
Der Cóndor veröffentlicht in loser Reihenfolge Portraits über Frauen in Chile mit deutschsprachigen Vorfahren, die eine Pionierrolle spielten oder besondere Leistungen erbracht haben. In dieser Reihe aktuell: Gloria Hutt – Ministerin für Verkehr und Telekommunikation.
Von Stefanie Hornung
Sie wird als lernbegierig beschrieben, zupackend und mit ganz besonders methodischer und strukturierter Arbeitsorganisation. Man könnte auch den Vergleich zu ihren Schweizer Wurzeln suchen: «funktioniert wie ein Schweizer Uhrwerk», wie das Sprichwort lautet. Sie habe, beschreibt ihre Tochter Teresita im Interview mit der Zeitung «El Líbero», «nie nichts zu tun, sie ist immer beschäftigt mit etwas».
Das mag auch etwas mit ihrer Prägung zu tun haben, denn als Erstgeborene eines Chilenen schweizerischer Abstammung und einer deutschstämmigen Mutter musste sie sich früh den Notwendigkeiten einer vom Militär geprägten Familie unterordnen. Ihr Vater Germán Hutt war Ingenieur bei der chilenischen Armee, während ihre Mutter Adriana Hesse
ihm daheim den Rücken freihielt.
Dass Gloria Hutt bei der Wahl ihres späteren Ehemannes Felipe Cossio ebenfalls einen Militäringenieur bevorzugte, scheint da folgerichtig. Sie lernte den jungen Studenten der Ingenieurwissenschaften mit 15 Jahren kennen und heiratete ihn, als sie 22 Jahre alt war. Ihr eigenes Studium des Bauingenieurwesens an der Pontificia Universidad Católica de Chile und an der Universidad von Brasilia unterbrach Gloria Hutt, als ihr Mann an Hodenkrebs erkrankte. Gemeinsam mit der kleinen Tochter Bernardita siedelten sie zur Behandlung der Krankheit in die USA um. Gloria Hutt ging immer offen mit den Folgen der Krebsbehandlung und dem daraus resultierenden Thema Adoption um: In den folgenden Jahren kamen die Adoptivkinder Teresita und Felipe zur Familie hinzu. Nach Gloria Hutts Universitätsabschluss 1983 ging die Familie erneut in die USA, wo sie an der Universität Georgetown Finanzmanagement studierte. Nach der Rückkehr nach Chile Anfang der 1990er Jahre bekleidete sie verschiedene Stellen im Verwaltungs- bereich und vertiefte ihre Expertise im öffentlichen Transportwesen. Eine ihrer größten Herausforderungen war der komplexe Umstrukturierungsprozess von Transantiago in ihrer Funktion als Staatssekretärin im Rahmen der ersten Regierungszeit Piñeras.
Die Politikerin der Partei Evópoli ist seit März 2018 Mitglied der zweiten Regierung Piñeras und wurde zur Ministerin für Verkehr und Telekommunikation berufen. Die Zielstrebigkeit, mit der Gloria Hutt ihre Projekte und Pläne durchsetzt, ist nach Angaben ihrer Schwester Constanza in einem Interview auch auf die Prägung durch die Großmutter väterlicherseits zurückzuführen: «Unsere Oma war sehr vielseitig interessiert, unabhängig und studierte Chemie und Pharmawissenschaften.» Auch die Großmutter mütterlicherseits hat ihre Talente an Gloria Hutt vererbt. Von ihr stammt die Passion der Ministerin für Schneiderei, eine «Leidenschaft, die ich nie aufgeben werde», wie sie in einem Interview mit der Zeitung El Libero verrät. In ihrer raren Freizeit gärtnert sie außerdem – und beobachtet Sterne. Diese bewegen sich bekanntlich langsam und sind möglicherweise ein guter Kontrast zum schnellen Lebensrhythmus der Ministerin.