Von Heinz Noack
Bautzen, die 1000-jährige Stadt in der Oberlausitz, wird sehr oft wegen ihres fantastischen Panoramas als das «sächsische Nürnberg» bezeichnet. Dies ist sicherlich ein gerechtes Lob für diese Stadt, denn ihre traditionelle Altstadt hat sich nach der Wende zu einem wahren Augenschmaus gemausert. Wenn dieser Umschwung nicht stattgefunden hätte, wären die geschichtsträchtigen Baudenkmäler dem Verfall preisgegeben worden. So lädt jetzt die Bautzener Innenstadt zu einem erholsamen und auch lehrreichen Bummel ein. Doch dieser Stadt eilt ein negativer Ruf voraus, denn Bautzen wird durch seine zwei Gefängnisse voreilig als «Knaststadt» abgestempelt.
Dazu trägt auch das Fernsehen bei, denn in Filmen mit politischem Charakter wird Bautzen oft «Heimstätte» politischer Gefangener genannt. Gemeint ist hier der sogenannte Stasiknast, der mitten in der Stadt liegt, einst als Untersuchungsgefängnis entstand, 1956 in die Hände der Staatssicherheit kam und damit direkt dem Minister für Staatssicherheit Erich Mielke unterstellt war.
In jedem Staat der Welt müssen Gesetzesverletzer nach ihrer Verurteilung bestraft werden. So wurde am Rande von Bautzen in der Zeit von 1900 bis 1904 eine für damalige Verhältnisse moderne und den Reformbestrebungen Rechnung tragende Landesstrafanstalt errichtet. Die ästhetische Architektur und die Großzügigkeit der Anlage machten sie bekannt. Ihre gelben Klinker, die aus Zwickau kamen, schufen dann allerdings im Volksmund den bitteren Beinamen «Gelbes Elend», der bis heute nicht an Wirkung verloren hat. Die Behandlung in der Vollzugsanstalt nach der Übernahme durch die Nazis 1933 wurde hart und schikanös. Die Zustände verschlechterten sich rapide. Als prominenteste Person war hier der Kommunistenführer Ernst Thälmann inhaftiert. Die sicherlich schlimmste Zeit für die Anstalt kam unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Sowjets bis 1950 ein Internierungslager einrichteten. Dieses Lager durchliefen in jenen fünf Jahren 27.300 Menschen, von denen mindestens 2.800 starben, von den Mithäftlingen wird eine weit höhere Zahl angenommen.
«Bautzen ruft»
1950 übernahm die Deutsche Volkspolizei das Gefängnis. Die Verpflegung und medizinische Versorgung verschlechterten sich enorm. Dies führte im März 1950 zu zwei Aufständen der Gefangenen, die mit äußerster Brutalität niedergeknüppelt wurden, was zum schlechten Ruf der Haftanstalt beitrug. Es entstand der berüchtigte Mythos von Bautzen und unter der Bevölkerung der Spruch «Bautzen ruft».
Da Politiker kriminalisiert wurden (zum Beispiel «Republikflucht»), wurde zwischen ihnen und Langzeitverurteilten kein Unterschied gemacht. In den 1970er Jahren wurden dann die Häftlinge zur Erfüllung der Produktionsaufgaben in nahe gelegenen Betriebe herangezogen.
Die Wende brachte auch eine grundlegende Umwandlung im Strafvollzug. So wird heute durch verschiedene Maßnahmen viel getan, um der Anstalt und damit auch der Stadt Bautzen einen besseren Ruf zu geben.
