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«Ich kann dieses Konzert nicht mehr hören!»

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Zum 100. Todestag von Max Bruch

Von Walter Krumbach

Max Bruch: «In der Regel ist eine gute Volksmusik mehr wert als 200 Kunstmelodien. Denn an Innigkeit, Originalität und Schönheit ist nichts dem Volkslied zu vergleichen» (Foto ullstein bild/ullstein bild via Getty Images)

Max Bruchs unzweifelhafte Begabung stand unter dem Schatten der übermächtigen Konkurrenz der Zeitgenossen Richard Wagner und Johannes Brahms. Besonders mit Letzterem wurde er zu seinem Leidwesen oft verglichen.  

Mit dem Namen Max Bruch verbindet heute der Musikliebhaber dessen erstes Violinkonzert und die Schottische Fantasie, zwei Werke voller Glanz, prächtiger Melodien und satter Harmonien, die dem Geigensolisten ein ausgeprägtes Virtuosentum abverlangen. Schon zu seinen Lebzeiten war das Violinkonzert sein populärstes Werk, was Bruch kurioserweise mit Unmut und Bitterkeit erfüllte, wusste er doch, dass er zahlreiche Kompositionen vorzeigen konnte, die jenem schillernden Opus ebenbürtig waren. 

Vielseitig künstlerisch begabt

Max Bruch wurde 1838 in Köln geboren. Der Vater war Beamter und, ebenso wie die Mutter, musikinteressiert. Beide förderten das künstlerische Talent des Jungen nach Kräften, der nicht nur großes Interesse für die Tonkunst zeigte, sondern auch gut malen konnte. Die Mutter gab ihm den ersten Musikunterricht und für sie schrieb der Neunjährige seine erste Komposition: ein Lied zu ihrem Geburtstag.

Von nun an verfasste er ein Werk nach dem anderen. Es entstanden Klavierstücke, Motetten, Psalmenvertonungen, Violinsonaten, ein Streichquartett und Orchesterwerke. 1849 erhielt der Elfjährige von Heinrich Karl Breidenstein, einem renommierten Musikwissenschaftler aus dem Bekanntenkreis seines Vaters, musiktheoretischen Unterricht. Kaum drei Jahre später führte die Philharmonische Gesellschaft Köln eine Sinfonie des Knaben auf. Ein Streichquartett öffnete ihm die Tore zu einem Vierjahresstipendium der Mozartstiftung Frankfurt. Max war hier Schüler von Ferdinand Hiller, Carl Reinecke und Ferdinand Breunung.

In Musikerkreisen fiel bald sein Name mit zunehmender Häufigkeit. Im März 1852 erschien in der «Rheinischen Musikzeitung» ein Artikel über Bruch, in dem der heranwachsende Musikus mit Mozart und Mendelssohn verglichen wurde. Der Autor beschreibt ihn als «ein lieber, offener, munterer, kindlich unbefangener Knabe, der, obwohl er nur in Tönen lebt und webt, nichtsdestoweniger auch für andere Gegenstände Geschick und Befähigung zeigt.» Der junge Komponist hatte inzwischen zahlreiche Kammerwerke zu Papier gebracht.      

Es folgte eine Ausbildung in Leipzig, die Bruch 1859 unterbrach, um in Bonn Philosophie, Kunst und Architektur zu studieren. Dies gab er jedoch  bald auf, um sich in den großen Musikzentren weiterzubilden. In den folgenden Jahren lernte er in Berlin, Dresden, Leipzig, Wien und München.

Die Uraufführung seiner Oper «Die Loreley» in Mannheim im Jahr 1863 stellt in Max Bruchs Entwicklung eine Zäsur dar. Das Werk hatte nicht nur Erfolg, sondern lief kurz darauf in mehreren deutschen Städten, sowie in Rotterdam und Prag. Durch den Treffer ermuntert, wandte sich der Komponist nun verstärkt der Vokalmusik zu. Sein nächstes Werk, die Kantate «Frithjof», deren Inhalt auf einer isländischen Sage beruht, trieb seinen Ruf unversehens in die Höhe. 1865 konnte er in Koblenz die Stellung als Direktor des Königlichen Musikinstituts antreten. 

Das Violinkonzert

Hier beriet ihn der Geigenvirtuose Joseph Joachim bei der Komposition des ersten Violinkonzerts, der auch die endgültige Fassung im Jahr 1868 uraufführte. Bruch verzeichnete mit diesem Werk einen durchschlagenden Erfolg. Es gehört bis heute – wo Bruchs Bekanntheitsgrad mit der Berühmtheit, die er zu Lebzeiten genoss, nicht zu vergleichen ist – zu seinem wohl bekanntesten und beliebtesten Stück. Der zweite Satz, ein Adagio mit einem lyrischen, einfühlsamen Charakter, arbeitet eine wohlgestaltete, ansprechende Melodie aus und das darauffolgende «Allegro energico» gipfelt in einer majestätischen Presto-Stretta, die dem Solisten eine einwandfreie Technik abverlangt. Bruch komponierte drei Geigenkonzerte, musste aber wiederholt zu seinem Ärger feststellen, dass die Solisten nur am ersten interessiert waren. Einmal äußerte er sich unmissverständlich dazu: «Alle vierzehn Tage kommt einer und will mir das erste Concert vorspielen: ich bin schon grob geworden und habe zu Ihnen gesagt: ‚Ich kann dieses Concert nicht mehr hören – habe ich vielleicht nur dieses eine Concert geschrieben? Gehen Sie hin und spielen Sie endlich einmal die anderen Concerte, die ebenso, wenn nicht besser sind!‘» 

Volle Anerkennung blieb ihm versagt

Max Bruch war nunmehr ein angesehener Tondichter. Er zog des öfteren um. Von Koblenz ging er nach Sondershausen. Es folgten Berlin, Bonn und abermals Berlin, wo er die Schottische Fantasie komponierte und die Sängerin Clara Tuczek heiratete. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor.

1880 ging Bruch nach Liverpool, um die Stelle des Leiters der Royal Philharmonic Society anzutreten. Der Posten stand unter keinem guten Stern. Bruch hatte ständig Streitigkeiten mit Kollegen, dem Chor und dem Komitee auszufechten. 1883 kündigte er und kehrte mit seiner Familie nach Deutschland zurück, wo er bis zu seinem Lebensende blieb. Im Jahr 1917 schrieb er rückblickend in der Berliner «Täglichen Rundschau», er habe sich in Liverpool «völlig anglisieren müssen, um akzeptiert zu werden», wofür er «mit über 40 Jahren aber schon zu alt» gewesen sei. 

Mit zunehmendem Alter entwickelte Max Bruch sich zum Misanthrop. Er galt in Kollegenkreisen als schwer umgänglich und verbitterte zusehends angesichts der Tatsache, dass seine Werke mit Ausnahme des ersten Violinkonzerts nicht anerkannt wurden. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich, er litt an neuropathischen Schmerzen, bis es zum Zusammenbruch kam. Bruch wurde zum Pflegefall und starb – vor genau 100 Jahren – im 82. Lebensjahr am 2. Oktober 1920. 

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