Könner, Förderer, Mann von Welt
Von Walter Krumbach
Er war weltweit einer der gefragtesten Geiger und gab bis zu 200 Konzerte im Jahr. Markenzeichen seines Spiels waren formelle Vollendung und mitreißende Leidenschaft.
1979 erhielt Isaac Stern eine offizielle Einladung der Volksrepublik China. Die Geste erfolgte im Rahmen der damaligen Ping-Pong-Diplomatie, ein Annäherungsversuch zwischen den USA und den Chinesen inmitten des Kalten Krieges. Stern ließ den Besuch von einem Filmregisseur aufnehmen. «Von Mao zu Mozart – Isaac Stern in China» dokumentiert Konzerte, Begegnungen und Unterrichtsstunden und erhielt 1981 den Oscar für den besten Dokumentarfilm. Dass ausgerechnet Stern eingeladen wurde, war sicher kein Zufall. Der Musiker, weltbekannt durch seine zahlreichen Konzerte in Europa und Amerika, war eine Garantie für künstlerisches Können.
Isaac Stern wurde vor 100 Jahren, am 21. Juli 1920, in der Ukraine geboren. Ein Jahr später wanderte seine Familie in die USA aus. Er war kaum 15, als er in San Francisco mit dem 3. Violinkonzert von Camille Saint-Saëns debütierte. Der Dirigent war kein Geringerer als Pierre Monteux. Wenige Monate danach spielte er in Los Angeles Tschaikowskis Violinkonzert unter Otto Klemperer. Mit den Jahren erarbeitete er sich ein umfangreiches Repertoire, das von der Vorklassik bis zu Sterns Zeitgenossen wie Samuel Barber und Leonard Bernstein reichte. Seine Interpretationen sind präzise, formvollendet und gleichzeitig von einer feurigen, mitreißenden Leidenschaft durchdrungen.
Als im Jahr 1960 die New Yorker Carnegie Hall abgerissen werden sollte, führte Stern eine Gruppe Musikfreunde an, der es nicht nur gelang, den Abriss zu verhindern, sondern die Stadtverwaltung zu überzeugen, das Gebäude für fünf Millionen Dollar zu erwerben und es dadurch als Konzertsaal zu erhalten.
Isaac Stern war ebenso ein Förderer junger begabter Musiker. Er unterstützte unter anderen zu Beginn ihrer Karrieren die Geiger Itzhak Perlman und Pinchas Zukerman sowie den Cellisten Yo-Yo Ma und den Pianisten Yefim Bronfman.
Seine zahlreichen Schallplatteneinspielungen haben nach wie vor große Nachfrage, besonders jene, die von Eugene Ormandy und Leonard Bernstein dirigiert wurden. Am beliebtesten sind wahrscheinlich Sterns Einspielungen von Felix Mendelssohns Konzert unter Eugene Ormandy und Tschaikowskis Konzert unter Mstislaw Rostropowitsch.
Stern besaß verschiedene Weltklasse-Instrumente. Seine Lieblingsgeige war eine Guarneri (18. Jahrhundert), die seinem Kollegen und Komponisten Eugene Ysaÿe gehört hatte. Ferner verwendete er die «Kruse-Vormbaum»-Stradivari (1728). Seine letzte Schallplattenaufnahme verwirklichte er im Jahr 2000 mit einem Vivaldi-Programm. Neben den berühmten «Vier Jahreszeiten» sind auf dem Tonträger Konzerte für zwei Violinen zu hören. Isaac Stern verstarb am 22. September 2001 in New York.