«Schon viele Kühe gerettet»

Im Dienst der deutschen Gemeinschaft Chiles und der Ehrenämter: Tomás Erber aus Osorno pflegt Verbindungen für die gute Sache.
Von Stefanie Hornung
Er ist oft rund um die Uhr im Einsatz – und das nicht nur sprichwörtlich. Denn Tomás Erber ist für seine Rinder ebenso unermüdlich im Dienst wie auch für seine deutsch-chilenische Feuerwehrkompanie in Osorno. Er hat einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb, 20 Kilometer südlich von Osorno bei Rio Negro gelegen. Seine Rinder werden für den Fleischbedarf des Landes gezüchtet. «Als Tierarzt habe ich natürlich einige Vorteile, weil ich mich sehr gut um mein eigenes Vieh kümmern kann. Aber ich bin auch für die Nachbarn da, falls zum Beispiel eine Kuh eine schwierige Geburt hat.»
Tomás Erber ist bescheiden, was sein Engagement betrifft. So erwähnt er nur nebenbei, dass er in den verschiedensten Gremien und Verbänden aktiv war. Er war lange Zeit Vorsitzender des Landwirtschaftsverbandes Osorno Sago und bis 2013 Präsident der Sago Fisur, der größten Messe für Agrokultur, Vieh- und Milchwirtschaft und Landmaschinen im Süden Chiles: «Ich konnte einen kleinen Beitrag leisten, diese Messe zu fördern. Aber der Applaus gebührt immer denjenigen, deren tägliche Arbeit die Projekte überhaupt möglich macht. Der Präsident ist nur das Gesicht.»
Das Gesicht ist Tomás Erber auch beim deutsch-chilenischen Feuerwehrverband, dessen Vorsitz er 2010 übernommen hat: «Ich organisiere die drei jährlichen Sitzungen und halte den Kontakt zur Deutschen Botschaft in Chile und den deutschen Feuerwehren, hauptsächlich zu den Verbänden in Berlin und Frankfurt am Main.»
Nach 43 Jahren bei der Feuerwehr ist er nicht mehr aktiv, aber erinnert sich gern an seine Einsätze: «In dieser Zeit habe ich schon einige Kühe gerettet. Gerade in unserer wasserreichen Region fällt schon einmal das ein oder andere Rind in einen Fluss oder Weiher und kann aus eigener Kraft nicht mehr das Ufer erklimmen. In solchen Fällen rückt auch schon einmal die Feuerwehr an.» Seine ersten Einsätze hatte er mit der Feuerwehrkompanie Germania in Valdivía, wo er auch aufwuchs. Der gebürtige Osnornino ging dort zur Deutschen Schule – und sang dort die Schulhymne «Esas aguas que pasan sin ruido», die sein Vater Siegfried Erber komponiert hatte. Siegfried Erber, Gründungsmitglied der Universidad Austral und Professor am dortigen Musikkonservatorium, schrieb auch die Hymne der Universität. «Mein Vater kam nach dem Zweiten Weltkrieg über den Vatikan und Argentinien nach Chile und brachte sich sehr in die deutsche Gemeinschaft und das kulturelle Leben Valdivías ein», erzählt Tomás. Ursprünglich stammt der Vater aus Liegnitz in Niederschlesien. Mütterlicherseits liegt die Herkunft auch «irgendwo im Osten», aber ganz genau wisse er es nicht, denn seine Mutter Irene Melita Rudolph Schenke sei bereits in zweiter Generation als Deutsche in Chile gewesen.
Anfang der 1970er Jahre lernte Tomás Deutschland kennen. Bei einem zweijährigen Aufenthalt mit seinen Eltern in Baden-Württemberg hatte der damals knapp 15-Jährige anfangs etwas zu kämpfen: «Das Schwäbeln der Mitschüler in der Realschule in Leonberg war für mich unverständlich! Aber dann habe ich mich daran gewöhnt und bin gut aufgenommen worden.» Nach der Rückkehr in Chile und dem Schulabschluss nahm er anschließend das Studium der Veterinärmedizin an der Universidad Austral auf.
Mit dem berufsbedingten Umzug nach Osorno kam auch der Wechsel in die dortige 2. Feuerwehr-Kompanie. «In Osorno gibt es die Spezialisierung auf den Umgang mit gefährlichen Stoffen, in Valdivia dagegen auf Rettung und Bergung bei Unfällen, wenn zum Beispiel Rettungsscheren oder schweres Bergungsgerät zum Einsatz kommen», erklärt Tomás. Regelmäßige Schulungen werden auch gemeinsam mit den Kollegen in Deutschland durchgeführt: «Unsere Feuerwehrleute machen Hospitationen in Deutschland und besuchen Trainings bei den dortigen Berufsfeuerwehren.» Schon seit 2014 stehen regelmäßige Austauschprogramme auf dem Programm. 2019 war die chilenische Jugendfeuerwehr das erste Mal in Deutschland, der Gegenbesuch der Berliner war für 2020 geplant, was wegen der sozialen Unruhen abgesagt wurde. «Nun planen wir eben für 2021», erklärt Tomás Erber optimistisch.
Seine Frau ist an den Dauereinsatz für Feuerwehr und Verbände gewöhnt – immerhin schon seit 39 Jahren. Auch die beiden erwachsenen Kinder kennen den Vater nicht anders als ein umtriebiges Vorbild. Tochter Verónica ist beruflich in die Fußstapfen des Vaters getreten, zog aber Human- der Veterinärmedizin vor und lebt und arbeitet in Valdivía, mittlerweile mit eigener Familie. Sohn Christian ist ebenfalls dem Vorbild des Vaters gefolgt und hat sich auf Agrarwissenschaften spezialisiert. Tomás und Marianne sind stolze Großeltern von drei kleinen Enkeln. Alle Familienmitglieder fühlen sich sehr dem Süden verbunden, wie der 63-Jährige erzählt und führen nur nach Santiago, wenn es nötig sei. Ohnehin habe man im Süden wunderbare Freizeitmöglichkeiten wie zum Beispiel das Angeln, das «einzige Hobby, das ich neben der Feuerwehr habe».