Deutsch in Chiles Schulen nachhaltig gefördert
Von Silvia Kählert

Annegrit Hendrischk-Seewald ist seit acht Jahren Fachberaterin der Zentralstelle für Auslandsschulwesen (ZfA) in Chile. Mit Einfühlungsvermögen und großem Einsatz ist es der Germanistin gelungen, eine Bresche für das Fach Deutsch zu schlagen.
Ob der Jugend-Debattierwettbewerb chileweit, mehr bilingualer Unterricht oder die neue Stelle einer Beraterin der Grundschulen – all dieses geht auf das Konto von Anna Hendrischk-Seewald. Damit werden viele Schüler – auch wenn die Fachberaterin in einigen Wochen Chile mit ihrer Familie verlassen hat – weiterhin besser und vor allem mit mehr Spaß und Interesse Deutsch lernen, sprechen und verstehen.
«Dabei war ich für diese Aufgabe der ZFA-Fachberaterin nicht extra qualifiziert worden, als ich vor acht Jahren hier ankam», meint die Frau mit dem Bubikopf fast immer noch etwas erstaunt. «Es war Learning by doing – und eine Portion Intuition», erklärt sie.
Vor allen Dingen aber meint sie: «Ich habe gelernt, genau hinzuhören und auf keinen Fall besserwisserisch rüberzukommen – das hat mir geholfen, das Vertrauen der Schulleiter, Fachbereichsleiter und Elternvorsitzenden zu gewinnen.» Sie stellt klar: «Denn eigentlich ist meine Aufgabe, die 16 Deutschen Schulen zu beraten und Em-
pfehlungen auszusprechen, wie das Fach Deutsch weiterentwickelt werden kann und nicht, selber Entscheidungen zu treffen.»
Natürlich kam der gebürtigen Berlinerin auch eine große Portion Sachkompetenz als Lehrerin zu Gute, als sie in Chile 2012 ankam. Beim Rückblick auf ihren Werdegang betont sie: «Die Liebe zur Literatur, das Interesse an Sprachen und der Spaß am Unterrichten – das hat mich immer geprägt.» So kam es, dass die Absolventin eines Humanistischen Gymnasiums entschied, nach Griechisch und Latein, nun eine moderne Sprache, nämlich Spanisch, neben Germanistik für ihr Lehramtsstudium an der Freien Universität Berlin zu wählen. Während des Studiums verbrachte sie ein Jahr als Fremdsprachenassistentin in Madrid. Die Arbeit gefiel ihr so gut, dass sie gleich noch ein Jahr beim Goethe-Institut dranhängte. Nach dem zweiten Staatsexamen begann sie in Berlin an einem Gymnasium zu arbeiten, wechselte dann zu einer anderen Schule, wo sie den Fachbereich Spanisch aufbaute. Anschließend übernahm sie die Leitung des Fachbereichs Spanisch an einer Schule, wo Erwachsene das Abitur im zweiten Bildungsweg nachmachen konnten und unterrichtete parallel als Dozentin an der FU Berlin.
Und wie nun kam es zum dem Entschluss, nach Chile zu gehen? «Mein Mann, der auch Lehrer ist, hat mich motiviert. Wir fanden es beide spannend, eine neue Kultur kennenzulernen und unsere beiden Kinder waren gerade im richtigen Alter von sechs und acht Jahren», berichtet sie. Das Familienprojekt war eigentlich für fünf Jahre geplant. «Ich hatte aber nicht damit gerechnet, dass mir die Arbeit so gut gefallen würde und mir Chile quasi eine zweite Heimat werden würde», meint Anna Hendrischk-Seewald und erklärt: «Ich konnte sehr unabhängig arbeiten, dadurch viel bewirken und neue Projekte entwickeln, es war abwechslungreich mit Eltern, Lehrern und Schülern zu tun zu haben.» Mit ihrem Sinn für die Wünsche und Sorgen der Lehrer, gelang es ihr, viele Schulen zu motivieren, mehr bilingualen Unterricht anzubieten: «Osorno, Frutillar, Temuco, Villarica, La Serena und Puerto Montt haben den Schritt zu mehr bilingualem Unterricht gewagt und sind ein tolles Vorbild für andere geworden.» Gemeinsam mit Lisa Reelsen oder Dr. Alban Schraut vom Lehrerbildungsinstitut in Santiago konnten neue Konzepte für jede Schule individuell entwickelt werden.
Ihr neuestes Projekt der letzten Monate besteht darin, Deutschland als Studienstandort stärker zu bewerben. Sie informiert darüber, «was Schüler alles mit dem Sprachdiplom II machen können, wenn man zwölf Jahre Deutschunterricht hatte». Denn in Deutschland werden händeringend Studienabsolventen in den Mint-Fächern, also Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, gesucht.
Als ihr besonderes Verdienst sieht sie an, dass die ZFA auf ihr Drängen hin, eine neue Stelle für eine Beraterin für Grundschulen geschaffen habe – eine Stelle, die es nur in Chile gibt. Seit 2016 ist Helen Fürniß Fachschaftsberaterin für die Primarstufe. «Ein guter Grundschulunterricht ist deswegen so wichtig, weil Kinder möglichst früh schon richtig auf eine Sprache vorbereitet werden müssen», unterstreicht die Germanistin.
Es fällt ihr schwer, Chile zu verlassen: «Ich habe dieses Land und die Menschen sehr liebgewonnen. Erst sind oftmals die Chilenen verschlossen, aber hat man mal ihr Vertrauen gewonnen, sind mir alle offen und freundlich begegnet.» Fasziniert haben sie auch die Landschaften: «Wenn ich über die Kordillere flog und die Anden unter mir sah, ging mir das Herz auf und ich wusste, es geht wieder nach Hause.»
Ein neuer interessanter Job wartet nun auf sie und macht ihr die Rückkehr nach Deutschland leichter: «Ich werde bei der ZFA in Berlin als Projektleiterin arbeiten. Damit schließt sich der Kreis». Eines ihrer schönsten Projekte, das Humboldt-Festival in La Serena, konnte im November wegen der sozialen Krise nicht stattfinden. Es ist aber damit zu rechnen, dass sich Anna Hendrischk-Seewald auch von Berlin aus für das Andenland einsetzen wird.