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Zum Tag des Waldes am 21. März

Chiles Naturwälder – ein nationaler Schatz von internationaler Wertschätzung

Der Forstwirt Burkhard Müller-Using in seinem Naturwald in der Comuna von Panguipulli in der Region De Los Ríos

Von Dr. Burkhard Müller-Using

«Quién no conoce el bosque chileno, no conoce este planeta», schreibt Pablo Neruda, der in Temuco aufwuchs. Der Dichter beschreibt einen Waldgang durch den artenreichen chilenischen «Bosque nativo» mit seinem Duft, seinem weichen Waldboden, der die Schritte abfedert, mit seinen eindringlichen Vogelstimmen, mit seinen imponierenden Baumriesen und deren Flechtenbehang. Gibt es den heute noch? Ja, und nicht nur in Form von Nationalparks und Forstreservaten!

Statistiken weisen 14,4 Millionen Hektar «Bosque Nativo» in Chile aus, davon vier Millionen Hektar in Schutzgebieten. Zugegeben: Die restlichen zehn Millionen Hektar sind bei weitem nicht alle von der Art, wie sie Neruda in seiner Prosa verewigt hat. Nur 6,5 Millionen Hektar werden von der Forstbehörde Conaf (Corporación Nacional Forestal) als potenziell produktiv ausgewiesen, das heißt sie sind gar nicht oder nur wenig degradiert und können unter der sachkundigen Pflege von Forstleuten wieder ihre vollen Nutz- und Schutzfunktionen erreichen.

Riesiges Artenspektrum

Imponierend ist die Vielfalt an unterschiedlichen Waldtypen von Nord nach Süd, sowie von der Ebene bis in die höheren Berglagen. In zwölf verschiedene Waldtypen hat sie der bekannte chilenische Waldkundler Claudio Donoso eingeteilt, die meisten von ihnen weiter untergliedert in Subtypen. Das beginnt mit den Hartlaubwäldern etwa vom
30. Breitengrad an (Ciudad Ovalle) in Richtung Süden, setzt sich fort über die laubabwerfenden Nothofaguswälder, die ab 34 Grad S ( San Fernando) sowohl in der Küstenkordillere, als auch im Andengebirge bis etwa zur Linie Concepción-Chillán reichen, um sich dann – je nach Höhenlage – aufzufächern in andere Laub- und Nadelwaldtypen, an denen der immergrüne Coigüe-Baum, aber auch Nadelbaumarten, wie Araukarie, Bergzypresse und schließlich, von Valdivia an bis Chiloé, der Alerce-Baum beteiligt sind. In Patagonien wird dann das Artenspektrum wieder enger: Während im feuchtkühlen Seeklima der Inseln und Schären immergrüne Laubbaumarten, wie Ulmo, Laurel, Tepa, Olivillo und zwei verschiedene Coigüe-Arten vorherrschen, spielt in den etwas regenärmeren kontinentalen Lagen die Nothofagusart Lenga die Hauptrolle, meist in Reinbeständen.

Forstplantagen und Urwald

Wo anfangen und wo aufhören angesichts solcher Typen- und Artenfülle? Dort, wo bedingt durch Klima, Übernutzung und Umwandlung in Forstplantagen, der Naturwald sozusagen mit dem Rücken an der Wand um sein Überleben kämpft, wie in Zentralchile? Dort, wo man ihn – wenn auch kaum noch in Urwaldform – aber doch noch in seiner vollen Artenfülle bewundern und genießen kann, wie in den Regionen Los Ríos und Los Lagos? Oder in den Weiten des großen Südens, wo es noch viele unbewirtschaftete, aber etwas einförmigere und weniger zugängliche Waldlandschaften gibt, die eher Touristen anziehen, die das rauhe Abenteuer lieben.

Valdivianischer Regenwald

Mir hat es der Valdivianische Regenwald in seinen verschiedenen Ausprägungsformen angetan: Regenwälder der gemäßigten Klimazone gibt es nur noch wenige auf der Südhalbkugel; und so sind auch die Baumarten, die im chilenischen Regenwald vorkommen, nur hier in Chile (und einem schmalen Streifen am Ostabfall der Anden auf der argentinischen Seite) zu finden , also einzigartig in der Welt. Das sind Brennpunkte auf der weltweiten Karte zum Thema Biodiversität!

