Brückenbauer zwischen Chile und Deutschland
Dr. Walter Eckel baute das Heidelberg Center Lateinamerika in Santiago ab 2001 auf und leitet es seitdem. Der Anglist und Romanist ist ein groβer Liebhaber der Poesie.
Von Silvia Kählert
Wenn Dr. Walter Eckel die Tür abschließt, dann merkt man, dass man hier den Hausherrn vor sich hat. Vorher schaut er noch mal in den Räumen der Villa in der Calle Las Hortensias 2340 nach dem Rechten, bevor er den Schlüssel umdreht. Ein Hausherr, der offensichtlich seinem Haus mit viel Liebe verbunden ist. Man könnte auch von einem Lebenswerk sprechen. Der Literaturwissenschaftler hat unterstützt von seiner chilenischen Frau Isabel Aliaga-Rosson das Heidelberg Center Lateinamerika (HCLA) mit viel persönlichem Engagement und Herzblut aufgebaut. Dies war die erste Ausgründung einer deutschen Universität in Lateinamerika und ist eines von inzwischen fünf Exzellenzzentren weltweit, die vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) mit Mitteln des Auswärtigen Amtes gefördert werden.
In die Wiege gelegt wurde ihm das Interesse an der Philologie sicher nicht. Sein Vater, der nach dem Zweiten Weltkrieg in der Nähe Heidelbergs einen Elektrobetrieb aufbaute, hätte gerne gesehen, dass er so wie seine beiden Brüder einen technischen Beruf ergreift. Als Kind war er zwar ein leidenschaftlicher Leser, aber unbeabsichtigt sorgte ausgerechnet sein Vater für ein Schlüsselerlebnis bei seiner geisteswissenschaftlichen Berufswahl. Da er als Kriegsgefangener in einer schottischen Familie gut aufgenommen worden war, fuhren die Eckels 1966 zu fünft nach Schottland: «Diese Reise als 13-Jähriger und sicher auch die englischsprachige Popmusik animierten mich dazu, gut Englisch zu lernen». So gut und gerne, dass er sich für ein Anglistikstudium mit dem Zweitfach Romanistik entschied. Letzteres Fach gewann in seinem Leben schließlich noch mehr an Bedeutung, denn: «Irgendwann lief mir eine junge Chilenin über den Weg.» Die beiden verliebten sich und zogen zusammen. Die langen Telefongespräche mit der Mutter in Chile waren teuer, hatten aber auch ihr Gutes: «So lernte ich Spanisch.» Und nicht nur das: Die Liebe zu seiner Frau Isabel Aliaga-Rosson war auch der Anfang der Liebe zu diesem Land, das er 1981 zum ersten Mal bereiste.
Nach einem sehr guten Staatsexamen an der Universität Heidelberg und einem Master of Arts in Vergleichender Literaturwissenschaft an der University of East Anglia im englischen Norwich war klar, dass der Anglist und Romanist in die Wissenschaft gehen wollte. Als das Studienkolleg der Universität Heidelberg anfragte, ob er dort als Dozent für Englisch und Deutsch als Fremdsprache ausländische Studierende unterrichten wollte, sah der junge Akademiker darin eine Chance, um im Wissenschaftsbetrieb Fuß zu fassen. Und es machte ihm Spaß: «Ich hatte die ganze Welt hier sitzen.»
Nebenbei promovierte Walter Eckel über den britisch-deutschen Lyriker und Übersetzer Michael Hamburger. Die Poesie ist sein groβes Steckenpferd. Gemeinsam mit Thomas Scheerer veröffentlichte er 1985 im Klett Verlag eine Anthologie mit 100 französischen Gedichten samt Zusatzband mit Interpretationen. «Damit haben dann einige Studierendengenerationen Zugang zur französischen Lyrik bekommen.» Bis heute übersetzt er den chilenischen Dichter Óscar Hahn und den Argentinier Juan Gelman und veröffentlichte drei Bände mit ihren Gedichten.
Als das Studienkolleg 1991 zum Internationalen Studienzentrum (ISZ) der Universität Heidelberg erweitert wurde, erhielt Walter Eckel den Posten des Stellvertretenden Direktors und sechs Jahre später wurde Eckel zum Direktor des ISZ ernannt. Im Jahre 2000 veröffentlichte der DAAD ein Programm zur Förderung des Exports von Studienangeboten deutscher Universitäten im Ausland, um deren Internationalisierung voranzutreiben. Aufgrund des großen Alumninetzes und der guten Beziehungen zur Universidad de Chile und der Universidad Católica, entschied man sich in Heidelberg zur Gründung eines kooperativen Postgraduiertenzentrums in Santiago de Chile. Das Land Baden-Württemberg sorgte für die Anschubfinanzierung.
Walter Eckel wurde im August 2001 zum Aufbau dieses Zentrums als Geschäftsführender Direktor nach Santiago entsandt. Seither ist das HCLA – auch dank der emsigen Marketingarbeit von Isabel Aliaga-Rosson – stetig gewachsen. Neben Weiterbildungsveranstaltungen waren es vor allem der Masterstudiengang in International Law und das Promotionskolleg in Psychotherapie, die dem HCLA hohes Ansehen eintrugen. Seit 2009 kamen die drei Masterstudiengänge Medizinische Physik, Medizinische Informatik und Geowissenschaften sowie das Promotionsprogramm im Fach Astronomie hinzu.
Dass Walter Eckel anscheinend doch von seinem Vater einige geschäftstüchtige Gene geerbt hat, zeigt der Ankauf zweier im Wert stark gestiegener Immobilien durch die Universität Heidelberg: 2007 das repräsentative Gebäude in der Calle Las Hortensias und 2011 das daneben liegende ehemalige Appartment-Haus, das unter Federführung seiner Frau zu einem geschmackvoll renovierten und eingerichteten Gästehaus des HCLA umgewandelt wurde.
In diesem Jahr ist dem Heidelberg Center wieder eine Förderung für weitere fünf Jahre zugesagt worden. Das ist sicherlich auch das Verdienst von Walter Eckel. Das sah auch die Deutsch-Chilenische Industrie- und Handelskammer so, die den 66-Jährigen für den Aufbau des renommierten Graduiertenzentrums im März dieses Jahres ehrte. Bereits 2009 hatte ihn der DCB mit der Philippi-Medaille ausgezeichnet. Außerdem verlieh ihm 2016 das Lehrerbildungsinstitut (LBI) in Santiago die Wilhelm-von-Humboldt-Medaille, da er unter anderem 2001 den Kontakt zwischen dem LBI und der Pädagogischen Hochschule Heidelberg hergestellt hatte.
«Inzwischen ist Chile meine zweite Heimat geworden», gibt er gerne zu. Sein Haus, das Heidelberg Center, hat Walter Eckel jedenfalls gut bestellt und er meint: «Ich kann ruhigen Gewissens meinem Nachfolger den Schlüssel überreichen.»