Von Stefanie Hornung
Der Cóndor veröffentlicht in loser Reihenfolge Portraits über Frauen in Chile mit deutschsprachigen Vorfahren, die eine Pionierrolle spielten oder besondere Leistungen erbracht haben. Grete Mostny war eine für die Archälogie in Chile bedeutsame Forscherin.
Die langjährige Direktorin des Naturgeschichtlichen Museums in Santiago konnte ihren österreichischen Akzent zeitlebens nie ablegen. Dafür konnte Grete Mostny Glaser etliche altägyptische Sprachinschriften entziffern. Die junge Ärchäologin und frischgebackene Doktorin, musste am Vorabend des Zweiten Weltkriegs gemeinsam mit ihrer Mutter aus Europa nach Chile flüchten.
Da war sie bereits kurz zuvor an der Universität Brüssel in orientalischer Philologie und Geschichte promoviert worden – eine Anerkennung, die ihr im an das Nazi-Deutschland angeschlossene Österreich verwehrt worden war. In Folge der zunehmenden Restriktionen gegen Menschen jüdischen Glaubens war sie trotz bereits approbierter Dissertation ohne akademischen Abschluss von der Universität Wien ausgeschlossen worden – wie weitere 2.000 jüdische Studierende auch. Als späte Ehrung der aus der österreichischen Akademiewelt Verbannten wird seit 2013 von ihrer ehemaligen Alma Mater in Wien der Grete-Mostny-Dissertationspreis verliehen.
Margarete «Grete» Mostny Glaser wurde 1914 in Linz in eine jüdische Unternehmerfamilie geboren. Ihre aus Böhmen stammende Familie besaß eine Spirituosenfabrik und war wohlhabend, bis sie im Mai 1938 enteignet wurde. Sie belegte Vorlesungen in ihrem Dissertationsfach Ägyptologie und hörte Vorlesungen in Afrikanistik, Prähistorie und Sprachen. Nach ihrer Emigration nach Chile arbeitete sie zunächst am Naturgeschichtlichen Mu seum als Assistentin in der Abteilung für Anthropologie, deren Leiterin sie 1943 wurde. 1964 bis zu ihrer Pensionierung 1982 war sie Direktorin des Museums.
Grete Mostny leistete insbesondere in der archäologischen Forschung Zukunftsweisendes. Nach dem Fund des «Jungen vom El Plomo» im Jahr 1954, eines im Permafrostboden erhaltenen Inka-Menschenopfers, sorgte sie für dessen Erwerb durch das Museum. Die Eis-Mumie konnte dort wissenschaftlich untersucht werden. Sie machte sich neben ihrer Lehrtätigkeit an der Universidad de Chile auch für die Förderung von Jugendlichen im Bereich der Naturwissenschaften und Technik stark und initiierte den nationalen Wettbewerb «Feria Científica Nacional Juvenil».
Über ihre Entscheidung, sich der Archäologie zu verschreiben, sagte sie einmal: «Ich interessiere mich vor allem für den Menschen. Wie er gelebt hat, wie er vom Tier im Überlebenskampf zu dem wurde, der heute Kultur erschafft.»
Grete Mostny Glaser, die für ihre berufliche Passion viel reiste, nahm 1946 die chilenische Staatsbürgerschaft an und war verheiratet mit dem Rektor der Universidad de Chile, Juan Gómez Millas. Sie starb 1991.