Von Walter Krumbach

Von 1935 bis 1996 lehrte Karsten Brodersen an verschiedenen Deutschen Schulen des Landes. Die unüblich lange, für das Guinness-Buch der Rekorde reife Dienstzeit lag überdies in den Händen eines Mannes, der auf internationaler Ebene herausragende sportliche Leistungen vorweisen konnte.
Oft kam es vor, dass Brodersen bei den verschiedensten Anlässen unerwartet alte Bekannte traf. Als er zum Beispiel Mitte der 1980er Jahre anlässlich des Dieciocho an einem Empfang der chilenischen Botschaft in Bonn teilnahm, sprach ihn der Militärattaché mit den Worten an: «Sie werden sich sicherlich nicht an mich erinnern, Herr Brodersen, aber ich war in der Deutschen Schule Valparaíso Ihr Schüler.» Der Kulturattaché kam dazu und wiederholte fast wörtlich, was sein Kollege soeben gesagt hatte. Daraufhin kam der Bundestagsabgeordnete Hans Graf Huyn, Autor des Buches «Sieg ohne Krieg – Moskaus Griff nach der Weltherrschaft», zur Gruppe, um sich ebenfalls als ehemaliger Schüler vorzustellen.
Karsten Brodersen wurde 1907 in Nordfriesland geboren. Nach seiner Lehrerausbildung in Hamburg und Freiburg übte er seinen Beruf zwischen 1932 und 1935 in Cuxhaven aus. Als 38-Jähriger kam er als Deutsch-, Mathematik- und Sportlehrer an die Deutsche Schule Valparaíso. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verhinderte seine Rückkehr nach Deutschland. Brodersen wurde somit sesshaft in Chile und beschränkte seine Tätigkeit nicht nur auf die Deutsche Schule, sondern gab auch an der Schule Sagrados Corazones, dem Liceo Eduardo de la Barra, der Universidad Téc-nica Federico Santa María und der Escuela Naval Arturo Prat Sportunterricht.
Es war sicher kein Zufall, dass damals die meisten Spitzensportler aus der DS Valparaíso kamen. So etwa Annegret Weller, Marion Huber, Lore Zippelius und Betty Kretschmer, die allesamt Schülerinnen Brodersens waren.

Parallel zu seiner pädagogischen Tätigkeit nahm Karsten Brodersen als Diskuswerfer, Zehnkämpfer und Kugelstoßer an zahlreichen Wettkämpfen teil. 1939 gewann er bei den Leichtathletik-Südamerikameisterschaften in Lima Silber im Diskuswurf und Kugelstoßen, sowie Bronze im Zehnkampf. Zwei Jahre später erreichte er abermals den zweiten Platz im Diskuswurf und Bronze im Zehnkampf. In Rio de Janeiro wurde Brodersen 1947 südamerikanischer Meister im Diskuswurf und 1949 erkämpfte er in Lima in der gleichen Disziplin seine dritte Silbermedaille.
1958 zog er nach Santiago, wo er fortan an der Deutschen Schule unterrichtete. Mit seinen Kollegen Magda Pape und Walter Fritsch, die ebenfalls herausragende und engagierte Sportlehrer waren, rief er das Sportfest ins Leben, welches jedes Jahr abwechselnd in verschiedenen Städten stattfand und die besten Athleten der Deutschen Schulen versammelte. Im Jahr 1979 beschlossen die Organisatoren, das Treffen «Sportfest Karsten Brodersen» zu nennen. Brodersen beendete seine Laufbahn in Chile, nachdem er fünf Jahre das Amt des Schulleiters der Deutschen Schule Sankt Thomas Morus ausgeübt hatte.
1996 kehrte er endgültig in seine deutsche Heimat zurück, wo er weiterhin an Sportfesten teilnahm und in der Seniorenkategorie zahlreiche Preise einsammeln konnte. Karsten Brodersen verstarb 94-jährig im Dezember 2001.