Von den Weiten des Weltalls fasziniert
Wenn Dr. Paul Eigenthaler arbeitet, schlafen andere Menschen. Der Astrophysiker aus Österreich beobachtet nachts ferne Galaxien, aber bleibt mit beiden Beinen fest auf dem Boden.
Von Stefanie Hornung
Lautlos und in elegantem Schwung fährt Dr. Paul Eigenthaler in den Hof des Cafés ein. Sein E-Roller ist eines dieser modernen urbanen Transportmittel, die man sich vor einigen Jahren noch nicht hatte vorstellen können, welche aber jetzt zum Alltagsbild der Stadt gehören. Beim Kaffee erzählt der hochgewachsene Österreicher von ebenso unvorstellbaren Dingen.
Denn Paul arbeitet an einem ganz besonderen Forschungsgebiet: der Extragalaktik. Was sich anhört wie ein Science Fiction-Filmtitel, ist reine Astrophysik. «Die Milchstraße ist unsere Heimatgalaxie, das Sonnensystem mit der Erde und den anderen Planeten ist Teil von ihr. Es gibt aber noch unzählig viele weitere Galaxien neben unserer Milchstraße in Entfernungen, die sich ein Mensch fast nicht vorstellen kann.» Besonders interessieren ihn Zwerg-Galaxien, denen er mit verschiedenen Teleskopen in Chile auf der Spur ist. Diese sind von Chile aus wegen der guten atmosphärischen Bedingungen in der Atacama-Wüste besonders gut zu beobachten. Neben diesen Beobachtungen betreut Eigenthaler auch das 2,2-Meter-Teleskop am Observatorium La Silla seines aktuellen Arbeitgebers, der Max-Planck-Gesellschaft in Heidelberg.
Das war auch der Grund für die Übersiedlung des gebürtigen St. Pölteners nach Chile vor nunmehr gut acht Jahren: «Ich hatte mich nach meiner Dissertation an der Universität in Wien bei verschiedenen Forschungsinstituten und Universitäten in aller Welt beworben. Die Stellen in der Forschung sind rar gesät. Man hangelt sich von Jahresvertrag zu Jahresvertrag und weiß nie ganz genau, wo man seine nächste Station hat. Ich hätte damals zwecks mangelnder Stellen in Österreich die Astrophysik verlassen müssen und so entschied ich mich für Chile, als mir die Universidad Católica eine Stelle anbot.»
Seit 2019 pendelt er zwischen seiner Wohnung in Las Condes und der Arbeitsstelle im Observatorium «La Silla» in den Bergen zwischen La Serena und Vallenar. Das auf 2.400 Metern gelegene Observatorium steht unter der Leitung der Europäischen Südsternwarte Eso, die in Chile mehrere Teleskope betreibt. Die Max-Planck-Gesellschaft ist dort Mieter und betreut wiederum eines der mit 2,2 Metern Durchmesser größeren Teleskope. Dort ist Eigenthaler als sogenannter Teleskop-Operator tätig. Sein Job: «Wenn andere Wissenschaftler mit dem Teleskop arbeiten möchten, bin ich derjenige, der sie im Handling des Geräts anleitet. Ich übernehme aber auch die Forschungsanleitungen von Kollegen, die nicht selbst vor Ort sind. Dann gehe ich nach deren Vorgaben vor und übermittele die Resultate für ihre weiteren Forschungen.»
Der Kontrast zu Santiago könnte nicht größer sein, rundherum liegen nur die Kordilleren. Die Unterkünfte dort seien aber «okay und das Essen in der Kantine ist sehr gut.» Gearbeitet werde ja ohnehin nachts, in zwei Schichten, die erste endet um 2 Uhr morgens. Die Wissenschaftler arbeiten maximal 14 Tage am Observatorium hintereinander und arbeiten die restliche Zeit wie Eigenthaler außerdem an Universitäten an ihren Forschungsprojekten.
Zurück in Santiago genießt der 39-Jährige das Großstadtleben und seine Hobbys. Neben Skifahren – im heimischen Österreich gemeinsam mit Freunden oder in Chile, sofern genügend Schnee liegt – gehören dazu auch Fotografie und Malerei: «Ich habe mir gerade eine Drohne gekauft, mit der ich schon Landschaftsaufnahmen gemacht habe. Das ist noch ausbaufähig, aber ich fotografiere lieber Landschaften als Menschen, mag Weitwinkelaufnahmen.» Die großen Dimensionen finden sich auch in den von ihm gemalten abstrakten Gemälden wieder, die mit kraftvollen Pinselstrichen und starken Farben an seine Vorbilder Jackson Pollock und Willem de Kooning erinnern. Er habe immer etwas mit Kunst machen wollen, erzählt Eigenthaler, aber letztlich sei er dann doch Astrophysiker geworden.
Es sei aber – wie bei einem Künstler auch – nicht immer einfach zu erklären, was er mache: «Es passiert mir öfter, dass ich den Unterschied zwischen Astronom und Astrologe erklären muss.» Zwischen beiden liegen Welten, aber Paul – Sternzeichen Schütze – ist wohl typisch für sein astrologisches Leitbild. Den Schützen werden Freiheitsliebe, Reise- und Abenteuerlust zugeschrieben. Und das passt: Der Single reist leidenschaftlich gern. Als Astrophysiker ist er oft auf Konferenzen in anderen Ländern unterwegs und nimmt sich immer mal ein paar Tage Zeit, um die Umgebung der Tagungsorte zu erkunden.
Ob er dauerhaft in Chile leben und arbeiten wird, ist noch unklar. «Die Krux in der Wissenschaft ist, dass man in der Regel nur kurzfristige Zeitverträge erhält. Das ist auf Dauer ziemlich anstrengend und in der Privatwirtschaft oder staatlichen Institutionen sind die Arbeitsbedingungen oft besser. Ich mag Chile und lebe gern hier, aber ich muss eben auch sehen, wie das für mich hier weitergeht.» Den südlichen Sternenhimmel würde er allerdings vermissen, denn woanders lässt sich eben nicht so klar in die unendlichen Weiten des Weltalls sehen..