Zum 125. Geburtstag von George VI.
Von Peter Downes
Sicherlich ist es dem Vater von Queen Elisabeth II. zu verdanken, dass die Monarchie in Großbritanniens bis heute fortbesteht. Dabei wollte Georg VI. niemals auf den Thron. Die Abdankung seines Bruders Edward VIII. nötigte ihn dazu und so half er, die Stabilität Großbritanniens und des Empires in unruhigen Zeiten zu wahren.
Eine «viktorianische» Jugend
Als Albert Frederick Arthur George am 14. Dezember 1895 in Sandringham House in der Grafschaft Norfolk zur Welt kam, herrschte noch seine Urgroßmutter Königin Victoria in Großbritannien. Er war der zweite Sohn des Herzogs von York George und der Herzogin Mary (von Teck), stand daher im Schatten seines älteren Bruders Edward. Die Erziehung, die Albert und seine Brüder erlebten, war von Strenge, Disziplin und Respekt bestimmt, also ganz im Sinne des viktorianischen Erziehungsideals. Eine häusliche Wärme war hier nicht anzutreffen, sondern die Kinder wurden von Gouvernanten und Hauslehrern erzogen. Albert schien diese Strenge zu einem schüchternen und eher scheuen Menschen gemacht zu haben, der zudem öfter kränkelte und dann begann zu stottern, was er sein ganzes Leben nie ganz ablegen konnte.
Als Dreizehnjähriger begann er in der Royal Navy als Kadett und schaffte es bis zum Offizier. Während des Ersten Weltkriegs diente er auf dem Schlachtschiff HMS Collingwood und nahm in Mai 1916 an der Schlacht von Jütland teil. 1919 wechselte dann zur Airforce, wo er als erster der königlichen Familien den Pilotenschein erwarb.
Sein Vater war 1910 als George V. auf den englischen Thron gelangt und ließ während des Ersten Weltkrieges den Namen der königlichen Familie in «House Windsor» (1917) umändern, letztlich um die unumstrittene Loyalität der Royals zum britischen Volk zum Ausdruck zu bringen und ihre deutschen Wurzeln in den Hintergrund zu stellen. Im Herbst 1919 begann Albert am Trinity College in Cambridge Geschichte, Wirtschaft und Pädagogik zu studieren. Das Studium brach er allerdings ohne einen Abschluss nach einem Jahr ab, als er zum Duke of York ernannt wurde und damit Repräsentationsaufgaben der Krone im Namen seines Vaters übernahm. Seine Besuche in Fabriken, Werkstätten und Kohlenminen brachten ihm den Spitznamen «Industrieprinz» ein.
Die königliche Familie als Symbol der Krone
Die Entwicklung der Massenmedien in den 1920er und 1930er Jahren führte zu einem verstärkten Interesse der Bevölkerung an der Berichterstattung. Nun interessierte man sich zunehmend auch für das Leben von Berühmtheiten und somit auch der königlichen Familie. So wurde 1923 auch über die Hochzeit der Herzogs Alberts mit der Adligen Elisabeth Bowes-Lyon ausführlich berichtet und dann auch über die Geburt der beiden Töchter Elisabeth (1926) und Margret (1930). Bilder der Royals zeigten deren Familienleben und die Presse begleitete die Prinzen und den König bei ihren öffentlichen Auftritten. Edward stand als Junggeselle im Rampenlicht der Öffentlichkeit und so berichtete man auch von seinen Besuchen in Clubs, wo er sich als guter Tänzer und charmanter Frauenschwarm erwies. Albert hingegen vermied möglichst Reden und Gespräche, ließ sich aber durch einen Sprach-
therapeuten behandeln, damit er sein Stottern kontrollieren konnte. Hier war seine Frau Elisabeth eine große Stütze, indem sie ihn ermunterte, die Atem- und Sprachübungen auch regelmäßig durchzuführen.
