«Auch wir können von Chile viel lernen»
Vor zehn Monaten kam Oberst Lau nach Chile, um sich für seinen Posten an der Deutschen Botschaft vorzubereiten. Der vielseitig interessierte Beobachter hat seitdem vieles erlebt und das nicht nur, was seine berufliche Tätigkeit betrifft.
Von Walter Krumbach
«In Deutschland bereiten wir unsere Attachés auf die Verwendung sehr intensiv vor», erklärt Oberst Lau. «Das heißt einmal die Sprachausbildung, den Militärattaché-Lehrgang und wenn immer es möglich ist, nehmen sie auch an entsprechenden Lehrgängen im Land vor der Verwendung als Attaché teil». So kam Konrad Lau im März 2019 nach Santiago, um an einem Lehrgang der Anepe (Academia Nacional de Estudios Políticos y Estratégicos) teilzunehmen. Der Kurs währte ein knappes Semester und beinhaltete die sicherheitspolitischen Grundlagen und die strategische Ausrichtung Chiles in Lateinamerika und in der Welt.
Nach Beendigung des Lehrgangs blieb Lau in Santiago, um seinen neuen Posten an der Botschaft anzutreten. «Das größte Interesse, das wie ich glaube, jeder Attaché hat, ist, dass er in dem Land ein sehr gutes Verhältnis sowohl zu dem militärischen Personal als auch zur Zivilgesellschaft aufbaut», meint Lau. Die verschiedenen Attachés pflegen unter sich Kontakte, indem sie sich regelmäßig treffen.
Die wesentlichen amtlichen Ansprechpartner sind die sogenannten Enlaces der Teilstreitkräfte und ein Büro internationaler Beziehungen im chilenischen Führungsstab. «Zu diesen habe ich sehr intensive Kontakte», betont Lau, «weil es gerade jetzt in der Phase der Krise wichtiger war, auf dieser Ebene Gespräche zu führen, als sich in einem Truppenteil über eine Ausbildung von Panzerkräften oder Gebirgstruppen zu unterhalten.»
Das Verhältnis zwischen dem chilenischen und dem deutschen Heer ist seit Emilio Körners Zeiten (der deutsche Militärberater, der das chilenische Heer in den 1880er Jahren modernisierte) eng und – besonders für die chilenische Seite – gewinnbringend. Wie beurteilt ein deutscher Offizier heute dieses Verhältnis? Oberst Lau beantwortet die Frage ohne Zögern: «Das Verhältnis ist nach wie vor sehr gut. Man muss sagen, dass unsere chilenischen Kameraden uns als Deutsche sehr schätzen und sich sehr häufig an uns wenden, wenn sie einen Ratschlag, insbesondere zur Panzertruppe, haben wollen, da sie wissen, dass wir in den Einsätzen teilweise Erfahrungen gemacht haben, die sie selber noch nicht machen mussten.»
Den Erfahrungsaustausch hält der deutsche Militärattaché für den entscheidenden Punkt, und er kommt beiden Parteien zugute, was manchen Chilenen vielleicht überraschen dürfte. Lau erläutert dazu: «Auch wir können von Chile sehr viel lernen, zum Beispiel im Bereich der Panzertruppe. In Deutschland setzten wir keine Panzer auf mehr als 3.000 Meter Höhe ein, weil unser höchster Berg allemal knapp unter 3.000 Meter hoch ist.» Ebenso ist für deutsche Militärs das Thema Kampf in der Wüste von großem Interesse: «Wenn wir jemals zu solchen Einsätzen im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit und Friedensoperationen berufen werden sollten, dann ist so eine Erfahrung unheimlich viel wert.»
Die Zusammenarbeit koordinieren die involvierten Partner mit regelmäßigen Gesprächen, in denen festgelegt wird, wie viele Maßnahmen im Jahr durchgeführt werden sollen. «Wir planen jetzt zum Beispiel, dass dieses Jahr wieder einige chilenische Soldaten in Deutschland bei Verbänden der Panzergrenadiertruppe ein Praktikum absolvieren sollen», erzählt er, «dazu werden sie in Deutschland zuvor eine entsprechende Sprachausbildung in Deutsch erhalten, sodass sie auch die deutsche Lebensweise und –kultur besser kennenlernen. Das ist das zweite Ziel der internationalen Zusammenarbeit, dass wir uns gegenseitig kennen und schätzen lernen. Wenn wir dann unter Stress zusammenarbeiten müssen, wissen wir, wie ein Deutscher und wie ein Chilene sich verhält. Dann kann man sich manchmal nicht mehr so kontrollieren, wie wenn wir völlig entspannt sind», lacht er.
Übrigens sind inzwischen in Chile mehr Leopard-Panzer als in Deutschland im Einsatz. Nach der deutschen Wiedervereinigung reduzierte die Bundesrepublik die Anzahl dieser Kampfmaschinen massiv. Chile dagegen nutzt sowohl den Leopard 1 wie auch den Leopard 2 und den Schützenpanzer Marder, alles Einheiten, die Lau gut kennt, da er seine Karriere als Panzergrenadier begann, «und immer wenn ich hier das Brummen eines Marders höre, dann schlägt mein Herz ein bisschen schneller», versichert er.
Konrad Lau ist Gebirgsjäger und als solcher frönt er in Chile dem Bergsport. Gern würde er hier «einen 5.000er besteigen», verrät er. Dienstlich ist zurzeit sein größter Wunsch, «dass wir es schaffen, die Zusammenarbeit zu intensivieren.» In den letzten Jahren hat diese sich aufgrund finanzieller Bedingungen auf der deutschen Seite reduziert. Zum anderen musste sich das chilenische Heer aufgrund der Korruptionsvorwürfe mehr auf sich selbst konzentrieren.
In seiner Freizeit ist Oberst Lau oftmals mit Ehefrau Claudia unterwegs: «Wir wollen das Land intensiv erkunden», bestätigt er. Besonders beeindruckte ihn der Mirador de los Cóndores:«Da kann man den Kondor in der freien Natur im Flug sehr nah sehen und erleben. Und das ist gerade einmal eine Stunde Autofahrt von hier bis zum Startpunkt!».