt die recycelten Farben an ökologisch bewusste Kunden. Das eigentliche Ziel von Mayer-Beckh ist es, auch den Aufbau von Recyclingkreisläufen in Chile voranzutreiben. Das Gesetz «Ley de Responsabilidad Extendida del Productor» ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung. Es verpflichtet Importeure und Produzenten den Recyclingkreislauf für ihre Produkte zu gewährleisten. Bisher gilt dieses Gesetz jedoch nur für Reifen, Batterien, Karton, Altöl und Schmiermittel – nicht jedoch für Farben. «Solange nicht weitere Produkte in das Gesetz eingeschlossen werden – zum Beispiel Farben – ist es schwierig Recyclingkreisläufe aufzubauen. Außerdem ist es enorm wichtig, dass der Konsum von recycelten Produkten im Allgemeinen gefördert und auch das Bewusstsein bei den Kunden dafür geschaffen wird – auf dem privaten und dem industriellen Markt. Glücklicherweise können wir schon kleinere Kreisläufe mit größeren chilenischen Firmen aufbauen, die in ihren firmeneigenen «puntos limpios» auch die Annahme von Altfarben integrieren. Der Prozess geht jedoch zu langsam voran. Es ist wichtig, dass die Wiederverwertung von viel mehr Reststoffklassen zur Pflicht wird.»
Der Maschinenbau- und Industrieingenieur wurde 1971 in Nürnberg geboren und verbrachte dort seine ersten Lebensjahre. Einige Zeit lebte die Familie auch in Stuttgart. Mit seinem deutschstämmigen Vater und seiner englischstämmigen Mutter – beide gebürtig in Chile – zog er als Zehnjähriger nach Madrid und verbrachte dort einen großen Teil seiner Jugendzeit. Ende der 1980er Jahre kehrte die Familie schließlich nach Chile zurück. Erwin Mayer-Beckh studierte Ingenieurwesen an der Universidad Santiago de Chile und der Universidad Santa María und rundete seine Ausbildung mit einem Master of Business Administration an der IEDE Business School der Universidad Europea de Madrid ab. Nach seinem Studium war er lange Jahre als Geschäftsführer mehrerer chilenischer Firmen tätig, bis er schließlich 2017 Pinturec gründete.
Auch die Arbeit als Bergführer habe ihn auf die selbständige Tätigkeit vorbereitet und seine Führungskompetenzen entwickelt. Als junger Mann musste Erwin Mayer-Beckh teilweise viel ältere und lebenserfahrenere Bergsteiger sicher durch das Hochgebirge führen. Er erinnert sich: «Das ist eine Herausforderung gewesen, denn obwohl ich noch so jung war, übernahm ich die Verantwortung für die Sicherheit dieser Menschen.» Auch Golf und Astronomie zählen zu den Leidenschaften von Erwin Mayer-Beckh. Im Moment konzentrieren er und sein Partner sich auf die Weiterentwicklung der Firma.
Die Pandemie hat diesem Prozess zugespielt. «Der Online-Verkauf unserer Farben ist in die Höhe gestiegen, wir haben eine 85-prozentige Steigerung verzeichnet. Viele Menschen haben die Zeit während der Quarantäne genutzt, um ihrem Heim einen neuen Anstrich zu geben. Gerade als die Pandemie begann, haben wir auch unser neuestes Produkt auf den Markt gebracht: Recycelte Korrosionsschutzmittel für die Industrie. Ich bin sehr stolz auf dieses Unternehmen, denn es ist sinnstiftend und zukunftsweisend. Es macht mich glücklich, dass meine 12- und 14-jährigen Kinder ihren Klassenkameraden stolz von unserer Firma erzählen.» Hier schließt sich ein Kreis, denn seinen Geschäftspartner hatte Erwin Mayer-Beckh über seine Kinder kennengelernt. Ein schönes Zusammenspiel.