Leicht lassen sich 20 Arten aufzählen, die in mehreren Schichten untereinander beziehungsweise übereinander die Struktur des Valdivianischen Regenwaldes bilden. Dort, wo er ohne Störungen jahrhundertelang intakt geblieben ist, sind alle Arten immergrün. Da das nur selten der Fall ist, haben an vielen Stellen Roble-Bäume Unterbrechungen im Kronendach genutzt, wo sie entsprechend ihrem hohen Lichtbedürfnis die ihnen zusagenden Bedingungen gefunden haben, und sind durch ihr schnelles Wachstum in die oberste Kronenschicht gelangt. Diese Coigüe- und Roble-Riesen werden bis zu 50 Meter hoch und bilden in höherem Alter ein rotes Kernholz, «Pellín» genannt. Dafür gibt es eine lebhafte Nachfrage bei immer geringerer Angebotsmenge. Etwas geringere, aber immer noch imponierende Höhen erreichen Ulmo- und Laurelbäume, die oft die zweite Baumschicht bilden. Ulmo, der übrigens überhaupt nichts mit der in Deutschland bekannten Ulme zu tun hat, ist neben seinem schön gemaserten Holz auch als Bienenweide sehr geschätzt. Er blüht Anfang Februar, also verhältnismäßig spät im Jahr; und dann sind viele Bienenzüchter aus Zentralchile mit Lastwagen voller Bienenkörbe unterwegs, um diese in der Nähe von Ulmo-Baumgruppen aufzustellen, denn Ulmohonig ist ein wertvolles Exportgut. Unter der zweiten Baumschicht etabliert sich meistens noch eine dritte Etage von Schattenbaumarten, wie die duftende Tepa, der Olivillo-Baum und andere, die die doppelte Überdeckung durch die darüber liegenden Kronenschichten vertragen können, ohne an Lichtmangel einzugehen. Eine bewundernswerte Waldstruktur, die die Ressourcen Licht, Wasser und Nährstoffe optimal ausnutzt. So entstehen Wälder mit enormen Holzvorräten von bis zu 1.000 Kubikmeter Holz pro Hektar, an denen sich europäische Forstleute auf Chiletour immer wieder begeistern, weil ihre Wälder in der Heimat es nur auf weniger als die Hälfte bringen.

Plantagenwirtschaft

Wie steht es mit der chilenischen Forstpartie? Ist dort die Wertschätzung der Naturwälder ebenso verbreitet, wie bei ihren ausländischen Kollegen? Da gibt es leider Defizite. Die Plantagenwirtschaft mit schnellwüchsigen exotischen Baumarten, wie Radiatakiefer und Eukalyptusarten, hat zu einer Art Spaltung in unserem hiesigen Berufsstand geführt. Wenn man es nur vom Gesichtspunkt der Flächenproduktivität her sieht, bringen die 2,5 Millionen Hektar Forstplantagen mehr Nutzholz als der ganze «Rest» der 14 Millionen Hektar Naturwälder und damit auch eine deutlich höhere Rendite. Da «brummen» der Zuwachs, die Sägewerke, die Zellstoffindustrie und der Export. Und da sind auch -flächenbezogen- die meisten Arbeitsplätze für Forstleute angesiedelt. Die arbeiten Tag für Tag in der Rohstoffproduktion und leisten sich die Liebe für den Naturwald nur in ihren Träumen oder während des Urlaubs. Sie räumen selbst ein, dass sie vom Waldbau in Chiles Naturwäldern nicht viel verstehen, und aus der wirtschaftlichen Geringschätzung erwachsen leider auch Mängel in der entsprechenden Aus-und Fortbildung an manchen Universitäten.

Naturwaldbesitzer

Auf der anderen Seite stehen die Kollegen, die sich der Bewirtschaftung der Naturwälder verschrieben haben – oder ihrer strengen Kontrolle. Dies sind überwiegend kleine und mittlere Waldeigentümer, die von ihrem Wald leben müssen. Mengenmäßig ist Brennholz das Hauptprodukt. Umfangreiche Vorschriften in Gesetzes- und Verordnungsform, aber auch eine zunehmende positive Waldgesinnung der Eigentümer haben dazu geführt, dass heute die Naturwaldfläche nicht wie in anderen Ländern Lateinamerikas weiter absinkt, sondern sich seit mehr als einem Jahrzehnt konstant gehalten hat. Manche Studien dokumentieren sogar einen leichten Anstieg. Es gibt eine «Agrupación de Ingenieros Forestales por el Bosque Nativo», die sich mehr um die kleinen Waldbesitzer bemüht, und eine «Asociación de Propietarios con Bosque Nativo», ein Waldbesitzerverband, der sich eher um den mittleren Privatwald kümmert. Beide betreiben Fortbildung und Öffentlichkeitsarbeit, um den jeweiligen Eigentümern Hilfestellung bei der nachhaltigen Bewirtschaftung ihrer Naturwälder zu geben. Die Schwierigkeiten wirtschaftlicher und infrastruktureller Art sind beträchtlich. Auch die Forstbehörde Conaf hat ein gesetzliches Regelwerk mit Leben gefüllt, um die Waldpflege im Naturwald zu subventionieren, allerdings mit sehr mäßigem Erfolg, wenn man bedenkt, dass jährlich weniger als 20.000 Hektar in ganz Chile dieser finanziellen Unterstützung teilhaftig werden, bei eher abnehmender Tendenz. Das liegt vor allem an einer bürokratischen Überfrachtung des Antrags- und Genehmigungsverfahrens. Leider fehlt jede Unterstützung im Bereich der Verbesserung der Wegestruktur, die katastrophal ist.

