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Großer Lehrermangel weltweit

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Seiteneinstieg in den Lehrerberuf

Von Jochen Fritz

Studentinnen während der Pause im Gebäude des Seminar für deutschsprachige Pädagogik der Universität Talca in Vitacura

Unter den vielen Einschnitten, welche die aktuelle Pandemie in der Gesellschaft gezeigt hat, war sicherlich für viele Familien die Schließung der Schulen eine große Veränderung. An den Deutschen Schulen wurde mit viel Aufwand und Kreativität an Lösungen für Online-Unterricht gearbeitet, dennoch war deutlich, dass zu Hause vielfach die Eltern einspringen mussten, um die Rolle der Erzieherin oder Lehrerin zu übernehmen.

Nun hat auch vorher kaum jemand an der Wichtigkeit der Pädagoginnen und Pädagogen für die Entwicklung der Gesellschaft gezweifelt, doch die aktuellen Gegebenheiten machten besonders deutlich, was in Kindergärten und Schulen geleistet wird. Gleichzeitig fällt auf, dass, trotz der Bedeutung der Bildung, es überall zu wenig Lehrerinnen und Lehrer gibt. Weltweit werden bis 2030, laut einer Untersuchung der Unesco, die unglaubliche Zahl von 69 Millionen Lehrkräften benötigt.

Wettbewerb um Lehrer

In Deutschland ist das Thema in der Öffentlichkeit angekommen und die zuständigen Ministerien der Länder haben bereits mit einem Konkurrenzkampf begonnen, um die besten Kräfte zu sich zu holen. Gehälter werden erhöht, der Beamtenstatus wird angeboten und mittlerweile gibt es auch bereits Ortszuschläge für Lehrerinnen und Lehrer, die auf das bei Studienabsolventen nicht so beliebte platte Land ziehen wollen.
Nun ist das Studium aufwendig und langwierig und es kann den Universitäten nicht gelingen, kurzfristig Abhilfe für den Lehrermangel zu schaffen, denn in Deutschland benötigt man zwischen sieben und neun Jahre, bevor man sich eigenverantwortlich vor eine Klasse stellen kann.

Quereinstieg möglich

Alle Bundesländer bieten mittlerweile Qualifizierungsprogramme für Seiten- oder Quereinsteiger an. Wer ein fachlich orientiertes Studium absolviert hat und seine Liebe zum Lehrerberuf entdeckt, kann einsteigen in die Welt der Schule. Ingenieurinnen, die Mathematik oder Informatik unterrichten, Journalisten, die Deutschlehrer werden, Musiker, die ins Unterrichtsfach an der Schule wechseln… es gibt eine Vielzahl an Beispielen, wie sich der Einstieg in den Lehrerberuf zu einem späteren Zeitpunkt bewährt. Die neuen Kollegen bringen Erfahrungen und Impulse aus anderen Arbeitsbereichen mit und bereichern die Schulen.
Wichtig ist dabei natürlich die intensive Vorbereitung im pädagogischen und didaktischen Bereich. Denn ein guter Ingenieur weiß nicht unbedingt, wie die Kinder ticken oder wie er eine Stunde so aufbaut, dass er das Interesse am Thema wachhält. Aber genau dazu werden in Deutschland Programme angeboten, die praxisbezogen das nötige Rüstzeug vermitteln.

Ein-Jahres-Programm berufsbegleitend

Aufbauend auf den guten Erfahrungen, die man in Deutschland mit dem Seiteneinstieg in den Lehrerberuf gemacht hat, bietet die «Escuela de Pedagogías en Alemán» der Universität Talca seit einigen Jahren ebenfalls ein Programm an. Berufsbegleitend und innerhalb von einem Jahr können die «licenciatura en educación» und der «título profesional» als Deutschlehrer für die Media erworben werden.

Die Kürze des Studiums ist möglich, weil bereits umfangreiche Kenntnisse vorausgesetzt werden: Zum einen müssen die zukünftigen Studierenden bereits über sehr gute Deutschkenntnisse verfügen, zum anderen auch ein einschlägiges Studium mit Abschluss vorweisen. Dann aber beginnt der Einstieg in das Studium und eine intensive Vorbereitung in Didaktik und Methodik, sodass nach einem Jahr hochqualifizierte Lehrerinnen und Lehrer bereits stehen, um die freien Stellen an den Deutschen Schulen in Chile zu besetzen. «Unsere Erfahrungen sind durchweg positiv», so die Akademische Leiterin der «Escuela», Angelika Fraitzl, «die Studierenden im Programm sind sehr zielgerichtet in ihrem Studium, da sie bereits über berufliche Erfahrung verfügen.»

Seit 2016 online

Die mehrjährige Erfahrung mit dem Programm für Seiteneinsteiger hat für die «Escuela», auch noch einen weiteren Gewinn gebracht: Da die Teilnahme bereits seit 2016 online möglich ist – viele der Studierenden und Absolventen arbeiten an Schulen in den Regionen und können nicht für ein Studium nach Santiago ziehen, wo der Campus LBI beheimatet ist – konnten die Dozierenden bereits vielfältige Erfahrungen mit Online-Veranstaltungen und hybriden Unterrichtssettings gewinnen.
Dies hat sich unter Pandemiebedingungen ausgezahlt, denn entsprechend gelang die Umstellung auf die neue Modalität gut und es ist in diesem Jahr gelungen, den Studienbetrieb regulär aufrecht zu halten und alle Veranstaltungen wie geplant durchzuführen. Selbst die Praktika in den Schulen konnten online stattfinden, sodass die Studierenden vielfältige Einblicke in das schulische Geschehen gewinnen und selbst praktische Erfahrung sammeln konnten.

Sowohl das Seiteneinstiegsprogramm als auch die regulären Studiengänge für frühkindliche Bildung, für Grundschule und für die Media werden im kommenden Jahr angeboten. Dies ist eine hervorragende Möglichkeit, in einen abwechslungsreichen Beruf mit sicherer Berufsperspektive einzusteigen. Ob nun nach dem Schulabschluss oder «von der Seite».

Dr. Jochen Fritz ist Direktor des Seminar für deutschsprachige Pädagogik der Universität Talca.

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