«Little Boy» und «Fat Man» töteten über 200.000 Menschen. Das sind die Namen der beiden Atombomben, die am 6. August 1945 US- Bomber über Hiroshima und drei Tage später über Nagasaki abwarfen.
Von Peter Downes
«Wunderwaffe» gegen Hitler
Die Forschungen mit radioaktivem Material begannen im 19. Jahrhundert. Einen Durchbruch in der Kernspaltung erlangte 1938 Otto Hahn. Fortan öffnete sich nun ein Weg, die Kernenergie für Waffen einzusetzen und so wurde unter der Leitung Werner Heisenbergs und der Mitwirkung deutscher Physiker wie Carl Friedrich Weiszäcker und Karl Wirtz ein deutsches Uranprojekt eingeleitet.
Die Verfolgung und Vernichtung der Juden verstärkte dann noch die Ambitionen der USA, den Deutschen mit der Entwicklung einer Atombombe zuvorzukommen. Es wurde zu einem Wettlauf der Zeit. Im sogenannten Manhattan-Projekt ab 1939 wurde unter der militärischen Leitung von General Leslie R. Groves und der des Wissenschaftlers Robert Oppenheimer an der Entwicklung der Atombombe gearbeitet. Der US-Präsident Theodor Roosevelt war zunächst skeptisch. Doch schließlich bewegte ihn unter anderem ein Brief Albert Einsteins, der 1933 in die USA eingewandert war, das Projekt zu befürworten. Nach dem Krieg äußerte sich Einstein zu seiner damaligen Haltung: «Ich war mir der furchtbaren Gefahr wohl bewusst, welche das Gelingen dieses Unternehmens für die Menschheit bedeuten würde. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Deutschen an demselben Problem mit Aussicht auf Erfolg arbeiten dürften, hat mich zu diesem Schritt gezwungen.»
Von Pearl Harbor zu Hiroshima
Mit dem Überraschungsangriff der Japaner auf den US-Flottenstützpunkt Pearl Harbor, am 7. Dezember 1941, stiegen die USA in den Pazifikkrieg ein, vier Tage später erfolgte dann auch die Kriegserklärung der USA an Deutschland. Im Mai 1945 stand schließlich eine Bombe zur Verfügung. Deutschland hatte mittlerweile aber schon kapituliert, so dass sie dort nicht mehr zum Einsatz kam. Im Pazifik hingegen wütete der Krieg verbittert weiter. Auch die massiven Bombardierungen japanischer Städte – so fielen allein am 10. März 1945 tausende Bomben aus den B 29- Bombern der USA auf Tokio, die um die 100.000 Opfer kostete und große Teile der Stadt in Schutt und Asche legten – bewegten die Japaner nicht zur Kapitulation. Tatsächlich aber sorgte sich die USA auch um eine Einmischung der Sowjetunion und alle Zeichen deuteten auf eine Verhandlungsbereitschaft Japans. Es galt nun den Krieg möglichst schnell zu beenden – und daher wurde der Einsatz der Atombombe geplant. Gegen einen solchen Einsatz aber sprach sich nun eine Gruppe von Physikern aus, dieses Mal auch Einstein. Der Brief erreichte aber Roosevelt nicht mehr, da er am 12. 4. 1945 verstarb.
Sein Nachfolger Harry Truman berief einen Ausschuss ein, um über den Einsatz der Atombombe zu beraten. Auch Oppenheimer und andere Wissenschaftler des Manhattan-Projekts waren im Ausschuss. Debattiert wurde über die Möglichkeit einer bloßen Abschreckungsdemonstration einer Explosion in der Wüste vor japanischen Gesandten oder durch den Einsatz der Bombe nach vorheriger Warnung. Im Juni aber kam man zur Überzeugung, dass nur ein unerwarteter Einsatz der Atombombe gegen japanische Städte, dem Krieg ein schnelles Ende bereiten würde.
Abwurf zur Rushhour
Truman entschied sich nun für den Abwurf zweier Bomben. Als Ziele hatte man vier japanische Städte ausgewählt: Hiroshima, Nagasaki, Kokura und Niigata. Nicht nachts – wie die Bombardierung vieler deutsche Städte während des Krieges-, sondern am frühen Morgen zur Hauptverkehrszeit, sollten die Bomben fallen. Man nahm bewusst den Tod großer Teile der Zivilbevölkerung in Kauf. Hiroshima erlebte am 6. August 1945 die Hölle. Um 8 Uhr am Montagmorgen verhallten die Sirenen, die vor überfliegenden US-Aufklärer warnten, so dass die Leute wieder aus den Bunkern kamen und sich zur Arbeit und Schule begaben.
Um 8.15 Uhr stand die Zeit still. Dem Lichtblitz der Bombe, die in 580 Metern über dem Stadtzentrum explodierte, folgte eine Hitze- und Druckwelle mit mindestens 6.000 Grad, die Menschen und Holzhäuser verbrannte. Von den rund 350.000 Bewohnern starben sofort 70.000 Menschen, bis Ende Dezember waren es bereits 140.000.
Hatte der Abwurf von Hiroshima Japan und die Welt geschockt, so bleibt es bis heute unverständlich, warum drei Tage später eine zweite Bombe folgte. Ursprünglich war der Abwurf für die Stadt Kokura vorgesehen, aber da die Wetterverhältnisse es nicht zuließen, wurde kurzerhand das Bombengeschwader nach Nagasaki umgeleitet. Dort öffneten sich dann die Wolken, so dass die Plutoniumbombe direkt auf die Kathedrale – ausgerechnet eine christliche Kirche! – abgeworfen werden konnte.
Sakue Shimohira – damals zehn Jahre – schildert ihre Kindheitserlebnisse am Vormittag des 9. August über Nagasaki: «Das Flugzeug war kaum zu sehen.» Erst als die Bewohner dieser fürchterliche Blitz blendete, ahnten sie, dass es eine Bombe war. Immer noch leiden zigtausende Überlebende – «Hibakusha» genannt – an den Auswirkungen der Strahlungen.
Am 14. August flogen 800 B-29 nochmals Bombenangriffe auf Japan, so dass am folgenden Tag Kaiser Hirohito in einer Radioansprache das Ende des Krieges bekanntgab. Die bedingungslose Kapitulation wurde dann am 2. September von Außenminister Shigemitsu Mamoru und General Umezu Yoshijiro auf der USS Missouri unterschrieben. Damit war der Zweite Weltkrieg auch im Pazifik beendet. So bleibt der Schock von Hiroshima und Nagasaki ein mahnendes Denkmal.
Leseempfehlung: Klaus Scherer, Nagasaki. Der Mythos der entscheidenden Bombe. München: Hanser, 2015