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viernes, 20. septiembre 2024
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Abschied von der «MS Commerz»

Uwe Schuster – ein Hamburger Jung vor 60 Jahren auf der «M/S Commerz» nach Chile (Teil 3)

Von Uwe Schuster

Heinz und Heinrich in Buenos Aires

Als 20-Jähriger heuerte der gebürtige Hamburger Uwe Schuster 1960 auf der «M/S Commerz» an. Der gelernte Maschinenschlosser wurde als Reiniger angestellt und kurz darauf begann die siebenmonatige Fahrt Richtung Südamerika. Gleich zu Beginn wechselte der Besitzer in Valdivia: Nun war die Reederei Haverbeck & Skalweit der neue Arbeitgeber. Im dritten und letzten Teil berichtet Uwe Schuster von seinem Aufenthalt in Buenos Aires und  in Chile.

Es kamen oft Leute bei uns an Bord, die gern Deutsch sprechen wollten und solch einer war Enrico, Heinrich von Löreau, ein Argentinien-Deutscher, der uns gern die Stadt zeigte und uns überall mit hinschleppte. Der deutsche Club und die skandinavischen Seemannskirchen waren auch hier wie in vielen anderen Häfen vertreten und mit Ihrer großzügigen Gastfreundlichkeit offen für alle Seeleute. Enrico war ein netter Freund, der später nach München auswanderte, dann verlor ich den Kontakt.

Übergabe an Haverbeck & Skalweit 

Von Buenos Aires ging es weiter die Küste hoch nach Porto Alegre in Brasilien und dann zurück durch die Magellan-Straße nach Chile. Vom Heimathafen Valdivia hoch nach Valparaíso, wo wir Heiligabend verbrachten. Am Weihnachtstag, am 25. Dezember, hatte die Reederei uns zum Weihnachtsessen in ein elegantes Restaurant in Viña del Mar eingeladen.

Dann ging die Fahrt weiter nach Antofagasta und Callao in Peru. Im Hafenviertel traf ich einen ehemaligen Spielkameraden aus Hamburg. Er war auch dort mit einem Schiff der Hamburg Süd – so klein ist unsere Welt!

Dann ging es weiter nach Guayaquil in Ecuador, Bonaventura in Columbia, und durch den Panamakanal rein in den Mexikanischen Golf nach  Mobile in Texas und Tampa in Florida, hinein in den Mississippi nach New Orleans und dann zurück, mit Zwischenstopps in vielen kleinen chilenischen Häfen, die durch die Tsunami-Katastrophe über den Landweg nicht mehr erreichbar waren, nach Valdivia.

Nach sieben Monaten endete unsere Fahrt dort. Das Schiff wurde an die Reederei Haverbeck & Skalweit übergeben und die Nationalflaggen wurden getauscht.

Im Hafen von Valdivia bei der Schiffsübergabe an die Reederei

Nach der Übergabe blieben wir noch ein paar Tage an Bord, bevor wir das Schiff endgültig verließen. Da kam ein deutschsprachiger Mann mit seiner Tochter an Bord und erzählte von dem Tsunami: Er war in dem Moment gerade selbst auf einem Schiff gewesen, als die drei riesigen Wellen die Stadt überfluteten. Dann fragte er, ob wir nicht etwas zu verkaufen hätten, gerne Kleidungsstücke.  Da dachte ich an meinen Schurwolle-Anzug, der im Spint hing, weil er zu warm war. Den hatte meine Mutter mir für 98 Mark bei C&A 1958 in Altona erstanden, weil der Verkäufer die «super Qualität» anpries. Er hatte ein Glencheck-Muster in Rotbraun. Eigentlich mochte ich die Farbe gar nicht, aber ich wollte meine Mutter nicht enttäuschen und so habe ich ihn dann auch öfter getragen, bis er immer mehr ins Braune überging. Da dachte ich: «Ach den kannst du mit auf Seereise nehmen.»

Nun hatte ich also die große Chance das Stück loszuwerden und zeigte ihm den Anzug, er war begeistert und zahlte mir zwanzig Dollar dafür – das war viel Geld für mich damals. 

Mit der «Super Constellation» nach Hamburg

Nun kam am letzten Abend vor unserer Abreise der Zolldirektor persönlich an Bord, um sich beim Kapitän zu verabschieden. Danach wendete er sich mir zu – mit einem Augenzwinkern gab er mir den Pulli im Karton zurück. Beim ersten Halt in Valdivia hatte ein Zollbeamter das Päckchen mit dem Pulli beschlagnahmt, den ich für einen Freund verkaufen wollte. Es war eine schöne Qualität. Den habe ich später noch viele Jahre getragen.

Unsere Habseligkeiten, die wir nicht unbedingt brauchten, wurden ein paar Tage vorher mit einem Container abgeholt und wir fuhren mit einem für die Zeit sehr modernen, mit Bordtoilette ausgerüsteten, Mercedes Bus nach Santiago, wo wir uns zwei Tage die Stadt ansehen konnten.

Am Morgen darauf flogen wir mit einer « Super Constellation» der Lufthansa über Buenos Aires, São Paulo, Rio de Janeiro, Dakar, Paris, Frankfurt und Hannover nach Hamburg.Damals betrug die Flugzeit 42 Stunden. 

Als wir den 6.900 Meter hohen Berg Aconcagua in den Anden überflogen, bekam man Ohrenschmerzen, denn der Druckausgleich in der Flugkabine war noch nicht so ausgereift. Aber die Aussicht auf die schneebedeckten Bergspitzen und die Gletscher, die in der Sonne strahlten, die wir aus diesem Grund nur mit 500 Metern Höhenabstand überflogen, war großartig und ließ den Druck auf den Ohren vergessen. Der Flugzeugstandard selber war nämlich hervorragend. Alle Passagiere saßen in bequemen Sesseln, es wurde Champagner und exzellentes Essen serviert. Von Buenos Aires aus flogen wir in nur 3.000 Meter Höhe bei strahlendem Wetter nach Rio.

Die Super Constellation – das weltweit erste kommerziell erfolgreiche Verkehrsflugzeug der Welt mit Druckkabine – brachte Uwe Schuster nach Hamburg zurück.

Nach sieben Monaten Fahrt war ich wieder in Hamburg. Meine Eltern bekamen oft Besuch von der Militärbehörde, die sich nach meinem Aufenthalt erkundigte und als ich nach Hause kam, lag auch gleich wieder ein Musterungsbefehl im Briefkasten.

Die männlichen Geburtenzahlen für die Jahre 1940 bis 1941 waren sehr hoch. Außerdem ließ ich bei der Musterung durchblicken, dass ich nicht sehr interessiert war –  dies war ja auch der Grund für das Anheuern auf der «MS Commerz». 

So durfte ich ein Los ziehen mit der Aussicht, dass eine hohe Nummer mich vom Wehrdienst befreien würde. Und so konnte ich nach zwei Stunden meinen Wehrpass abgeben und die Musterungsstelle als freier Mann verlassen.

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