Ein schlimmes Stück Geschichte ist die Aufarbeitung von Bautzen II. Im Zuge des Baus des neuen Justizgebäudes entstand als integrierter Bau ein Untersuchungsgefängnis für 230 Häftlinge. Bis 1945 wurde es auch zu diesem Zwecke genutzt, aber in der Nazizeit wurden immer öfter politische Gefangene inhaftiert. Unter ihnen war auch 1943 der bekannte tschechische Publizist Julius Fucik. Von 1945 bis 1949 übernahm die sowjetische Besatzungsmacht das Justizgebäude und das Gefängnis. Hier fanden Geheimprozesse gegen Nazigrößen statt, aber auch völlig Unschuldige wurden ohne Rechtsbeistand abgeurteilt, die allesamt ihre hohen Haftstrafen absitzen mussten. Von 1949 bis 1956 übernahm dann die Deutsche Volkspolizei die Herrschaft. Von 1956 bis zur Wende kam es zur Schreckensherrschaft durch das Ministerium für Staatssicherheit.
Wanzen vom «Klassenfeind»
Das Schlimme an der Sache war, dass die Bevölkerung von Bautzen kaum Kenntnisse von den üblen Dingen hatte, die hinter den dicken Mauern geschahen. Die Bespitzelung und Überwachung der politischen Häftlinge war perfekt. Kürzlich wurden unter Scheuleisten und unter Putz Wanzen entdeckt, die pikanterweise mit der Aufschrift «Made in Germany» versehen waren. So ist zu vermuten, dass die Stasi sich diese Mikrophone sogar vom «Klassenfeind» liefern ließ. Dieser «Kontrolle» konnten sich auch die namhaften Regimekritiker wie Rudolf Bahro, Erich Loest, Gustav Just, Walter Janka und Heinz Brandt nicht entziehen. Ebenso saßen Fluchthelfer, Republikflüchtige, Spione, verurteilte Offiziere und Parteioffiziere sowie einzelne Naziverbrecher ein. Der prominenteste Häftling war wohl Bodo Strehlow, ein Marinesoldat, der mit einem Küstenschutzboot in den Westen fliehen wollte. Ihm galten die ganzen Sympathien der Demonstranten 1989 vor dem Gefängnis.
Auch Ausländer fanden Aufnahme in «Mielkes Spezialknast», so auch ein ungarischer Staatsbürger, der 1971 bis 1972 wegen ungesetzlichen Grenzübertritts, Verstoß gegen das Zollgesetz und die Geldverkehrsordnung verurteilt wurde. Aber es gab auch ein kurioses Urteil. Ein schon etwas älterer Schmied aus dem Kreis Bautzen hatte seinen Hund, den er Walter nannte, in einer Kneipe, vor einem Bild des Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht tanzen lassen und dabei übel beschimpft. Dies legte man als Staatsverleugnung aus und er musste für ein Jahr und zwei Monate in den Knast. Seit 1993 ist Bautzen II zur Gedenkstätte geworden und es wird noch eine Zeit vergehen bis die Verbrechen, die unter der kommunistischen Herrschaft begangen worden sind, aufgearbeitet werden.
Bautzens Zukunft
Die Stadt Bautzen und auch das Landratsamt unternehmen viel, um Touristen und auch Investoren in die Region zu locken. Bautzen mit seinen liebenswerten Menschen, seiner prachtvollen Umgebung und seinen historischen renovierten Bauten, seiner Ortenburg, die einst der Ungarnkönig Matthias Corvinius in nur drei Jahren erbauen ließ, ist immer einen Besuch wert. Die gute Wirtschaftslage, der weltberühmte Bautzener Senf, die modernen Straßenbahnen und auch die bekannte Gruppe Silbermond sind die Farbtupfer der Stadt an der Spree.
Auch die Bevölkerung, die 40 Jahre vom gesamtdeutschen Fernsehen ausgeschlossen war und gerade jetzt durch ihre Nachbarländer eine Welle des Autodiebstahls erlebt, hat etwas Besonderes eigen. Sie ist liebenswürdig, aber sehr kritisch gegenüber politischen Entscheidungen. So hatte bei der letzten Wahl die neu entstandene AfD einen großen Zuspruch erhalten. Bei den Wahlen hat sie gute Aussichten, denn die beiden Volksparteien stellen mit ihren Streitereien der Stadt kein gutes Zeugnis aus. Es scheint auch, dass der aus Berlin stammende Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) noch nicht richtig in der Stadt angekommen ist.