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«On Air. 100 Jahre Radio»

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«Ein kleines, bescheidenes Weihnachtskonzert»

Von Walter Krumbach

Das Quelle-Radiogerät Simonetta Stereo-Grosssuper ST 6501 stammt aus dem Jahr 1965.

Am 22. Dezember 1920 um 14 Uhr sprach der Ansager ins Mikrofon: «Hallo, hallo, hier Königs Wusterhausen auf Welle 2700!» Es waren die ersten Worte, die in Deutschland über Rundfunk übertragen wurden. Ein neues Medium war geboren.

Die  Techniker der Reichspost hatten in monatelanger Vorarbeit einen Sender gebaut, der imstande war, Musik und das gesprochene Wort zu übermitteln. Anschließend kündigte der Sprecher «ein kleines, bescheidenes Weihnachtskonzert» an, worauf Musik erklang, die live von Musikern im Studio gespielt und von einem Grammophon übertragen wurde.

Die Ausstellung «On Air. 100 Jahre Radio» im Museum für Kommunikation Berlin in Königs Wusterhausen zeigt bis 29. August 2021 unter anderem das Senderhaus der Großfunkstelle der Deutschen Reichspost. Sie ist wegen Corona geschlossen, aber per Internet zugänglich: www.radio.museumsstiftung.de/100-jahre-radio/

Erst Militärfunk, dann Wetterberichte Königs Wusterhausen liegt südöstlich der Berliner Stadtgrenze. Dort hatten die ersten Funkversuche bereits im Jahr 1908 stattgefunden. 1916 nahm die Station als militärische Funkstelle mit vier Lichtbogensendern ihren Betrieb auf. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs gehörte sie dem Heer. Im September 1919 übernahm die Deutsche Reichspost die Anlage, um sie für den drahtlosen Telegramm-Dienst zu nutzen. Zusätzlich strahlte der Sender mehrmals täglich Wetterberichte für sämtliche deutschen Flughäfen und Funkstellen des Flugsicherungsdienstes aus. 

Nach dem Weihnachtskonzert 1920 folgte am 23. März des darauffolgenden Jahres ein Osterkonzert. Die Postbeamten ergriffen nun die Initiative, regelmäßig Sendungen zu produzieren. So entstanden die Sonntagskonzerte, bei denen sie auf ihren eigenen Instrumenten spielten. 1922 begann der Wirtschaftsrundfunkdienst seine periodischen Programme auszustrahlen. Die Hörer informierten sich über Markttendenzen, Preisentwicklungen und Devisenkurse.

Der «Volksempfänger»

In den folgenden Jahren wurde das Radio zu einem für Musikliebhaber und Nachrichtenkonsumenten unentbehrliches Medium. So kam es, dass die führenden Politiker sehr bald sein Beeinflussungs-Potential erkannten. Joseph Goebbels, Minister für Volksaufklärung und Propaganda der Nationalsozialisten, ließ deshalb sofort nach seinem Amtsantritt ein preiswertes Radiogerät entwickeln. Es entstand der «Volksempfänger», der bereits im August 1933, kaum sechs Monate nach der Machtergreifung, in der Großen Deutschen Funkausstellung in Berlin vorgestellt werden konnte. Der Apparat empfing Lang- und Mittelwellensender, hatte einen Kaufpreis von 76 Reichsmark und war somit für jedermann erschwinglich. In den folgenden Jahren entwickelte sich der Volksempfänger zum einflussreichsten NS-Propaganda-Instrument. 

Mehr Frequenzen, weniger Störungen

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen die ersten Ultrakurzwellensender ihren Betrieb auf. Der Bayerische Rundfunk strahlte sein UKW-Programm ab Februar 1949 aus – noch vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Aufgrund seines erweiterten Frequenzbereichs und der geringen Störanfälligkeit erwies sich dieses Medium als ideal für Musiksendungen und wird heute noch überwiegend von den Rundfunkanstalten eingesetzt.

1922 erstes Radio in Chile 

Auch in Chile begannen die Rundfunkübertragungen relativ früh. Im Jahr 1922 bauten die Professoren Enrique Sazié und Arturo Salazar einen Sender, den sie in einem Raum der Universidad de Chile an der Alameda in Betrieb nahmen. Den Empfänger stellten sie in der Empfangshalle des «Mercurio» auf (Compañía Ecke Morandé). Die Zeitung hatte an jenem 19. August die Programmfolge veröffentlicht. Sie begann mit einer Erläuterung der Sendung, es folgte der Marsch «It’s a Long Way to Tipperary», eine Ansprache des Journalisten Rafael Maluenda (der 1946 zum Chefredakteur des «Mercurio» aufrücken sollte), dann kamen verschiedene Musiknummern und zum Schluss die letzten Tagesmeldungen und die Yungay-Hymne. Sendebeginn war um 21.30 Uhr. Über 200 Leute, die sich das historische Ereignis nicht entgehen lassen wollten, füllten um die Uhrzeit die Halle.

Die Sendung hinterließ bei Presseleuten und Politikern einen tiefen Eindruck. Bereits im Oktober des gleichen Jahres gründeten einige Firmen, darunter International Machinery & Co., Radio Chilena, das am 26. März 1923 mit seinem regelmäßigen Sendebetrieb begann. Es folgte Radio El Mercurio, das der gleichnamigen Tageszeitung gehörte und 1926 Radio Lord Cochrane in Valparaíso. Binnen kurzer Zeit kamen etliche Sender dazu, die die chilenische Medienlandschaft jahrzehntelang prägen sollten. Zwei von ihnen, Radio Cooperativa Vitalicia und Radio Agricultura, die 1936 eingeweiht wurden, üben heute noch einen großen Einfluss auf die nationale öffentliche Meinung aus.

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