Home Magazin Geschichte Der vergnügte Beethoven «Wir wollen Dich rüffeln, knüffeln und schütteln»

Der vergnügte Beethoven «Wir wollen Dich rüffeln, knüffeln und schütteln»

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Von Walter Krumbach

Ludwig van Beethoven war bereits mit 48 Jahren taub und vereinsamte – aber zu Unrecht blieb er als Miesgram in Erinnerung (Porträt von Josef Karl Stieler, 1820, Beethoven-Haus, Bonn).

Ludwig van Beethoven ist mit seinem Gehörleiden als tragische Gestalt in die Musikgeschichte eingegangen, dem die Lebensfreude und der Humor schon in jungen Jahren abhanden gekommen sind. Dass der Meister ein Mensch wie du und ich sein konnte, witzig, heiter und unbeschwert, wie die folgenden Episoden aus seinem Leben es dokumentieren, ist den wenigsten bekannt.

Am 5. Juli 1812 trifft Ludwig van Beethoven in Teplitz ein. Er ist in der Hoffnung angereist, mit einer Badekur sein fortgeschrittenes Hörleiden zu heilen oder zumindest zu mildern. Seine angeschlagene Gesundheit ist aber nicht der einzige Grund zur Reise in den böhmischen Kurort. Er wartet auf die Ankunft des von ihm hochgeschätzten Johann Wolfgang von Goethe, für dessen Tragödie «Egmont» er in Wien eine Schauspielmusik komponiert und aufgeführt hat.

Beethoven und Goethe

Goethe ist bereits über 60 und eine von Adel und Volk verehrte Persönlichkeit, Beethoven ist knapp 42 und auf dem Gipfel seiner Schaffenskraft. Die Titanen treffen sich mehrmals, am 21. Juli schreibt Goethe in sein Tagebuch: «Abends bei Beethoven. Er spielte köstlich!» Tags darauf gehen die beiden spazieren und treffen dabei auf den kaiserlichen Hofstaat, werden sofort erkannt und höflich begrüßt. Beethoven raunt

Goethe zu: «Bleibt nur in meinem Arm hängen, sie müssen uns Platz machen, wir nicht!» Der Dichter bleibt jedoch am Wegesrand mit gezogenem Hut und leicht gebeugtem Haupt stehen, während der Komponist durch die Gesellschaft hindurchgeht und knapp zurückgrüßt. Als Goethe ihn nachher einholt, wirft Beethoven ihm vor: «Auf Euch hab’ ich gewartet, weil ich Euch ehre and achte, wie Ihr es verdient, aber jenen habt Ihr zu viel Ehre angetan!»

Auf einem weiteren Spaziergang werden die beiden ständig erkannt und angesprochen. Goethe bemerkt, dass ihm ein derartiger Bekanntheitsgrad doch etwas lästig sei, worauf Beethoven mit seinem gesunden Selbstbewusstsein antwortet: «Exzellenz, regen Sie sich nicht auf, das gilt vielleicht mir!»

Der «große Narr»


Der «große Narr» George Bridgetower spielte bei der Uraufführung der Kreutzersonate den Violinpart (Aquarell von circa 1800)

Eine andere Begegnung der besonderen Art hatte Beethoven neun Jahre vorher in Wien. Er komponierte eine Sonate für Violine und Klavier, die später unter dem Namen «Kreutzer-Sonate» bekannt wurde, für den farbigen Geiger George Bridgetower. Der Vater dieses Musikers kam aus Äthiopien oder Barbados und arbeitete als Kammermohr bei dem Fürsten Nikolaus I. Joseph Esterházy de Galantha. Seine Mutter, Maria Anna Ursula geborene Schmidt war eine Deutsche. George wurde als Kind auf Schloss Esterháza von keinem geringeren als Joseph Haydn unterrichtet. Auf das Titelblatt der Sonate schrieb Beethoven «Sonata mulattica composta per il Mulatto Brischdauer / gran pazzo e compositore mulattico». Warum er ihn als «gran pazzo» («großen Narr») apostrophierte, ist nicht klar, vermutlich war Beethoven von dem temperamentvollen, virtuosen Spiel des apart aussehenden Künstlers beeindruckt. Der Komponist Ferdinand Ries berichtet über die Uraufführung: «Bridgetower war ein Mulatte und spielte sehr

extravagant. Als er die Sonate mit Beethoven spielte, lachte man sie aus.» Bridgetower dagegen schrieb über die Begebenheit, dass nach einer heiklen Stelle, die ihm besonders gut gelang, Beethoven aufsprang, ihn umarmte und rief: «Noch einmal, mein lieber Bursch!»

«Geliebtester Conte di Musica!»

