Von Peter Downes
Am 9. November 1938 begann der Naziterror für die jüdische Bevölkerung in Deutschland. In der Reichspogromnacht wurden Synagogen niedergebrannt, Fensterscheiben zerstört, Geschäfte verwüstet und Deutsche jüdischen Glaubens gehetzt und ermordet. Lichtblicke waren die Menschen, die ihr Leben aufs Spiel setzten, um Juden zu retten. Dazu gehörte Oskar Schindler.
Bekannt wurde Oskar Schindler durch den Spielfilm «Schindlers Liste» vom Produzenten und Regisseur Steven Spielberg aus dem Jahre 1993. 1200 Juden verdanken diesem deutschmährischen Unternehmer und dessen Frau Emilie Pelzl ihr Überleben des Holocaust. Am 9. Oktober 1974 verstarb er in Hildesheim – vor 45 Jahren – im Alter von 66 Jahren.
Der Unternehmer
Viel wurde noch in den letzten Jahren zu Oskar Schindler geschrieben. Doch von einem Helden der Zivilcourage war in seiner Jugend und während seiner Unternehmertätigkeit nichts zu ahnen. Gefälschte Schulnoten als 16-Jähriger, die zu einem Schulverweis führten, zeichneten ihn nicht sonderlich als moralisches Vorbild aus. Seine Erfahrungen und Kontakte als Agent in der Auslandsabwehr in Mährisch-Ostrau und Breslau in den Jahren zwischen 1935 und 1939, sollten ihm später nützlich werden. Er konnte nach Aufdeckung seiner Spionagetätigkeit lediglich überleben, da der Einfall Hitlers ins Sudentenland 1939 der Vollstreckung seines Landesverrats zuvorkam. Während des Krieges versuchte er sich in Krakau als Unternehmer einer Emailwarenfabrik, indem er Küchengeschirr für die Wehrmacht und den Schwarzmarkt herstellte. Neben den polnischen Gefangenen und Zwangsarbeitern, zog er bald immer mehr Juden als Arbeitskräfte vor, da diese besser arbeiteten und ihm kostengünstiger kamen. Der Unternehmer Schindler war zunächst am Gewinn orientiert und machte damit ein Vermögen. Er genoss sein Leben mit Feiern und Trinken und war Förderer des Fußballs und Sports. Im Verlauf des Krieges wurde seine Fabrik als kriegswichtige Industrie eingestuft, da neben den Emailwaren auch Munition hergestellt wurde.
Der Judenretter
Der Wandel zum Helfer der Juden hatte keine ideologischen Wurzeln, sondern erwuchs aus der Erfahrung der entsetzlichen Behandlung der jüdischen Bevölkerung im Krakauer Ghetto. Vom opportunistischen Unternehmer wurde er zu einem mitfühlenden und mitleidenden Mitmenschen, der nun bereit war, sein gesamtes Vermögen für die Rettung seiner jüdischen Mitarbeiter und deren Familien einzusetzen. Da seine Fabrik Granathülsen herstellte und staatlich begünstigt wurde, konnte Schindler durch seine Kontakte und durch Bestechung auch Häftlinge, die unter
SS-Kontrolle standen, anstellen. Er beschäftigte schließlich mehr Leute, als er benötigte. Mit seinen Arbeiterlisten war es ihm möglich, die Deportation seiner Arbeiter zu verhindern. Die Fälschung von Dokumenten wurde zur Methode, so dass er jüdische Akademiker und Kinder als qualifizierte Metallarbeiter ausgeben konnte. Es gelang ihm 1943 seine jüdischen Schützlinge in einem eigenen Lager unterzubringen und so vor der drohenden Deportierung in Vernichtungslager zu bewahren. Er nutze dafür alle seine Kontakte. Schindler wurde mehrfach von der Gestapo wegen Bestechung und Schwarzmarktgeschäfte verhört, aber es gelang ihm immer, der Gefahr zu entkommen.
Mit dem Vorrücken der Roten Armee musste Ende 1944 die Produktionsstätte verlagert werden. Schindler erlangte die Genehmigung in Brünnlitz (bei Zwittau in Mähren) seine «kriegswichtige Produktion» fortzuführen und damit auch seine jüdischen Mitarbeiter, 781 Männer und 297 Frauen, mitzunehmen – obwohl sie zunächst nach Auschwitz transportiert wurden, um dann wieder Schindler zugeteilt zu werden. Auf diese Weise überlebte die Gruppe den Zweiten Weltkrieg. Oskar Schindler begab sich am Ende des Krieges nach Deutschland.
Nach dem Krieg erfolglos
Alle Versuche, sich wieder eine Existenz aufzubauen – sei es eine Nutriafarm in Argentinien in den 50er Jahren, wieder in Westdeutschland als Handelsvertreter oder als Betonfabrikant – scheiterten am Ende. Als überlebende ehemalige jüdische Mitarbeiter, die mittlerweile in Israel lebten, von den beruflichen und finanziellen Schwierigkeiten Oskar Schindlers erfuhren, luden sie ihn nach Jerusalem ein. Fortan verbrachte er bis zu seinem Tod 1974 jedes Jahr die eine Hälfte des Jahres bei seinen geretteten jüdischen Freunden in Jerusalem und die andere Hälfte in einer Einzimmerwohnung in Frankfurt am Main. Auf seinen Wunsch hin wurde er auf dem Franziskanerfriedhof am Berg Zion in Jerusalem begraben.
Dem Gewissen gefolgt
Außer dem Unternehmer Oskar Schindler gab es auch andere Menschen, die in Deutschland Juden halfen. Es gab auch andere Unternehmer, die ähnlich handelten, aber seine Geschichte erlangte, nicht zuletzt durch den sehr packenden US-Spielfilm, besondere Bekanntheit und wurde so zum Symbol der Zivilcourage in der NS-Zeit. Angesichts der schrecklichen Rassenpolitik und Grausamkeiten des NS-Regimes fassten auch andere Deutsche den Mut, ihre jüdischen Mitmenschen zu schützen und vor ihrer Vernichtung zu bewahren. Das Gewissen ließ sie ihre Angst überwinden und unter Lebensgefahr den Mut aufbringen, Juden zu verstecken, sie zu versorgen und sie in Sicherheit zu bringen. Sie schauten nicht einfach weg, sondern erwiesen eine menschliche Standfestigkeit, die in solch dunklen Zeiten dem Gewissen zu folgen gebot.
Neuere Werke zu Oskar Schindler:
Zoe Lowery & Jeremy Roberts, Oskar Schindler, New York: The Rosen Publishing Group 2016.
Erika Rosenberg, Oskar Schindler. Seine unbekannten Helfer und Gegner, Münster: Lit Verlag 2015.