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«Einzelhaft»

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Von Karla Berndt

Als ich im Januar einen Flug nach Deutschland gebucht hatte, ahnte ich nichts von all dem, was in der Zwischenzeit geschehen ist… Ich wollte einfach nur meinen Enkel an seinem 9. Geburtstag in Potsdam mit meinem Erscheinen überraschen. Am 6. März sollte ich abfliegen, aber bereits da gab es Flugverschiebungen. Der erste Corona-Fall in Chile war am 3. März vermeldet worden. Nach langem Hin und Her und mehrfacher Umbuchung kam ich dann einen Tag später als geplant, mit KLM statt mit Air France, in Deutschland an. Zwei Wochen Urlaub mit Kindern und Enkeln – wie hatte ich mich darauf gefreut!

An den ersten Tagen lief alles noch einigermaßen wie geplant: Wir gingen spazieren und einkaufen, Eis essen und auf den Markt. Und wir feierten Geburtstag. Doch die Nachrichten wurden immer bedenklicher – die Zahl der Krankheitsfälle stieg. Schulen und Kindergärten schlossen, die öffentlichen Verkehrsmittel verkehrten nach «Ferienmodus», in Restaurants gab’s nur noch Essen zum Mitnehmen, überall Schlangen mit Sicherheitsabständen und immer mehr Menschen mit Mundschutz. Bis dahin hatte ich das ganze Corona-Problem eigentlich gar nicht so ernst genommen – eine Art Grippe, dachte ich, wird schon nicht so schlimm sein.

Ich hatte das riesige Glück, dass ich meinen Rückflug planmäßig am 20. März antreten konnte. Gespenstig der Flughafen Tegel in Berlin – kaum eine Menschenseele, leere Gänge, geschlossene Geschäfte. Am Gate der Air France in Paris dasselbe Bild. In einem fast unbesetzten Flugzeug ging es Richtung Santiago. Ausgestreckt auf drei Sitzen, mit überzähligen Kissen und Decken, war das wohl der bequemste Flug meines Lebens!

In Santiago wurden die Passagiere direkt vom Flugzeug in einem Zubringerbus zur Gesundheits-Kontrolle gefahren: Fieber messen, Daten angeben, Schutzhinweise erfahren. Ein vermummter Taxi-Fahrer brachte mich nach Hause. Zu meiner Überraschung sah ich unterwegs Menschenmassen, völlig ungeschützt, auf Straßenmärkten!

Zwei Wochen Quarantäne standen mir bevor, da ich aus einem infizierten Land eingereist war. Ich lebe allein, deshalb hatte mich eine Freundin vorsorglich mit allem versorgt, der Kühlschrank war gefüllt. Das Wochenende ging schnell vorüber, es musste ausgepackt, gewaschen und die Wohnung gereinigt, Rechnungen bezahlt und E-Mails gecheckt werden. Ab Montag, den 23. März, dann Homeoffice. Auch nichts Neues, denn in diesem Modus arbeite ich schon seit Jahren.

Dann kam Tag 4. Ich hätte nie gedacht, wie schwer es ist, von allen Menschen isoliert zu sein! Da saß ich nun mit meinen drei Katzen. Alleine wohnen ist eine Sache, aber keine Freunde einladen, nicht aus dem Haus gehen, mit keinem von Angesicht zu Angesicht reden können, ist etwas ganz anderes. Und das lässt sich auch nicht mit Skype, Zoom, Whatsapp & Co. ersetzen. Dass ich ab und an mit meinen Katzen und mit meinen Pflanzen rede, ist eigentlich normal. Aber als ich mich dabei ertappte, den Kühlschrank und die Waschmaschine anzusprechen, wurde mir schon wunderlich. So lange sie mir in der zweiten, mir noch bevorstehenden Quarantänewoche nicht antworten, werde ich es dabei belassen…

Wenn die Corona-Krise mit all ihren Neben- und Nachwirkungen überstanden sein wird, werde ich mich an diese 14 Tage in «Einzelhaft» erinnern. Und ganz bestimmt in die Gesichter der Menschen schauen statt auf’s Handy! .

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