Ein König wider Willen
Als am 20. Januar 1936 George V. verstarb, wurde Edward sein Nachfolger. Der neue König Edward erschien der britischen Bevölkerung als ein volksnaher und moderner Monarch, der sich um soziale Fragen kümmerte. Als aber im Sommer 1936 die Presse auf die Beziehung des Königs zur Amerikanerin Wallis Simpson aufmerksam wurde und König Edward dann im Herbst sie als seine zukünftige Frau vorstellte, brach eine Krise aus. Der Erzbischof von Canterbury war entsetzt von der Vorstellung, dass der König eine zweimal geschiedene Frau heiraten könnte, deren Ehemänner noch am Leben waren. Auch der Premierminister Stanley Baldwin zeigte sich besorgt über die politischen Folgen für die Krone. Obwohl ein großer Teil der Bevölkerung durchaus Verständnis zeigte, dass auch ein Monarch ein Recht auf persönliches Glück habe, wurde Edward schließlich die Abdankung angetragen, falls er sich nicht bereit erkläre, sich von seiner Geliebten zu trennen. Edward entschied sich für die Liebe zu Wallis Simpson und dankte ab.
In dieser «Staatskrise» nun wurde Albert die Krone angetragen. Er wollte am liebsten ablehnen, fühlte sich zudem nicht genügend auf eine solche Aufgabe vorbereitet, da er immer nur in der Marine gewesen war. Auch seine Frau wusste, dass es eine schwere und unpopuläre Aufgabe sein würde. Dennoch nahm er schließlich «gegen seinen Willen» die «Bürde» der Krone auf sich. Kirche, Politik und ein Großteil der Presse betonten nun seine Dienst- und Opferbereitschaft erinnerten an seinen Vater George V. So wurde Albert dann am 12. Mai als George VI. gekrönt.
Die Bewährung der Krone
In der Presse wurden immer wieder Zweifel an der Regierungsfähigkeit von George VI. laut. Sein Stottern, aber auch Erkrankungen während seiner Zeit in der Marine wurden angeführt, andere berichteten weiterhin über das «glückliche Leben» Edwards mit seiner Frau. So gab es eine Zeitlang noch eine gewisse Skepsis gegenüber dem neuen König.
In Europa verdichteten sich die Kriegsgerüchte. Schließlich begann 1939 der Zweite Weltkrieg mit Hitlers Überfall auf Polen. George VI. verschaffte sich in diesen dunklen Zeiten den Respekt und die Achtung der Briten. Seine Rede zum Eintritt Englands in den Zweiten Weltkrieg erlangte Berühmtheit und wurde auch im Film «The King’s Speech» (2010) thematisiert. Vor allem, dass die Königsfamilie während des Kriegs in England blieb, statt sich in Kanada in Sicherheit zu begeben, nahmen die Briten dankbar zur Kenntnis. Die Bombenangriffe trafen auch den Palast, so litten die Royals mit der Bevölkerung. Die Besuche zu Opfern der Bombenangriffe, zu den Truppen an der Front und in den Krankenhäusern zeigten das Bild eines dienenden und sich aufopfernden Königs an der Seite der Bevölkerung und Soldaten. Auch durch den Einsatz seiner Tochter Elisabeth während des Krieges galt die «Royal Family» als ein Vorbild, der Nation dienend und damit die Demokratie gegen die feindlichen totalitären Staaten verteidigend. Auch nach dem Krieg war das Königshaus bei den Briten weiterhin sehr beliebt. Zwar wurde 1947 Indien unabhängig, aber mit dem Commonwealth of Nations blieb Großbritannien eine Sonderstellung innerhalb Europas erhalten.
George VI. war Kettenraucher – wohl auch zur Nervenberuhigung. 1949 wurde ein Lungenkrebs diagnostiziert. Seine Tochter Elisabeth nahm nun viele Aufgaben für ihn wahr. Drei Jahre später, in der Nacht vom 5. auf den 6. Februar 1952, verstarb er.
Die Krönung seiner Tochter als Elisabeth II. wurde zu einem Medienereignis. Sie führt bis heute das traditionelle Bild einer dienenden Regentin fort. Die Krone als Familienbetrieb hat aber auch ihren Preis. Skandale innerhalb der Familie und eine kritische Presse bis hin zur populären Netflix-Serie «The Crown» sind die Herausforderungen, der sich die britische Monarchie heute stellen muss. Ob sie weitere Generationen überlebt, hängt sicherlich auch davon ab, wieweit man die Krisen zu bewältigen versteht und letztlich, ob das Vertrauen der Bevölkerung zur Krone stabil bleibt.
Zur Lektüre empfohlen:
Peter Alter, Die Windsors. Geschichte einer Dynastie, München: Beck 2009.