Von Thomas Bex
Marianne Niklitschek von der DS Valdivia setzte sich unter 16 Jugendlichen aus acht Ländern beim IV. Wettbewerb «Jugend debattiert» durch. Dieser fand vom 5. bis 8. November in deutscher Sprache an der Deutschen Schule Bogotá statt.
Wie würden Sie sich bei dieser Frage entscheiden: «Soll in der Schule das Fach ‘Ökologisches Verhalten’ als Pflichtfach eingeführt werden?» Vieles spricht für dieses Unterrichtsfach, ist der Schutz unserer Umwelt doch eine der zentralen Fragen unserer heutigen Zeit. Andererseits: Ist denn ein eigenes Schulfach überhaupt notwendig? Könnte man Klimaschutz nicht in Erdkunde oder Biologie integrieren? Und: Ist den Schülern beim ohnehin überfrachteten Stundenplan überhaupt ein weiteres Fach zuzumuten?
Das Thema eines Schulfaches «Ökologisches Verhalten» war eines der Debattenthemen des diesjährigen Südamerikawettbewerbs «Jugend debattiert» in Bogotá. Dabei geht es darum, wer von den vier jugendlichen Rednern, auch Debattanten genannt, die besseren Argumente hat und diese am überzeugendsten vermitteln kann. Die besondere Herausforderung dabei ist, dass die Jugendlichen zwar die Fragestellung kennen, jedoch bis kurz vor Beginn der Debatte nicht wissen, ob sie eine Pro- oder eine Contra-Argumentation entwickeln müssen.
«Jugend debattiert» in Südamerika besonders bedeutsam
Bereits zum vierten Mal trafen sich Jugendliche zu einem gemeinsamen Debattierturnier in deutscher Sprache. Begonnen hatte der Wettbewerb im Jahre 2016 in Santiago de Chile mit Teilnehmern aus Argentinien, Brasilien, Chile und Paraguay. 2017 nahm am Austragungsort São Paulo erstmals Peru am Südamerikawettbewerb teil, 2018 Bolivien, 2019 kamen Kolumbien und Costa Rica hinzu. Letztgenanntes Land gehört zwar nicht zu Südamerika, die Teilnahme von Costa Rica zeigt aber, dass in Mittelamerika das Interesse wächst, auch dort «Jugend debattiert» durchzuführen.
Verantwortlich für die Durchführung ist die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in Kooperation mit der Gemeinnützigen Hertie Stiftung. Die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitisch relevanten Themen zeigen gerade die derzeitigen Entwicklungen in mehreren Ländern Südamerikas, in denen die Bevölkerung vorrangig gegen die bestehende soziale Ungleichheit kämpft. Aufgrund von Demonstrationen, Straßensperrungen und zum Teil gewaltsamen Auseinandersetzungen in ihren Heimatländern, war es für die Teilnehmer aus Bolivien und Chile nur unter großen Schwierigkeiten möglich anzureisen.
Austragungsort des Wettbewerbs war die Deutsche Schule Bogotá, die sich bereits bei der Durchführung des Landeswettbewerbs in Kolumbien besonders engagiert hatte. Debattiert wurden in Bogotá an drei Tagen die Themen Führerscheinpflicht für Elektroroller, die Einführung des Schulfaches «Ökologisches Verhalten», die Forderung nach gleicher Bezahlung für Männer und Frauen im gleichen Beruf und der Schutz des Amazonas-Regenwaldes durch eine internationale Aufsicht.
«Förderung des friedlichen Zusammenlebens der Bürger»
Rafael Antonio Orduz Medina, ehemaliger Schüler der Andinenschule, in späteren Jahren Senator und kolumbianischer Vize-Bildungsminister, fand dazu folgende Worte: «Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile und Kolumbien befinden sich heute in schwierigen Zeiten. Es gibt starke politische Konfrontationen, Polarisierungen. Eine respektvolle und konstruktive Debatte ist eine Notwendigkeit. Initiativen wie ‘Jugend debattiert’ spielen eine zentrale Rolle bei der Achtung der Vielfältigkeit, für das Anhören anderer Meinungen und bei der Förderung des friedlichen Zusammenlebens der Bürger.»
Ähnliche Worte äußerte die Schulleiterin der Deutschen Schule Bogotá Susanne Preiss in ihrem Grußwort an die Anwesenden: «Wer debattiert, bezieht Position und muss Stellung nehmen. Er kann sich nicht heraushalten aus der Diskussion, er kann sich nicht gelassen zurücklehnen. Wer mit Phrasen um sich wirft, wer sich auf Behauptungen verlässt, die er nicht beweisen kann, der wird am Ende nicht als Sieger aus der Debatte hervorgehen.»
Ansgar Kemmann, Leiter von «Jugend debattiert» bei der Gemeinnützigen Hertie Stiftung, fügte in seiner kurzen Ansprache hinzu: «Der diesjährige Wettbewerb steht auch im Zeichen des 250. Geburtstags von Alexander von Humboldt. Von ihm stammt der Satz: Alles ist Wechselwirkung. Das gilt für die Natur, das gilt auch für Debatten. Sicher hätte ihn das Thema unserer Finaldebatte, der Schutz des Regenwaldes, besonders interessiert.» Die Siegerin, Marianne Niklitschek von der Deutschen Schule Valdivia in Chile, plädierte für eine internationale Aufsicht: «Der Schutz des Amazonas-Regenwaldes ist heutzutage sehr wichtig, viele Waldbrände sind in diesem Jahr passiert. Ich will die Umwelt schützen, aber gerade jetzt ist die Politik gefragt.» Besonders gut gefällt Marianne Niklitschek an Debatten, «dass jedes Thema immer verschiedene Standpunkte hat, es gibt nie eine abschließende Antwort, weil alles auch anders gesehen werden kann.»
Der Austragungsort des V. Südamerikawettbewerbes im kommenden Jahr steht mit Bue-nos Aires in Argentinien auch bereits fest – interessante Debattenthemen gibt es sicherlich schon jetzt genug.
Jugend debattiert in Südamerika
Der Wettbewerb wendet sich an Schüler, die Deutsch als Fremdsprache an Sprachdiplomschulen und Deutschen Auslandsschulen lernen. Vorbild ist das gleichnamige Programm zur sprachlich-politischer Bildung in Deutschland, das unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten steht. «Jugend debattiert» will Schüler ermutigen, in strittigen Fragen um das beste Argument zu ringen. Die Themen des Wettbewerbs führen die Schüler an Politik heran und motivieren sie zu demokratischem Handeln. Zugleich bietet das Debattieren kommunikativ orientierte Sprachförderung und Persönlichkeitsbildung. Das Internationale Finale «Jugend debattiert» in Südamerika ist das Turnier der besten zwei Teilnehmer aus derzeit acht Nationen. Die nationalen Wettbewerbe werden zwischen Juni und Oktober durchgeführt. Das Internationale Finale Südamerika fand erstmals 2016 in Santiago de Chile statt.