Von Silvia Kählert
Rund 6.000 Fluchtversuche aus der DDR über die Ostsee gab es. Die Autoren Bodo und Christine Müller waren die ersten, die nach der Wende zu dem Thema «Über die Ostsee in die Freiheit» recherchierten. Etwa 200 Erwachsene und Kinder sind dabei umgekommen.
Es ist bekannt, dass viele Bürger der DDR versuchten, über die Mauer zu flüchten. Weniger bekannt ist, dass es tausende Menschen gab, die den Weg in den Westen über die Ostsee zu nehmen wollten.
Viele hielten die seit 1961 streng gesicherte Grenze zur Bundesrepublik mit Stacheldraht und Minen für zu gefährlich. Es schien auf den ersten Blick einfacher die Strecke von etwa 20 bis 40 Kilometern über die offene See zu überwinden – das war allerdings ein Trugschluss, wie die Tragödien in dem Buch der Autoren Bodo und Christine Müller zeigen.
Die rund 380 Kilometer lange DDR-Küste war eine der am besten bewachten in Europa. Vor 1989 wurde das Ufer durch Wachtürme mit Scheinwerfern und Radargeräten bewacht, Soldaten patrouillierten an den Stränden. Auf dem Meer waren zwischen der Lübecker und Pommerscher Bucht schwerbewaffnete DDR-Schnellboote unterwegs.
Der Buchautor Bodo Müller unternahm selbst den Versuch, mit dem Segelboot zu fliehen. Er wurde aber vorher wegen Verdachts der Republikflucht verhaftet. Im Interview in «Der Welt» 2009 erzählte er: «Nach meiner Inhaftierung in der DDR hatte ich einen Ausreiseantrag gestellt und durfte – nach mehreren Jahren Berufsverbot als Journalist – am 21. August 1989 mit meiner Familie in die Bundesrepublik übersiedeln.»
Bodo Müller schreibt, dass er zu Beginn seiner Recherchen selbst davon ausgegangen war, dass sich nur wenige Wagemutige für den Fluchtweg über die Ostsee in den Westen entschieden hätten. Dagegen stellten er und seine Frau bei der Einsicht in die Unterlagen fest, dass es eine regelrechte Massenflucht gegeben hatte: Ob in Schlauch- oder Motorbooten, paddelnd, tauchend, schwimmend oder mit dem Surfbrett, allein oder im Familienverbund.
Rund 1.000 Menschen ist es gelungen von einem westlichen Schiff aufgenommen zu werden und 200 Menschen sind umgekommen – vor allem Stürme und hohe Wellen wurden ihnen zum Verhängnis. Wenn die Flüchtlinge verhaftet wurden, drohten ihnen lange Gefängnisstrafen.
Fesselnd sind die Flucht-abenteuer im Buch der Rostocker Autoren geschildert – erfolgreiche und tragisch gescheiterte. Dazu trägt bei, dass es authentische Geschichten sind, die mit Fotos und Faksimiles belegt sind.