Erfolge bei Privatwäldern

Der eigentliche Leistungsträger bei den Naturwaldeigentümern ist der mittelgroße Privatwald. Hier werden, vor allem in den Regionen Los Ríos und Los Lagos erfreuliche Aufbauleistungen erbracht, sei es in der Neubegründung oder auch in der Pflege der nachwachsenden Bestände. Das Potential an wertvollem Bau- und Möbelholz mit schöner Farbe und Maserung ist großartig. Die Kenntnisse im Waldbau, das heißt im Bereich einer nachhaltigen Pflege und Ernte in den Naturwäldern, die sich nicht in Nationalparks und Naturwaldreservaten befinden, haben sich deutlich verbessert; die Beachtung der Gesetze kann heute weitgehend unterstellt werden und wird von der Forstbehörde bei hoher Flächenpräsenz mit nur sehr wenigen Ausnahmen sichergestellt. Das Thema ist heute nicht mehr, der Naturwaldzerstörung durch weitere Gesetze und Verordnungen einen Riegel vorzuschieben. Es wäre sogar gut, in Teilbereichen Bürokratiehemmnisse abzubauen.

Fortbestand der Naturwaldwirtschaft sichern

Eher geht es heute und in Zukunft darum, dass die Gesellschaft, die in Chile vorwiegend aus Stadtbevölkerung besteht, denjenigen, die vor Ort mit Naturwald zu tun haben und davon leben müssen, nicht mit alten Vorurteilen und Misstrauen begegnen. Gottlob ist die Zeit der direkten Waldzerstörung durch die Eigentümer in Chile vorbei. Ein aktuelles Problem ist das totale Ungleichgewicht zwischen Naturwald- und Plantagenwirtschaft, das nicht dazu führen darf, die Naturwaldwirtschaft finanziell ausbluten zu lassen. Wer sonst, als der Eigentümer eines Waldes ist mehr an dem Fortbestand dieser seiner Lebensgrundlage interessiert? Gibt er die Bewirtschaftung auf, weil sie nichts mehr abwirft, verschwinden Arbeitsplätze im ländlichen Bereich, sind illegalem Raubbau Tür und Tor geöffnet und die örtliche Präsenz von den direkt Verantwortlichen für den Waldbrandschutz nimmt ab. Rund 72 Prozent des Naturwaldes in Chile sind in privatem Eigentum, 28 Prozent sind staatliche Gebiete, deren Schutz wegen viel zu geringer Personaldecke nur sehr unbefriedigend sichergestellt sind. Staat und Gesellschaft brauchen die Eigentümer von Naturwald, um ihn zu erhalten. Deshalb muss die Politik die Bedingungen für sie weiter verbessern, um sie in der Fläche zu halten, so wie das in vielen Ländern der OECD seit langem geschieht. Der nackte Neoliberalismus bringt ein Gut, wie den Wald, dessen Leistungen für die Gesellschaft unbestritten sind, in Gefahr, nur weil diese Leistungen zum großen Teil nicht in Geldwert bemessen und durch Angebot und Nachfrage abgegolten werden können. Diejenigen, die sich als Erholungssuchende, als Wasserkonsumenten, als Mikroklimabegünstigte oder als Nutznießer des Erosionsschutzes, der von ihm ausgeht, im Klaren sind über die Leistungen die uns Chiles «Bosque Nativo» bietet, können eigentlich nicht daran zweifeln, dass die Gesellschaft etwas zu seiner fachgerechten nachhaltigen Bewirtschaftung beitragen muss.

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