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«Das Heidelberg Center Lateinamerika ist eine etablierte Marke»

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Interview mit Dr. Walter Eckel

Der Anglist und Romanist Dr. Walter Eckel hat in fast zwanzigjähriger Amtszeit mit allen Beteiligten das Heidelberg Center Lateinamerika (HCLA) in Santiago vom Postgraduiertenzentrum zu einem Exzellenzzentrum in Forschung und Lehre entwickelt. Gegründet wurde das HCLA mit einer Anschubfinanzierung des Landes Baden-Württemberg. Der gebürtige Heidelberger wurde 1997 Direktor des Internatio-
nalen Studienzentrums in Heidelberg und 2001 als Geschäftsführender Direktor zum Aufbau des HCLA nach Santiago entsandt. Dort übernahm er mit Prof. Dieter Nohlen als Akademischer Direktor die Leitung. Nach dem Rücktritt Nohlens Anfang 2003 blieb Eckel bis zum Eintritt in den Ruhestand am 1. April 2020 Direktor des Centers.

Mit seinem Ausscheiden kehrt die Universität Heidelberg zur Doppelspitze zurück: Am 1. Januar 2020 wurde der Betriebswirt Daniel Eckenfels zum Kaufmännischen Geschäftsführer ernannt und die spanische Sprachwissenschaftlerin Dr. Inés Recio wurde am 1. April 2020 Akademische Geschäftsführerin.

Welchen Rang nimmt das Heidelberg Center Lateinamerika heute ein?
Dem großen Engagement der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Ruperto Carola und ihren Partnern ist es zu verdanken, dass das HCLA heute vor Ort als ein «Leuchtturm der deutschen Wissenschaft» wahrgenommen wird. Die Qualität der in Santiago angebotenen Forschung und Lehre haben ihm hohes Ansehen in Lateinamerika, aber auch in der deutschen Wissenschaftslandschaft eingetragen.

Das Heidelberg Center Lateinamerika in Providencia wird seit 1. April 2020 wieder durch eine Doppelspitze geleitet

Welche Rolle spielten die sozialen Unruhen in Santiago, und wie wirkt sich jetzt die Corona-Pandemie aus?
Der Beginn der sozialen Unruhen am 18. Oktober 2019, die Santiago bis kurz vor Weihnachten in Atem hielten und zu Beeinträchtigungen der Lehrveranstaltungen und starkem Rückgang der Auslastung im Heidelberg Haus führten, kündigte bereits schwierigere Zeiten an. Durch große Flexibilität des Lehrkörpers, der Studierenden und des Personals des HCLA konnte die Lehre in den Studiengängen im Präsenzunterricht zu Ende gebracht werden. Ab März dieses Jahres verbreitete sich das Corona-Virus mit rasender Geschwindigkeit, sodass bis heute kein Präsenzunterricht mehr stattfinden konnte und das Institut und das Heidelberg Haus geschlossen werden mussten. Noch immer sind alle Mitarbeiter in Quarantäne, und es ist derzeit nicht absehbar, wann hier wieder Normalität einkehren wird.

Wie ist das Center in Chile und Lateinamerika vernetzt?
Zu den Kooperationspartnern gehören chilenische, lateinamerkanische und nordamerikanische Universitäten sowie die Deutsche Klinik und das Onkologiezentrum FALP in Santiago. In Deutschland kooperieren zum Beispiel das Deutsche Krebsforschungszentrum, das Max-Planck-Institut für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht sowie das Haus der Astronomie in Heidelberg. Besonders weit fortgeschritten ist die Vernetzung im Bereich der Rechtswissenschaft, wo seit 2004 Workshops, Sommerschulen und Weiterbildungskurse zu einer Vielfalt von juristischen Themen mit lokalen Partnern und Referenten aus aller Welt in Argentinien, Brasilien, Costa Rica, Kolumbien, Mexiko und Paraguay durchgeführt werden.

Wie ist das Center ausgestattet?
Das HCLA verfügt mit dem 2006 unter dem Rektorat von Prof. Hommelhoff erworbenen Institutsgebäude über einen repräsentativen Sitz im unweit vom Stadtzentrum gelegenen Stadtteil Providencia. Zur Unterbringung der eingeflogenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurde 2011 in der zweiten Amtszeit von Rektor Prof. Eitel das an den Garten grenzende Gebäude mit zwanzig kleinen Wohneinheiten erworben, das nach Umbau und Einrichtung als Gästehaus und Apart-Hotel betrieben wird. Diese Infrastruktur macht das Center auch zu einem idealen Veranstaltungsort für hochkarätige Wissenschaftsveranstaltungen.

