Von Walter Krumbach
Als 1993 Papst Johannes Paul II. Teresa de Los Andes heiligsprach, wurde im Petersdom zu Rom eine Dankesmesse abgehalten, an der zahlreiche Chilenen teilnahmen, die eigens zu diesem einmaligen Anlass angereist waren. An der großen Orgel saß Luis González. Die Ehre, bei dieser außergewöhnlichen Feierlichkeit an dem denkwürdigen Ort aktiv mitgewirkt zu haben, hinterließ bei dem sensiblen Künstler tiefe Spuren. Gerne berichtete er im Privatgespräch von der Messe, erzählte von der Ergriffenheit der Chilenen und schilderte dabei mit lebhaften Worten unzählige Einzelheiten, hielt sich aber in seiner bescheidenen Art zurück, wenn die Unterhaltung auf seine Beteiligung an der Feier kam.
Luis González war ein tiefgläubiger Katholik, der seine Arbeit in den Dienst der Religion stellte. Sein Orgelspiel war kunstfertig, technisch makellos und stilistisch korrekt. Damit nicht genug, kam bei seiner Interpretation stets seine Religiosität herüber. Der Notentext war ihm Anlass zum Musizieren, aber der Glaube verlieh seinem Spiel Kraft und Glanz. Hierbei war ihm Johann Sebastian Bach Vorbild, der für ihn nicht nur den Gipfel der Kirchenmusik, sondern das Ideal des Musikers im Dienste Gottes darstellte. Bach war eines der Lieblingsgesprächsthemen González. Leidenschaftlich vertrat er etwa die Ansicht, dass die berühmte Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 mit großer Wahrscheinlichkeit nicht aus Bachs Feder stammte.
Andersgläubigen zeigte er sich tolerant. Luis González hatte eine ökumenische Einstellung, die ihn bewog, jahrelang in der evangelischen Erlöserkirche den Gottesdienst musikalisch zu betreuen. Dabei pflegte er mit lauter Stimme die Choräle und die Lithurgie mitzusingen. Wiederholt organisierte er in diesem Gotteshaus Orgelzyklen sowie anspruchsvolle Kirchenmusikkonzerte.
Im Jahr 1982 führte er zusammen mit Alejandro Reyes und Carlos Weil das gesamte Orgelwerk von Johann Sebastian Bach und Dieterich Buxtehude auf. Zusätzlich boten sie an 42 Abenden eine Orgelmusikanthologie dar, in denen sie Stücke von der Renaissance bis zur Gegenwart spielten. Diese einmaligen Zyklen bewogen den Círculo de Críticos de Arte, González und seinen Kollegen einen Sonderpreis zu überreichen.
In der deutsch-chilenischen Gemeinschaft erfreute er sich nicht nur innerhalb der Kirchenkreise großer Beliebtheit. Er war sowohl als Künstlerpersönlichkeit als auch als Bachexperte äußerst geschätzt.
Luis González erhielt von dem Pfarrer Pedro Deckers seinen ersten Orgelunterricht. Danach studierte er an der Escuela Moderna de Música und dem Conservatorio Nacional. 1970 reiste er in die USA, um sich an der Texas Tech University fortzubilden. Dort hatte er Gelegenheit, Meisterklassen der großen französischen Organistin Marie Claire Alain über das Werk Dieterich Buxtehudes beizuwohnen. 1972 gewährte ihm die französische Regierung ein Stipendium, um sich mit der Reparatur und Restaurierung von Orgeln vertraut zu machen. Mit seinen Brüdern und Neffen hat er danach diverse Instrumente instand setzen können.
Seine nie nachlassende Wissbegierde veranlasste ihn, bis ins fortgeschnittene Alter das Studium nicht außer Acht zu lassen. Im Jahr 2013 – er war bereits 67 – promovierte er unter der Obhut von Dr. Roy Wilson in Philosophie der schönen Künste mit dem Fach Orgelspiel. Luis González ist bis heute der einzige Chilene, der diesen akademischen Grad innehat.
Nach seinem Tod blieb eines seiner Projekte unvollendet: die Vergrößerung der Walcker-Orgel in der Santiaguiner Erlöserkirche. Das Werk wird nun von seinen Brüdern fortgeführt. Es ist geplant, nach seiner Fertigstellung das Instrument «In Memoriam Dr. Luis González Catalán» neu einzuweihen.