Fasziniert von den Finanzmärkten
Erst hat es ihm die Finanzwelt angetan, dann kam die Neugierde auf die ganze Welt: Uwe Schillhorn stammt aus einem kleinen Dorf in Schleswig-Holstein, hat aber sein Herz an die USA – und natürlich an seine italienische Frau Angela verloren.
Von Silvia Kählert
Von Jugend an begeisterte ihn das Thema Investieren. «Als 19-Jähriger hatte ich einige hundert Mark gespart. In der Bank in Heide war mir ein Plakat mit Chart-Verläufen aufgefallen», erzählt Uwe Schillhorn, der in dem Ort Eggstedt in Dithmarschen aufgewachsen ist. «Ich hatte Glück: Ich geriet an einen Anlagenberater, der sich richtig Zeit für mich nahm.» Vielleicht auch, weil dieser merkte, wie neugierig und fasziniert der junge Mann ihm zuhörte. Tatsächlich investierte er nach den Gesprächen in Aktien und Fonds – «wenn auch mit mäßigem Erfolg», wie er gerne lächelnd zugibt.
Wirtschaft und Politik hatten ihn schon immer interessiert. Also entschied er sich erst einmal Jura und Volkswirtschaftslehre parallel zu studieren. «Eigentlich hatte ich einen der begehrten Studienplätze an der Uni Hamburg. Doch ich entschied mich für Freiburg: Wegen des guten Wetters und weil das einfach etwas Neues und anderes für mich war als Norddeutscher.»
Tatsächlich sollte der Student dort vielen Menschen begegnen, die seinen weiteren Lebensweg prägten. Vor allem lernte er seine spätere Frau Angela kennen, eine Italienerin, die in Freiburg Deutsch studierte. Außerdem freundete sich der Student mit einigen US-amerikanischen Austauschstudenten an. «Ihre Mentalität gefiel mir sehr, ihr fast schon ungebremster Optimismus – es war mir klar: Da muss ich hin.» Dabei kamen ihm seine Jurakenntnisse und seine große Willenskraft zugute:«Das Studium in den USA war sehr teuer. Und normalerweise bekam man die staatliche Förderung dafür erst viel später. Ich leitete bei der Behörde in Hamburg eine einstweilige Verfügung ein – und es klappte!» Das Studium in Wisconsin gefiel ihm so gut, dass er am liebsten geblieben wäre. «Doch das ging nicht: Angela wartete ja in Freiburg.» Eins hatte dieser USA-Aufenthalt noch zur Folge: «Ich entschied mich, nur VWL weiterzumachen, die Finanzmärkte haben mich einfach in ihren Bann gezogen.» Außerdem war ihm klar, dass er irgendwann in die USA zurückwollte und mit Wirtschaftskenntnissen war er im Gegensatz zu einem deutschen Jurastudium international aufgestellt.
So fiel ihm die Entscheidung nach dem Studium nicht schwer, als Portfoliomanager für Schwellenländer in Asien und Lateinamerika in einer Vermögensverwaltungsgesellschaft in der Schweiz zu arbeiten. Als diese 1997 nach Chicago expandierte, sah Uwe Schillhorn seine Chance gekommen: «Ich bot mich an, in die USA zu gehen.»
Nicht ganz so einfach war es, seine Frau Angela zu überzeugen. Schließlich begann die Lehrerin an einer Waldorfschule zu unterrichten und sich in dem neuen Kontinent mit der Zeit wohlzufühlen. «In den 1990er Jahren war das Geschäft riskant, aber rentabel. Unser Team vergrößerte sich mit den Jahren auf elf Personen», erzählt der Asset-Manager, der 2005 die Teamleitung übernahm. Besonders gefalle ihm an seiner Arbeit, «dass ich mich mit dem beschäftige, was ich auch in meiner Freizeit tun würde: Texte über Politik und Entwicklungen von Ländern lesen, mich mit interessanten Leuten treffen, wie Analysten, Zentralbankchefs oder Politiker. So erfuhr ich, wie die Welt funktioniert. Das war eine tolle, interessante Zeit!»
2015 gab es eine Umstrukturierung und der großgewachsene Mann sah sich nach einer neuen Stelle um. Schließlich wurde er bei der US-amerikanischen Firma Principal Chief Investment Officer für Südamerika und lebt seit rund vier Jahren mit seiner Familie in Santiago. Nun leitet er drei Teams in Mexiko, Brasilien und Chile. «Der Anfang war nicht leicht, aber mir war es wichtig, erst einmal das Vertrauen der Leute zu gewinnen. Ich habe ja selber jahrelang Investmentfonds erstellt, wusste was diese Arbeit bedeutet und wollte mich einfach nützlich machen.» Es habe etwas gedauert, um die Mentalität der verschiedenen Südamerikaner zu verstehen:« Vor allem habe ich gelernt: Eine Kultur kann man nicht ändern. Es hat keinen Sinn, sich aufzuregen – dann ist man zum Scheitern verurteilt.» Dabei stellte er fest: «Hier in Chile sind persönliche Gespräche besser als E-mails, vor allem bis man sich besser kennt.»
Wie Menschen mit verschiedenen Kulturen miteinander auskommen, erlebt er vor allem in seiner eigenen Familie. Seine Kinder, die Zwillinge Lavinia und Konstantin, sind in den USA geboren und aufgewachsen. Englisch ist ihre Muttersprache – neben Italienisch, das sie genauso wie ihr Vater mit ihrer Mutter Angela sprechen. Einmal im Jahr ist die Familie bei den Großeltern in Sizilien einige Wochen zu Besuch. Ein zweites Mal geht es im deutschen Sommer zu den Großeltern nach Eggstedt. Deutsch sprechen die Zwillinge mit ihrem Vater. «Es war uns wichtig, dass sie die Sprache unserer Eltern sprechen», betont Uwe Schillhorn. Nun haben sie in Santiago auch Spanisch gelernt.
Die soziale Krise und schließlich die Coronakrise bedeuten für seine Arbeit, dass die Finanzmärkte stark unter Druck geraten sind und der Manager versuchen muss, eine effizientere Organisation zu schaffen. Für die Familie bedeutet dies, dass es eventuell dieses Jahr nicht zu den Großeltern, zum Feiern des 90. Geburtstages des Opas nach Deutschland gehen wird.