Himmelwärts mit dem Heißluftballon
Von Peter Downes
Kein Flugzeug im strengen Sinne des Wortes, sondern ein fliegender Ballon, der Menschen in die Lüfte heben kann, war die Erfindung der Gebrüder Montgolfier. Noch heute sind Heißluftballonfahrten und Montgolfiaden beliebt. Seit dem 15. Jahrhundert ist der Traum vom Fliegen mit den technischen Ideen Leonardo da Vincis vorgedacht worden, fand dann aber erst durch die Gebrüder Wright zu Beginn des 20. Jahrhunderts seine volle Verwirklichung mit dem ersten Flugzeug.
Wie entstand der Heißluftballon?
Der erste sogenannte «Freiballon» von 1783 – wie man diese Erfindung dann in Deutschland nannte – bestand aus Leinen und hatte zwölf Meter Durchmesser. Im Inneren war er mit einer dünnen Papierschicht ausgekleidet und wurde durch ein Netz von Schnüren umspannt. Rauch wurde in den Ballonsack geführt, den man durch das Verbrennen von Strohballen erzeugte. Und so stieg denn auch der Ballon wie vorgesehen in die Luft, erreichte nahezu 2.000 Meter an Höhe und legte eine Strecke von etwa zwei Kilometer zurück, bevor er dann wieder zu Boden sank.
Die Brüder waren zwei der 16 Kinder des Papierfabrikanten Pierre Montgolfier und seiner Frau Anne Duret. Beide Jungen hatten eine naturwissenschaftliche Erziehung genossen und wurden in Architektur ausgebildet. Sie leiteten gemeinsam die Papierfabrik des Vaters und Joseph-Michel (1740- 1810), der ältere der beiden Brüder, interessierte sich seit den 1770er Jahren für die Luftfahrt, wobei er sich zunächst mit dem Fallschirm beschäftigte – eine Erfindung, die auch Leonardo da Vinci schon Jahrhunderte zuvor studierte. Er experimentierte dann mit Gas und wollte eine luftdichte Hülle herstellen, um so einen mit Gas gefüllten Ballon in die Luft steigen zu lassen. Da aber seine Experimente mit Wasserstoff scheiterten, versuchten es nun die Brüder Montgolfier mit erhitzter Luft, wobei sie Wolle und Heu verbrannten. Irrtümlich meinten sie, dass der Rauch das eigentliche Auftriebsmittel sei, daher verblieben sie bei der Benutzung von stark qualmenden Brennmaterialien. Ihr Erfolg vom Juni 1783 verbreitete sich schnell in Frankreich: Die Montgolfiers hatten eine «aerostatische Maschine» erfunden.
Der Physiker Jacques Alexandre César Charles (1746-1823) griff die Idee der Brüder Montgolfier auf, schlug jedoch einen anderen Weg ein. Er benutzte zunächst einen dichteren Ballon aus Seide, den er von den Gebrüdern Robert herstellen ließ und füllte den Ballon statt mit Rauch mit Wasserstoffgas, da er zuvor den Zusammenhang der Volumenausdehnung von Gasen bei Erwärmung untersucht hatte. Sein «Globe» hatte seinen Jungfernflug am 27. August 1783. Dieser etwas kleinere Gasballon von vier Meter Durchmesser konnte immerhin eine Last von 23 Kilo tragen.
Die Welt von oben betrachten
Wozu sollte nun aber diese Erfindung dienen? Diese Frage stellte man sich bald. Und so dauerte es lediglich einen Monat, bis es zur ersten Montgolfière mit Passagieren kam. Am 19. September 1783 startete vom Schloss Versailles aus der erste «bemannte» Heißluftballon. Bei diesem Ereignis waren auch der König Ludwig XVI. und Königin Marie Antoinette anwesend. Es waren aber keine Menschen, die in die Luft aufstiegen, sondern ein Hammel, ein Hahn und eine Ente; es erinnerte eher an eine Flugshow der Bremer Stadtmusikanten. Die Fahrt dauerte lediglich zwölf Minuten, aber war der wissenschaftliche Beweis, dass eine Luftreise theoretisch auch für Menschen möglich war. Wieder einen Monat später, am 15. Oktober, stieg erstmals ein Mensch mit einem am Boden befestigten Montgolfière in die Lüfte. Es war der 29-jährige Physiker Jean-François Pilâtre de Rozier (1854-1885), der eine Höhe von 26 Metern erreichte. Er sollte dieses Experiment am 21. November gemeinsam mit Gardeoffizier François d’Arlandes wiederholen – dieses Mal ohne Bodenverankerung. Es war somit die erste Freiballonfahrt der Menschheitsgeschichte. Sie dauerte 25 Minuten über Paris. Pilâtre de Rozier schildert seine Erfahrung in der Schrift «Première expérience de la Montgolfière» im Jahr 1784. Er forschte weiter und entwickelte die nach ihm benannte «Rozière», die eine Kombination aus einem Wasserstoffballon und einem Heißluftballon darstellt. Tragischerweise erlitten Pilâtre de Rozier und sein Mitfahrer Pierre Romain auf einem Überquerungsversuch des Kanals von Frankreich in Richtung England am 15. Juni 1785 einen tödlichen Unfall: In einer Höhe von 900 Meter hatte sich der Wasserstoff seines Heißluft-Gas-Hybrid-Ballons entzündet und die Ballonhülle zerstört. So stürzte die Gondel ab und beide Ballonfahrer kamen ums Leben. Damit gingen sie als erste Todesopfer der Luftfahrt in die Geschichte ein.
Ballons und Papier
Neben ihrer Leidenschaft der Ballonfahrt, enwickelten die Brüder Montgolfier auch ein Verfahren zur Herstellung von Transparentpapier. Am Jahresbeginn gibt es in vielen Ländern – so auch in Chile – den Brauch, Papierballons aufsteigen zu lassen. So bleibt diese Verbindung von Papier und Heißluftballons sehr lebendig. Jacques-Étienne gründete später noch die erste Fachschule für Papiermacher. Es war somit dieser Sohn eines Papierfabrikanten, der mit seinem Bruder einen langen Traum der Menschheit verwirklichte: das Fliegen. Sie waren damit wahre Pioniere der Luftfahrt.
Bis heute werden weltweit Ballonfahrten und internationale Montgolfiaden durchgeführt. Auch in Chile werden solche Fahrten angeboten. Die Papierhersteller aus Frankreich läuteten mit ihrem Heißluftballon das Zeitalter der Luftfahrt ein. Heute entwickelt man sogar fliegende Autos, so dass das Fliegen in Zukunft wohl noch alltäglicher werden wird.