Visionärin für Natur und Tourismus
Von Silvia Kählert
Die Natur hat in Alexandra Petermanns Leben immer eine große Rolle gespielt. Als promovierte Ökonomin und nach einem Studium der Architektur sorgte sie mit ihrer Familie für ein nachhaltiges Konzept, das den privaten Naturschutzpark Huilo Huilo weltweit bekannt machte.
Die
Sensation war perfekt: Der Stiftung Huilo Huilo gelang es im August
zum zweiten Mal zwei vom Aussterben bedrohte Huemules wieder in die
freie Wildbahn zu entlassen. Die Andenhirsche waren seit dem Jahr
1980 in der Region De Los Ríos ausgestorben, bis die Stiftung 2005
zwei dieser Tiere unter geschützten Bedingungen aussetzte, die sich
jedes Jahr kontinuierlich vermehrten. Daraufhin wurde das Projekt
2017 in der Kategorie «Biodiversität und Fauna» mit dem Premio
Latinoamérica Verde ausgezeichnet.
Ivonne Reifschneider, Alexandras Mutter, hat die Stiftung gegründet, Alexandra Petermann ist Direktorin. «In meiner Kindheit haben wir in Lo Curro gelebt. Wir spielten immer möglichst viel draußen und die Familie ist an den Wochenenden auf den Manquehue Berg gestiegen sind», erinnert sich die schlanke Frau zurück. Auch in ihrem Haus in Vitacura lässt sie sich gerne in ihrem grünen Innenhof vor den Laubbäumen fotografieren.
Prägend für die Santiaguinerin waren vor allem ihre Eltern: Víctor Petermann und Ivonne Reifschneider. Ihr Vater ist Unternehmer. Bei der Wahl ihres Studiums zeigte sich, dass sie die Neigungen beider geerbt hat. Alexandra Petermann studierte Architektur wie ihre Mutter sowie Urbanismus (Städtebau) und Volkswirtschaftslehre.
Da sie als beste Schülerin ihrer Jahrgangsstufe die Deutsche Schule Santiago abschloss, bewilligte ihr der DAAD ein Promotions-Stipendium. Inzwischen war bereits ihr erstes Kind unterwegs. «Mein Mann und ich konnten zum Glück unsere Pläne miteinander vereinbaren: Er machte seinen MBA und ich schrieb meine Doktorarbeit über öffentliche Güter und das gut funktionierende Modell der dezentralisierten Schweiz an der Universität Freiburg.» Zurück in der Heimat trat sie ihre Stelle bei der «Cámara Chilena de Construcción» an, wo es um die Stadtentwicklung Santiagos ging. Parallel unterrichtete die Wissenschaftlerin an der Universidad Católica das gleiche Thema.
Als Víctor Petermann sich 1994 an einem Forstwirtschaftsunternehmen im 100.000 Hektar großen Gebiet in den patagonischen Anden in der Region Los Ríos beteiligte, sollte das auch für ihr Leben eine Wende bedeuten. «Eigentlich wollte mein Vater die daniederliegende Forstwirtschaft wieder zum Laufen bringen. Als dies aber nach zwei Jahren nicht gelang, war dies für unsere Familie und für die zwei Dörfer, Neltume und Puerto Fuy, katastrophal. Die Arbeitslosigkeit war sehr groβ und viele Leute mussten wegziehen.Ein neues Konzept war dringend nötig.» Ihrer Mutter war klar, dass die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt ideal waren, um hier ein Naturschutzgebiet zu gründen. Die große Herausforderung war: «Wie können wir diesen unglaublichen Wald mit den Bewohnern hier für die Zukunft schützen? Wir kamen auf eine nachhaltige ökonomische Alternative, nämlich den Tourismus. Doch niemand glaubte damals, dass Touristen zu diesem Ort kommen würden.» Der Plan ging dennoch auf: Inzwischen ist die Zahl der Touristen von 5.000 im Jahr 2005 auf rund 100.000 im Jahr 2018 gestiegen.
Das Reiseziel wurde so attraktiv für Touristen weltweit, dass viele Einwohner sich mit kleinen Unternehmen eine Existenz aufbauen konnten. Neben Restaurants und Geschäften bieten rund 50 Hostals und Cabaña-Anbieter 1.000 Betten neben den 400 Betten von Huilo Huilo an.
Da das Thema auch innerhalb der Familie viel diskutiert wurde, begann sich Alexandra Petermann selber immer mehr in das Projekt einzubringen. «Wichtig war mir, dass wir den Tourismus professionell aufziehen und die Leute, Wirtschafts- und Umweltbedingungen unter einen Hut bringen.» Herausgekommen sind die drei Säulen, die auch die Vision des Unternehmens bilden: «Menschen, Natur und Ökonomie – das heißt, die hier lebenden Menschen in die Entscheidungen miteinbeziehen, die einzigartige Natur schützen, und ein nachhaltiges Reiseziel gründen.» Als den Bewohnern der Bergdörfer Neltume und Puerto Fuy und den Behörden bewusst wurde, welchen wertvollen Schatz sie besaßen, zogen alle an einem Strang.
Seit 2008 ist Alexandra Petermann als Geschäftsführerin für die Anlage tätig – eine Aufgabe, in die sie erst hineinwachsen musste: «Man trägt eine große Verantwortung. Ich habe aber gelernt: Es verbessert sich nur etwas, wenn man aktiv wird – und dann macht man auch mal Fehler. Wichtig ist: Nicht davon frustrieren lassen, sondern daran zu wachsen. Aber das Wichtigste ist, dass die Familie zusammenhält und dafür waren mein Mann Andrés und meine Schwester Andrea sehr wichtig.»
Gemeinsam konnten sie viele Erfolge feiern: Huilo Huilo ging 2012 unter 1.600 Tourismus-Projekten in der Kategorie «Beste Initiative für Flora, Fauna und Einwohner» als Sieger hervor und wurde in London mit dem Responsible Tourism Award ausgezeichnet. Im selben Jahr wurde das Bioreservat mit dem Siegerprojekt der EcoTrophea 2012 als weltweit bestes umweltverträgliches und nachhaltiges Tourismusprojekt ausgezeichnet. 2015 erhielt Huilo Huilo den World Legacy Award als Visionär für nachhaltige Best Practices im Tourismus.
Heute ist Alexandra Petermann in Organisationen tätig, die Nachhaltigkeit und Schutz der Natur verfolgen. So auch als Direktorin von «Amigos de los Parques», welche die Organisation «Parques de la Patagonia» gegründet hat. Auf internationaler Ebene ist sie mit Huilo Huilo Teil von «The Long Run». Diese vom Deutschen Jochen Zeitz vor zehn Jahren gegründete Organisation bringt Projekte aus der ganzen Welt zusammen, welche die vier C – Comunity, Commerce, Conservation, Culture – als Grundlage haben.
Kraft tankt Alexandra Petermann bei ihrer sechsköpfigen Familie. Ihre vier Söhne gehen auf die Deutsche Schule. Nun schließt sich der Kreis für die engagierte Frau: Seit zwei Jahre ist sie Mitglied im Schulvorstand der Deutschen Schule Santiago.