Von Stefanie Hornung
Anlässlich des Weltfrauentags 2020 veröffentlicht der Cóndor in unregelmäßigen Abständen Portraits über Frauen mit einem deutschen Hintergrund, die in Chile eine Pionierrolle hatten oder besondere Leistungen erbrachten.
Ihre ersten Schritte machte Carmen Schwarze auf den staubigen Straßen ihres Geburtsortes Dorneyko, einsam gelegen in der Atacama-Region, einem Abbaugebiet für Eisenerz und Kupfer, wo sie in einer vom Minenleben geprägten Familie aufwuchs. Ihr Vater war ein deutscher Bergbauingenieur, der für die Firma Müller – damals einer der wichtigsten Erzförderer weltweit – nach Chile gekommen war und in der Mine El Algarro-bo arbeitete. Die Mutter war eine Spanierin aus der Nähe von Pamplona. Aufgrund des Ersten Weltkriegs war die Familie nach Chile gekommen.Obwohl auch ihre älteren Brüder in der Bergbauindustrie tätig waren, schien es in der Mitte des 20. Jahrhunderts undenkbar, dass auch eine Frau ihren Lebensunterhalt in dieser bislang ausschließlich Männern vorbehaltenen Branche verdiente.
Carmen Schwarze sollte die Pionierrolle übernehmen und für andere Frauen den Weg in die Minen ebnen: Sie schrieb sich 1938 in der Universidad de Chile für den Studiengang Bergbau ein. Obwohl sie vielen Vorurteilen und Diskriminierung ausgesetzt war, erlangte sie 1944 als erste Frau Chiles und in ganz Lateinamerika das Abschlusszertifikat als Ingenieurin für Bergbau. Überdies machte sie ihren Abschluss als Beste ihres Jahrgangs, eine Leistung, die mit dem Juan Brüggen-Preis des Instituts der Ingenieure des Minasal für bedacht wurde. Auch im Ausland wurde man auf ihre außergewöhnlichen Leistungen aufmerksam. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs erhielt sie ein Stipendium am Smithsonian Institute in Washington D.C. Dort heiratete sie auch ihren Studienkollegen Eduardo Bordeu Plate, der sich ebenfalls für ein Postgrad-Studium in den USA aufhielt.
Nach der Rückkehr in Chile übernahm sie 1948 die Professur für Mineralogie an ihrer Alma Mater, wo sie in den Folgejahren viele weitere Ingenieure auf ihren Beruf vorbereitete. In dieser Zeit gründete sie die Schule für Geologie, neben der Mineralogie ihr zweites Spezialgebiet. Nach ihrem Umzug aufs Land ab 1963, in die Nähe von Los Ángeles, widmete sich Carmen Schwarze vorrangig ihrer Familie, die auf vier Söhne und drei Töchter angewachsen war.
Erst 1971 zog die Familie wieder nach Santiago und Carmen Schwarze kehrte zurück in ihren Beruf. Am Institut für geologische Forschung – aus dem sich später das Sernageomin entwickelte – setzte sie ihre Energie in die Anwendung der neuen Strahlenbasierten Technik zur Analyse von Mineralien ein. Nach einer langen Karriere als Vorreiterin in der Geschichte des Bergbauwesens ging Carmen Schwarze Anfang der 1980er Jahre in den verdienten Ruhestand. Ihre sieben Kinder, 26 Enkelkinder und sechs Urenkel sollten sie bis zu ihrem Tod 2015, nur kurz vor ihrem 95. Geburtstag, beschäftigen.