In allen Klimazonen beheimatet
Von Walter Krumbach
Er hat seinen Beruf am Ende der Welt ausgeübt und zwei Mal an einem Marathonlauf teilgenommen. Aber nicht nur diese extremen Erfahrungen haben den Augenarzt geprägt: Heute arbeitet er an einem Projekt, das Patienten, die kostspielige Behandlungen nicht bezahlen können, zugute kommen soll.
Gegenwärtig arbeitet er im Hospital Militar und in der Deutschen Klinik. Eduardo Labbé war im Hospital Militar viele Jahre Leiter der Augenheilkunde-Abteilung. Heute betreut er Patienten mit Netzhauterkrankungen ebenso in der Deutschen Klinik, wo er außerdem Augentumore behandelt.
Eduardo Labbé ist in Osorno geboren und aufgewachsen. Sein Studium absolvierte er an der Universidad de Chile, das Praktikum der Allgemeinen Medizin auf Feuerland und in Punta Arenas. Nach seiner erfolgreichen Bewerbung beim Heer wurde er nach Patagonien beordert. «Dort herrscht ein hartes Klima und die Einsamkeit war groß», erinnert er sich: «Zoom oder ähnliche Verbindungsmöglichkeiten gab es noch nicht.» Eine Reise nach Punta Arenas per Schiff dauerte mindestens zweieinhalb Stunden.
In Porvenir, einer Ortschaft mit 5.000 Einwohnern, versorgte Labbé das Personal der Garnison und bewältigte ärztliche Rundgänge bei dem «Cuerpo Militar del Trabajo», der die Landstraße nach Puerto Williams baute. Die umständliche, aber abwechslungsreiche Fahrt dorthin über das unsanfte Terrain dauerte sechs Stunden.
Er hatte die Möglichkeit gehabt, unter verschiedenen Alternativen auszuwählen. Eine davon war ein Posten im Norden, fast an der Grenze zu Peru. «Da ich aus Osorno stamme und mir bereits Santiago ziemlich trocken vorkommt, fragte ich, ob es möglich wäre, im Süden einen Auftrag zu erhalten. So bot man mir Porvenir an und ich habe sofort zugesagt, obwohl ich keine Ahnung hatte, worauf ich mich einließ», versichert er.
Nach diesem «Abenteuer», wie er es nennt, machte er in Santiago Fortbildungen an der Universidad Católica und der «Fundación Oftalmológica Los Andes». Im vorletzten Jahr reiste er nach Tübingen, um sich auf die Behandlung von Augentumoren zu spezialisieren. «Diese Erkrankungen sind nicht besonders häufig, aber es ist wichtig, sie früh zu erkennen», betont er, «und meistens haben sie wenige Symptome, weshalb es entscheidend ist, dass die Leute sich regelmäßig vorbeugend untersuchen lassen.»
In Tübingen studierte Eduardo Labbé dank Stipendien von «Becas Chile» und der Deutschen Klinik anderthalb Jahre. Seine Familie mütterlicherseits hatte ihm als Kind die deutsche Lebensart und Kultur vermittelt, daher war eine Spezialisierung in Deutschland für ihn die erste Wahl. Zunächst schlug er seine Zelte in Berlin auf, wo er sich zwei Monate Deutsch für Mediziner zu eigen machte. Anschließend zog er nach Tübingen. «Tübingen ist eine Universitätsstadt mit 50.000 Einwohnern, in der es sich sehr gut leben lässt. Es war eine wunderbare Erfahrung!»
Nach Beendigung des Lehrgangs arbeitete er zwei Monate in einem Augenonkologie-Zentrum in Essen, nahm in München an einem Kursus über Ultraschalluntersuchungen des Augapfels teil, um danach einige Reisen innerhalb Deutschlands sowie nach Frankreich, England, der Schweiz, Österreich und Ungarn zu unternehmen.
In seiner Freizeit ist Eduardo Labbé ein begeisterter Langstreckenläufer. Er hat bereits an zwei Marathonläufen teilgenommen, in New York und in Berlin. Die Vorbereitung dazu nimmt etwa sechs Monate in Anspruch: «Man läuft mehrmals pro Woche und setzt dabei jedes Mal die zurückgelegte Strecke herauf, bis man kurz vor dem Rennen über 30 Kilometer läuft. Man muss da systematisch vorgehen, um den Körper auf die nötige Ausdauer vorzubereiten», unterstreicht er. Im eigentlichen Wettkampf muss jeder Teilnehmer 42 Kilometer bewältigen.
In Tübingen trainierte er für den Berlin-Marathon und traf sich in der deutschen Hauptstadt mit chilenischen Freunden, mit denen er am 30. September 2019 zusammen mit tausenden von Sportlern aus aller Welt mitlief – «mit Erfolg!», wie er stolz betont. «Abgesehen von dem rein sportlichen Aspekt war es eine Erfahrung für sich, durch die verschiedenen Stadtteile Berlins zu laufen, die alle interessante Charakteristika aufweisen. Es war einmalig, obwohl es die ganze Zeit geregnet hat», lacht er. Und dazu konnte er seine Zeit im Vergleich zur New Yorker Leistung wesentlich verbessern.
Nach seiner Rückkehr stellte er fest, dass Augentumor-Patienten mit keinerlei finanzieller Unterstützung rechnen können. Aderhautmelanome und Irismelanome werden überdies in Chile einzig in der Deutschen Klinik behandelt. Die Heilung erfolgt durch Bestrahlung und die hierfür nötigen Therapiemittel sind äußerst kostspielig: «Daher bin ich mit Rechtsanwälten im Gespräch, um eine Stiftung ins Leben zu rufen. Sie soll Kranken helfen, die ihre Behandlung nicht finanzieren können.» Labbé schätzt, dass nach Bewältigung der nötigen Formalitäten die Stiftung in einigen Monaten aus der Taufe gehoben werden kann. Das Gelingen des Projekts würde bedeuten, dass Patienten, die heute vor der erschreckenden Alternative stehen, ihr krankes Auge entfernen lassen zu müssen, nun eine sichere Möglichkeit haben, es ohne finanzielle Sorgen heilen lassen zu können. Dafür setzt Labbé zurzeit seine gesamte Energie ein – und er hat davon jede Menge, wie er auf den Straßen von New York und Berlin zur Genüge bewiesen hat.