Ludwig van Beethovens Korrespondenz ist über seine Umgangsformen ziemlich aufschlussreich. Die Briefe an seinen Freund Nikolaus Zmeskall (1759-1833) etwa sind launisch, humorvoll und in der Formulierung extrem direkt. Er nimmt den Beamten der ungarischen Hofkanzelei in Wien, der hervorragend Cello spielte, genüsslich und erbarmungslos auf die Schippe. Im Jahr 1798 – der Komponist war 28 Jahre alt – schrieb er ihm: «An seine Hochwohl-Wohl-Wohlstgeboren des Herrn von Zmeskall, kais. und könig., wie auch königl. kaisl. Hofsekretär! Seine Hochwohlgeboren, seine des Herrn von Zmeskall Zmeskallität haben die Gewogenheit zu bestimmen, wo man Sie morgen sprechen kann. Wir sind Ihnen ganz verflucht ergeben. Beethoven.»

Ein Jahr später schlug er den gleichen Ton an, als er den Freund um ein Darlehen bat: «Geliebtester Conte di Musica! Wohl bekomme Euch der Schlaf, und auch heute wünschen wir Euch einen guten Appetit und eine gute Verdauung. Das ist alles, was dem Menschen zum Leben nötig ist; und doch müssen wir das alles so teuer bezahlen. Ja, liebster Conte, vertrauter amico, die Zeiten sind schlecht, unsere Schatzkammer ausgeleert, die Einkünfte gehn schlecht ein und wir, Euer gnädigster Herr, sind gezwungen uns herabzulassen und Euch zu bitten um ein Darlehen von 5 Gulden, welches wir Euch binnen einigen Tagen wieder zufließen werden lassen. In Ansehung der Instrumente tragen wir Euch die strengste Untersuchung auf, indem wir bei allenfalligem Betrug gesonnen sind, den Verbrecher zu züchtigen. Lebt wohl, geliebtester amico und conte di Musica. Euer wohl affektionierter L. v. Beethoven.»

«Falscher Hund» und «Herzens-Nazerl»

Mit dem Komponisten Johann Nepomuk Hummel (1778-1837) war Beethoven jahrzehntelang befreundet. Hummel unterstützte ihn oft finanziell, wie es Dankesbriefe Beethovens belegen, die man nach Hummels Tod in einem geheimen Fach seines Schreibtischs fand. Die Beziehung muss wechselhaft gewesen sein, wie Beethovens Korrespondenz belegt. Im Jahr 1799 zum Beispiel kanzelte er den Kollegen nach einem Streit kurz und knapp ab: «Komme Er nicht mehr zu mir! Er ist ein falscher Hund und falsche Hunde hole der Schinder. Beethoven.»

Einen Tag später schien sich der Konflikt gelöst zu haben. Beethoven schrieb abermals, aber in völlig anderer Verfassung: «Herzens-Nazerl! Du bist ein ehrlicher Kerl und hattest recht, das sehe ich ein. Komm also diesen Nachmittag zu mir. Du findest auch den Schuppanzigh und wir beide wollen Dich rüffeln, knüffeln und schütteln, dass Du Deine Freude daran haben sollst. Dich küsst Dein Beethoven, auch Mehlschöberl genannt.»

Kein Gourmet

Ein besonderes Kapitel in Beethovens gesellschaftlichem Leben waren seine Mahlzeiten. Der Geiger Joseph Böhm beschrieb in der «Brünner Zeitung» ein Abendessen an der Tafel des Komponisten: «Man aß bei ihm sehr schlecht, ja ganz ungenießbar. Die Suppe wie Wasser, das Fleisch zäh, das Fett ranzig.» Und weiter: «Als ich damals bei ihm dinierte, wurden Eier serviert, von denen das erste, das ich nahm, gleich so übel roch, dass ich es möglichst unaufsichtlich auf die Seite des Tellers schob. Beethoven merkte das, schielte auf meinen Teller und schwieg. Als er sein Ei aufgemacht und ihm ein nicht minder übelriechendes zuteil ward, ging er einfach zum Fenster und warf es auf die Gasse hinaus. Ein zweites, ebenso frisches hatte dasselbe Schicksal. Mir wurde angst und bange, ob nicht jemand auf der Gasse damit getroffen wurde und der Meister polizeiliche Anstände hätte. Und in der Tat! Nach dem Wurfe vernahm man ein fürchterliches Spektakel, ein Geschrei, Geschimpfe und derbe Flüche. (…) Ich saß wie auf Kohlen und durfte mit keinem Worte die Angst von solch einem Konflikt verraten, von welchem der taube Meister, den sein Quartett so beschäftigte, dass er um die Folgen seiner Handlung nicht dachte, keine Ahnung hatte.

Zum Glück beschwichtigte sich der Sturm und ich kam mit dem bloßen Schrecken davon.»

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