«Wir wollen uns auch außerhalb der Kirche zeigen»
Von Walter Krumbach
Am kommenden 8. April sollte in der Erlöserkirche das Jubiläumskonzert des Dietrich-Bonhoeffer-Chors stattfinden. Das wird nun aufgund der Maßnamen, die durch die Verbreitung des Coronavirus getroffen worden sind, nicht möglich sein. Ítalo Riffo, der Gründer und Dirigent des Chors, wünschte, die Darbietung in einen Gottesdienst mit Abendmahl einzubauen, da der Gedenktag ihm viel mehr als nur ein musikalischer Anlass ist: Das Todesurteil des evangelischen Theologen, der dem Chor seinen Namen verlieh, wurde in der zweiten Aprilwoche des Jahres 1945 vollstreckt.
Das
Repertoire des Dietrich-Bonhoeffer-Chors ist denkbar breit gefächert.
Natürlich trägt er bevorzugt geistige Werke vor: «Zu Beginn haben
wir ganz einfache Stücke gesungen», erzählt der Leiter. «Zur
vierten Probe nahm ich den ersten Choral der Mottete‚ Jesu, meine
Freude’ von Johann Sebastian Bach mit. Wir taten uns ziemlich
schwer damit, denn 80 Prozent unserer Sänger hatten nie in einem
Chor gesungen. Wir haben es aber trotzdem gelernt und am letzten
Sonntag des Monats
Mai im Jahr 2015 gesungen, als sich der neue
Vorstand der Gemeinde vorgestellt hat.»
Auf den Namen «Dietrich Bonhoeffer» kamen die Gründer nicht nur, weil vor fünf Jahren die ersten Proben in jenen Tagen stattfanden, in denen sich das Märtyrertum des Theologen jährte. «Dietrich Bonhoeffer hatte eine recht solide musikalische Ausbildung», unterstreicht Riffo. «In seiner Familie war das Musikstudium Pflicht. Er hat auch einige Gedichte geschrieben und Lieder komponiert, wie zum Beispiel ‚Von guten Mächten treu und still umgeben‘, das bevorzugt zum neuen Jahr gesungen wird.»
Ítalo
Riffo lebt seit 2014 in
Santiago. «Ich habe mein ganzes Leben in
Chören gesungen», stellt er klar, «darunter im Martin-Luther-Chor
der Evangelischen Kirche in Concepción. Als ich nach Santiago zog,
meinte ich, das ist ja nicht möglich, dass die Gemeinde keinen Chor
hat!»
Der unternehmungslustige
Neuankömmling erhielt bald
von der Kirche den Auftrag, während des Sommerlagers in Puerto Fonck
die musikalische Arbeit zu betreuen. Er organisierte eine
Gesangwerkstatt, die großen Erfolg hatte.
Als
das Sommerlager beendet war, wollten etliche Mitwirkende
weitermachen. Durch die begeisterten Sänger angespornt, schlug Riffo
dem Kirchenvorstand vor, einen
Chor zu gründen. «Dabei hat
mir
die damalige Sekretärin Renate Wurzbacher enorm geholfen», stellt
er anerkennend fest, «die sich für unsere Idee entschieden
eingesetzt hat.»
An
den ersten Proben nahmen 15 Personen teil, «die meisten waren junge
Sänger», erinnert Riffo sich, «dazu kamen meine Mutter, Sylvia
Menzel und Rodolfo Scheel, der der erste Vorstandsvorsitzende des
Chores war.» Heute setzt sich
der Dietrich-Bonhoeffer-Chor aus
33 Sängern zusammen.
Zu
Ostern 2015 – der Chor war kaum einen Monat bei der
Arbeit –
lud Christian Kroneberg, der damalige Geschäftsleiter des DCB, Ítalo
Riffo zu einer Besprechung ein. Dort fand er außerdem seine
Kolleginnen Marion Schmidt-Hebbel und Irene Doggenweiler vor, «die
mich außerordentlich zuvorkommend aufnahmen und mir sagten, dass es
wichtig sei, dass der Kirchenchor an ihren gemeinsamen Auftritten
teilnehme, einem Winter- und einem Weihnachtskonzert im Club
Manquehue.»
Riffos Sängervereinigung ist seitdem bei besonderen kirchlichen Anlässen, wie den Kirchentagen in Valparaíso und in Valdivia, sowie einer Begegnung evangelischer Chöre in Osorno aufgetreten. Zum 500. Jahrestag der Reformation organisierte der Chor ein internationales Konzert von lutherischen Singvereinigungen, zu dem die Bürgermeisterin von Providencia Evelyn Matthei das Teatro Oriente kostenlos zur Verfügung stellte.
Der erste öffentliche Auftritt des Dietrich-Bonhoeffer-Chors außerhalb der Erlösergemeide erfolgte im Winter 2015 in der Kirche Santa Úrsula in Vitacura. Im gleichen Jahr «gestalteten wir unser eigenes Weihnachtskonzert, zu dem wir verschiedene Chöre einluden, was wir in den darauffolgenden Jahren ebenso machten.» Ítalo Riffo unterstreicht, dass «wir sehr daran interessiert sind, uns auch außerhalb der deutsch-chilenischen Gemeinschaft und der evangelischen Kirche zu zeigen.» So nahmen sie zum Beispiel die Einladung einer Gemeinschaft der Stadt Paine an: «Das entspricht außerdem einem wichtigen Punkt unserer Zielsetzung, nämlich an Orten zu singen, wo die Leute normalerweise keinen Zugang zur Chormusik haben.»
Zurzeit denken Riffo und seine Gruppe über eine Einladung nach, in Deutschland und Österreich Konzerte zu geben. Die Lust zu reisen ist zwar groß, die Möglichkeit hängt jedoch davon ab, ob die Tour finanzierbar ist. Vorgesehen sind Auftritte in Frankfurt, Dresden, München und Neuhofen.
Für
die kommende Zeit «habe ich den Ehrgeiz, da wir ein lutherischer
Chor sind, Bach-Kantaten aufzuführen», versichert Riffo, «das wäre
eine große Herausforderung, die wir allerdings finanziell absichern
müssten». Bachkantaten benötigen gute Vokalsolisten und kompetente
Instrumentalensembles. Die nötigen Kontakte sind geknüpft. Der
Dirigent
verweist auf das Weihnachtskonzert des vergangenen
Jahres, bei dem Professoren und Studenten des Instituto de Música
der Universidad Católica mitwirkten.
Bachs riesenhaftes Kantatenwerk bietet eine denkbar breitgefächerte Auswahl an Stücken, deren Verschiedenartigkeit in Bezug auf Inhalt, Aufbau und Schwierigkeitsgrad sich für ein aufstrebendes Ensemble wie dem Dietrich-Bonhoeffer-Chor geradezu anbietet, um von ihnen Gebrauch zu machen. Es ist nur zu hoffen, dass freundliche Geber zum Portemonnaie greifen, um das Projekt zu ermöglichen. Denn am Tatendrang der Musiker wird es bestimmt nicht mangeln.