Man muss nicht nur wollen, sondern auch tun
Von Walter Krumbach
Seit über zehn Jahren ist er Mitglied des Deutsch-Chilenischen Bundes (DCB). Als er gegen Mitte des vergangenen Jahres gefragt wurde, ob er Interesse habe, Mitglied des Vorstands zu werden, sagte er sofort zu.
«Das Direktorium stimmte darüber ab und ich wurde angenommen», sagt Javier Bielefeldt schlicht zu seinem Eintritt. «Ab einem gewissen Alter wird der Mensch individualistisch und interessiert sich wenig für Institutionen dieser Art», findet er. Dem entgegenzuwirken, war eine seiner Hauptmotivationen, als er dem DCB-Vorstand beitrat. Er ist davon überzeugt, dass «man diesen Kreis brechen muss, dass man bei den Leuten den Sinn für die Gemeinschaft fördern muss und hoffentlich mehr von ihnen davon überzeugen kann, dass sie an den Aktivitäten des DCB teilnehmen, die ja für alle von Vorteil sind.»
Javier Bielefeldt war die Arbeit des Deutsch-Chilenischen Bundes bereits seit seiner Studentenzeit bestens bekannt. Damals wurde er von der Burschenschaft Araucania beauftragt, als Beirat bei den Vorstandssitzungen mitzuwirken. Diesen Auftrag erfüllte er über einen Zeitraum von drei Jahren.
Um die Existenz einer Institution zu gewährleisten, ist es nötig, dass ihre Mitglieder sich aktiv beteiligen, meint er: «Leider befinden wir uns jetzt in dieser Pandemie-Periode, die dem nicht gerade hilfreich ist.»
Als Hauptaufgabe des DCB erachtet er, die Gemeinschaft zu vereinen und zu verbinden. «Im Gegensatz zu den Italienern und den Griechen, die sehr aneinander hängen, sind wir eher individualistisch», stellt er fest. «Wir sollten ein Zusammengehörigkeitsgefühl unter uns fördern, was in dieser eigenwilligen Welt immer nötiger sein wird.» Wer fühlt, Teil eines Ganzen unter Gleichgesinnten zu sein, hat im Vergleich zu demjenigen, der allein kämpft, deutliche Vorteile.
Eine ebenfalls wichtige Aufgabe glaubt Bielefeldt für den DCB in der Zusammenarbeit mit den Regionen zu sehen: «Da haben wir ein Soll, denn es ist nicht einfach, von Santiago aus eine gute Arbeit in den Provinzen zu leisten. Das liegt nicht nur an den Entfernungen, sondern manchmal auch an den verschiedenartigen Wesensarten von uns Menschen.»
Eine besondere Rolle spielt für ihn die Pflege der deutschen Sprache: «Ich spreche mit meinen Kindern Deutsch», betont er, «es ist schwierig, eine Kultur zu verstehen, wenn man die dazugehörige Sprache nicht beherrscht.» Und: Bei der Sprachpflege geht es «nicht nur um das Wollen, sondern auch um das Tun.» Das Tun sei entscheidend, unterstreicht Bielefeldt, denn «wie oft sagt man, ich will es tun, aber schließlich macht man gar nichts.» Zum anderen sollte die Sprache kein Trennfaktor sein zwischen denjenigen, die sie beherrschen und denen, die Schwierigkeiten haben, mit ihr umzugehen: «Es ist nicht einfach, da ein Gleichgewicht zu finden». Eine bewährte Formel ist, wie Bielefeldt meint, die Sprachpflege so früh wie möglich zu fördern. Das fängt schon bei der Auswahl der Inhalte von Netflix an, die man für die Kinder einschaltet: «Da können sie zum Beispiel Zeichentrickfilme auf Deutsch sehen.»
Die Kinder sind überdies die zukünftigen Nutzer des DCB. Ihre erste Begegnung haben sie in der Regel, wenn sie am Schüleraustausch teilnehmen. «Ich war seinerzeit Austauschschüler», erinnert sich Bielefeldt, «aber danach gab es nie wieder eine Kontaktaufnahme. Ich bin später über die Burschenschaft zum DCB zurückgekommen.» Jedes Jahr nehmen um die 200 Jugendlichen am Austausch teil: «Das sind über die Jahre hinweg sehr viele Leute. Wenn wir mit ihnen über regelmäßige Rundschreiben den Kontakt halten, wird mit Sicherheit ein Prozentsatz Interesse zeigen, an den Aktivitäten des DCB teilzunehmen. So könnten wir unsere Mitgliederbasis um ein Vielfaches vergrößern.»
Javier Bielefeldt ist in Osorno geboren. Er besuchte die dortige Deutsche Schule bis zum IV Medio. Auf dem väterlichen Betrieb – Tierzucht und Milchproduktion – «hätten nicht mehrere Familien untergebracht werden können», weshalb Javier sich einen beruflichen Weg außerhalb der Landwirtschaft überlegte. Da er schon als Junge gut in Mathematik war, fiel ihm die Entscheidung nicht sonderlich schwer: Er studierte Ingenieurwesen. «Es war ein natürlicher Weg», sinniert er, der sich als richtig erwies und später eine Spezialisierung als Statiker zur Folge hatte.
Nachdem er sein Studium erfolgreich beendet hatte, begann er für die Firma VMB Ingeniería Estructural zu arbeiten, der er bis heute die Treue gehalten hat. Allerdings ist er mittlerweile zum Teilhaber avanciert. Parallel zum Eintritt in die Universität meldete er sich bei der Burschenschaft Araucania an. Eine Ingenieurausbildung ist mühsam und zeitaufwendig. Wie bewältigt man noch zusätzlich die Aufgaben, die eine Studentenverbindung an ihre Mitglieder stellt? «Die Burschenschaft ist wie ein zusätzliches Fach», glaubt er, «und wenn man sich richtig organisiert, kann man alles machen.»
Zwei Bereiche beinhalten heute Javier Bielefeldts Tun: Arbeit und Familie. Er hat zwei Kinder von acht und sechs Jahren, mit denen er und seine Frau den größten Teil ihrer Freizeit verbringen.
Und was die Zukunftsplanung anbetrifft, hat er einen Grundsatz, der bei einem Menschen, für den Entwürfe und Projekte den Mittelpunkt seiner Tätigkeit darstellen, verwundert: «Manchmal ist es vorgekommen, dass ich mir ein langfristiges Ziel gesteckt habe und das Schicksal alles anders kommen ließ – manchmal sogar besser als geplant. Also lass’ ich mich am liebsten überraschen.»