«Zum Ziel kommt man am besten im Team»
Von Nicole Erler
Marianne Fiala-Beutler ist seit 2008 Schweizer Honorarkonsulin. Sie vernetzt und fördert die Schweizer Gemeinschaft in den Regionen Araucanía, Los Lagos und Los Ríos. Ihr persönliches und berufliches Credo ist die Arbeit im Team.
Bis sie im Jahr 2005 die Schweiz verließ und ihren Lebensmittelpunkt nach Chile verlegte, führte Marianne Fiala-Beutler ein ganz normales Leben. Sie ist von Beruf Medizinische Laborantin und war an der Universität Zürich in den Instituten für Medizinische Mikrobiologie und Parasitologie sowie in der Schweizer Forschungsklinik für Tuberkulose in Davos tätig. «Das Thema Tuberkulose fasziniert mich. Es war mein Traum einmal in diesem Institut zu arbeiten und er ist wahr geworden. Seitdem ist Davos meine Lieblingsstadt in der Schweiz.»
Geboren wurde Marianne Fiala-Beutler in Bern, wo sie eine glückliche Kindheit verlebte. Gemeinsam mit ihrem Mann – einem Schweizer Dermatologen – und ihrer Tochter zog Marianne Fiala-Beutler vor 15 Jahren nach Chile. Sie erzählt: «Es war für uns ein Experiment. Wir wollten noch einmal ein ganz anderes Leben kennenlernen, in einer fremden Kultur andersartige Erfahrungen machen und uns mit einer neuen Sprache auseinandersetzen. Mein Mann und ich hatten den Plan, uns zur Ruhe zu setzen. Im Rückblick hat sich unsere Entscheidung auszuwandern besonders auf das Leben unserer Tochter ausgewirkt. Sie war damals im Jugendalter. Mittlerweile studiert sie Anthropologie und hat sich gut eingelebt. Vor unserem Umzug hatten wir während unserer vielen Reisen nach Chile schon einen größeren Freundeskreis aufgebaut. Das hat alles erleichtert.»
Im Jahr 2008 wurde Marianne Fiala-Beutler das Amt der Schweizer Honorarkonsulin angeboten. Seitdem wahrt sie die Interessen der Schweiz vor Ort. Sie lebt mit ihrer Familie in Temuco. Ihr Konsulat umfasst die Regionen Araucanía, Los Lagos und Los Ríos. Mittlerweile gibt es zwei weitere Konsulate in Concepción und Punta Arenas. «Ich treffe keine Entscheidung allein. Alle Vorgänge stimme ich intensiv mit der Botschaft in Santiago ab. Meine Aufgabe ist – unter anderen – die Beziehungen und den Austausch mit den örtlichen Behörden, Institutionen, Universitäten und besonders mit den Mitgliedern der Schweizer Gemeinschaft zu pflegen und zu fördern. In diesem Teil von Chile leben viele schweizerische Einwanderer, die Ende des 19. Jahrhunderts ihr Leben in der Heimat aufgaben, um nach Chile zu kommen – aus existenziellen Gründen, oftmals mit Kind und Kegel. Ich habe großen Respekt vor der Entscheidung, in dieser – damals sehr harten – Zeit in ein unbekanntes Land auf einem fremden Kontinent auszuwandern. Auch gegenüber der indigenen Bevölkerung empfinde ich eine große Achtung. Zwischen diesen beiden hier lebenden Gemeinschaften versuche ich eine neutrale Position einzunehmen.»
Marianne Fiala-Beutler kümmert sich neben der Interessenwahrung der Schweiz auch intensiv um ihre sechsjährige Enkelin. Sie erinnert sich dankbar: «Meine Mutter hat mich sehr bei der Erziehung unserer Tochter unterstützt – nur deshalb konnte ich mich in dieser Zeit beruflich weiterentwickeln. Nun möchte ich dieses Geschenk von damals weitergeben an meine Tochter. Meine Enkelin ist mein zweites Amt. Und vor allen Dingen: Ich möchte meine Muttersprache an sie weitergeben!»
Teamarbeit ist generell ein wichtiges Thema im Leben der Honorarkonsulin. In der Schweiz hat sie gemeinsam mit ihrem Mann sowie Freunden, Bekannten und Arbeitskollegen ein jährliches großes Sommerfest veranstaltet, dessen Reinerlös in Projekte zur Förderung von Kindern in Chile, Rumänien und Kambodscha floss. Die Schweizerin kommentiert: «Am Anfang ist die Idee, doch zum Ziel kommt man am besten im Team. So wie gerade in diesen Zeiten der Pandemie, in denen wir kompromissbereit sein sollten und zusammenhalten müssen, um diese außergewöhnliche Situation gemeinsam zu meistern. Das chilenische Volk ist glücklicherweise sehr solidarisch.» Gemeinsam mit der Schweizer Botschaft entwickelt sie Projekte und Programme, die in den Regionen übergreifende Zusammenarbeit der Schweizer Clubs fördert und deren Aktionsradius erweitert. Sie bringt Schweizer und Schweizerinnen aus verschiedenen Bereichen, hauptsächlich aus der Kultur, über die Botschaft in die Regionen und fördert so den gegenseitigen Austausch.
Obgleich im regionalen Wirkungsbereich der Honorarkonsulin viele Einwandererfamilien leben, hat sich deren Muttersprache über die Generationen hinweg schnell verloren. Die Hypothese von Marianne Fiala-Beutler ist: «Die Schweizer sind von Haus aus ein mehrsprachiges Volk und sie sind sehr flexibel. Die Zuwanderer sprachen Schweizerdeutsch, Französisch, Italienisch und teilweise Rätoromanisch – da hat man sich schnell auf eine gemeinsame neue Sprache geeinigt.»
Für das Jahr 2021 hat sich die Schweizerin ein persönliches fremdsprachliches Ziel gesetzt: Sie möchte die Sprache der Mapuche lernen – Mapudungun! Ein beruflicher Traum ist die Realisierung eines Museums über die Schweizer Einwanderungsgeschichte in der Region. Auch eine stärkere Vernetzung zwischen der schweizerischen, österreichischen und deutschen Gemeinde würde sie begrüßen. Marianne Fiala-Beutler schließt zusammenfassend: «Es gibt noch viel zu tun!»