Was sind die wichtigsten Tätigkeitsfelder des HCLA?
Bis zum Antrag im vom DAAD ausgeschriebenen Wettbewerb zur Gründung von Exze-
llenzzentren in Forschung und Lehre im Jahre 2009 hatte sich das HCLA mit dem Masterstudiengang in International Law (Abschluss LL.M.) und dem Promotionsprogramm in Psychotherapie bereits einen Namen gemacht. Im Zentrum des Antrags stand die Entwicklung und Implementierung eines Promotionsprogramms in Astronomie, eines Masterstudiengangs in Risiko- und Ressourcenmanagement im Fach Geografie sowie von Masterstudiengängen in Medizinischer Informatik und Medizinischer Physik. Seit dem Zuschlag konzentriert sich die Arbeit auf diese Studiengänge und auf Forschungsprojekte, die meist im Zusammenhang mit diesen Themen stehen.

Welche besonderen Ereignisse gab es während Ihrer Amtszeit?
Es gab zahlreiche Einweihungen, Jubiläen und Vertragsunterzeichnungen, die mit namhaften Vertetern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur aus beiden Ländern am HCLA stattgefunden haben. Vor allem sei die Zehnjahresfeier der weltweit fünf Exzellenzzentren in Forschung und Lehre erwähnt, die der DAAD im Beisein seiner gesamten Führungsspitze am 6. November 2019 in Berlin veranstaltete. In ihrem Grußwort gab die Vertreterin des Geldgebers, Dr. Michelle Müntefering, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, zur großen Freude der von dem Projektverantwortlichen Dr. Joachim Gerke angeführten Delegation aus Heidelberg und Santiago bekannt, dass die Förderung um weitere fünf Jahre bis 2024 verlängert werde. Die ungewöhnlich lange Förderdauer von fünfzehn Jahren zeigt die hohe Wertschätzung, die das HCLA im DAAD wie auch im Auswärtigen Amt genießt. Im selben Jahr wurde dem HCLA von der Deutsch-Chilenischen Handelskammer der «Preis für langjährige erfolgreiche Arbeit» verliehen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Hauses?
Auf Chile werden einige schwierige Jahre zukommen, bevor sich das Land wieder erholen wird. Dies betrifft natürlich auch die Studiengänge und Weiterbildungsprogramme des HCLA. Fraglich ist derzeit, wann wieder Lehrpersonal eingeflogen werden kann und wie lange der Unterricht noch online abgehalten werden muss. Für mich steht außer Frage, dass die Erfolgsgeschichte des HCLA fortgeschrieben werden kann. Das HCLA ist inzwischen eine etablierte Marke, verfügt über starke Partner in Chile und Lateinamerika, hat belastbare Netzwerke in Forschung und Lehre und eine attraktive Infrastruktur. Das wissenschaftliche Programm ist weitgehend durch die Projektförderung des DAAD vorgegeben, enthält aber ausreichend Spielraum für neue Aktivitäten.

Was ist Ihnen in Chile persönlich besonders wichtig?
Mir liegt außer dem wissenschaftlichen auch der kulturelle Austausch mit Chile und Lateinamerika am Herzen. Neben der Organisation musikalischer und literarischer Veranstaltungen in Heidelberg und Santiago habe ich versucht, Gedichte herausragender lateinamerikanischer Dichter wie die des Chilenen Oscar Hahn und des Argentiniers Juan Gelman durch meine in drei zweisprachigen Anthologien im Rimbaud Verlag erschienenen Übersetzungen in Deutschland heimisch werden zu lassen. Derzeit beschäftige ich mich mit dem großen mexikanischen Dichter José Emilio Pacheco.

Ihre Frau Isabel Aliaga-Rosson ist Chilenin, Sie sind Heidelberger – was bedeutet für Sie nun Heimat?
Meine Frau hat mich bei diesem Projekt nur deshalb begleitet, weil es ursprünglich auf zwei Jahre befristet war. Heidelberg war immer ihre Wahlheimat, und während der 19 Jahre, die sie in Chile lebte, wurde ihr bewusst, was Heimweh bedeutet, als sie ihr Leben und ihre Freunde in Heidelberg vermisste. Sie war mit jungen Jahren an den Neckar gekommen, absolvierte dort ihr gesamtes Studium und ist seit den siebziger Jahren mit der Stadt und der Universität verbunden. Sie war dennoch glücklich in Chile, weil sie wusste, dass sie durch ihre Arbeit vielen Landsleuten zu einer besseren Ausbildung und damit zu einem bessseren Leben verhelfen konnte.
Bei mir hingegen ist Chile zur zweiten Heimat geworden.

Dieses von Heribert Vogt geführte Interview erschien am 21. Juli 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung.

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