Von Walter Krumbach
Als Gabriel Guarda im Jahr 1984 den Nationalpreis für Geschichte zuerkannt bekam, hatte er 18 Bücher und über 200 Artikel über Geschichtsthemen Chiles veröffentlicht. Darunter waren: «Die chilenische Stadt im 18. Jahrhundert», «Die säkularen Bürger während der Christianisierung Amerikas» und «Die südchilenische Gesellschaft vor der deutschen Besiedelung». Seine jahrzehntelange Beschäftigung mit der Geschichte hatte ihm internationales Ansehen eingebracht, sodass er damals bereits Mitglied von 36 geschichtswissenschaftlichen Vereinigungen war, darunter der Real Academia de Historia von Madrid.
Gabriel Guarda war ein junger Architekturstudent der Pontificia Universidad Católica, als er im Teatro Municipal Santiago Benediktinermönche gregorianische Gesänge vortragen hörte. Diese Erfahrung sollte in seinem Leben entscheidend und schicksalhaft sein: Er nahm mit den Benediktinern Verbindung auf und, kaum hatte er sein Diplom in Architektur gemacht, trat er dem Orden bei.
Den Architektenberuf hat er nur einmal ausgeübt. Zu Beginn der 1960er Jahre entwarf und baute er zusammen mit Martín Correa Prieto das Benediktinerkloster mit der dazugehörigen Kirche auf dem Hügel San Benito de los Piques in Las Condes. Der Bau ist in schlichten Linien und einfachen Formen gehalten und sowohl außen wie auch innen Weiß gestrichen. Eine besondere Wichtigkeit maßen Guarda und Correa dem Licht bei, das in der Kirche von verschiedenen Stellen und Höhen aus eindringt, und dabei den Raum auf vielschichtige und wechselvolle Weise erhellt. Das Werk vermittelt heute noch, 56 Jahre nach seiner Einweihung, den Eindruck unbedingter Modernität.
Schon während Gabriel Guardas Architekturstudium offenbarte sich sein lebhaftes Interesse für Geschichtsthemen. Er besuchte täglich den Medina-Saal der Nationalbibliothek, um die Vergangeheit seiner Geburtsstadt Valdivia zu erforschen. Der Beauftragte des Saales, Guillermo Feliú Cruz, zeigte an der Arbeit des jungen Mannes Interesse und beriet und ermunterte ihn bei seinen Studien, die Guarda im Jahr 1953 als Buch unter dem Titel «Historia de Valdivia – 1552-1952» herausbrachte.
Während seiner langjährigen Forschungsarbeit veröffentlichte er über 300 Schriften über Geschichtsthemen, wobei er den Schwerpunkt auf Städte und Architektur setzte. Einstimmiges Lob erlangte er in Fachkreisen zum Beispiel mit seinem Werk über die historischen Kirchen in Chiloé «Iglesias de Chiloé» (1984). Unter seinen neueren Büchern fanden «Nueva historia de Valdivia» (2000) und seine Abhandlung über Joaquín Toesca, dem Architekten des Palacio de La Moneda (1997), besondere Anerkennung.
Allerdings waren Ehrungen und das im-Scheinwerferlicht-stehen nicht seine Sache. Gabriel Guarda war ein Mann der Stille, der Zurückhaltung, des Gebets und der Arbeit. «Ora et labora» (Bete und arbeite), der Grundsatz der Benediktiner, schien ihm auf den Leib geschrieben zu sein.
In den 1970er Jahren begann er mit seiner Lehrtätigkeit. An der Pontificia Universidad Católica unterrichtete er an den Fakultäten für Theologie, Architektur und Rechtswissenschaften sowie an Hochschulen außerhalb Santiagos und des Landes wie der Universidad Austral von Valdivia und der Universidad de Sevilla.
Pater Gabriel Guarda verstarb 92jährig – während er schlief – am 23. Oktober in dem von ihm erbauten Monasterio Benedictino.