Blu-Ray-Report
Von Walter Krumbach
Clint Eastwood ist ein seltener Fall von Filmschauspieler-Langlebigkeit. 1964 wurde er als Joe im Spaghettiwestern «Für eine Handvoll Dollar» über Nacht weltberühmt. Es folgten etliche Abenteuerfilme, in denen Eastwood den wortkargen Eigenbrötler zum Besten gab, dem ein Zigarrenstummel aus dem Mundwinkel hing, während er die Augen zusammenkniff, weil ihn der Rauch störte. Er spielte immer ein und dieselbe Figur, egal ob es sich um einen Krimi oder einen Western handelte, was seiner Anhängerschaft nicht langweilig wurde – übrigens eine typische Reaktion von Kinogängern, die nicht große Leistungen, aber dafür bestimmte Gestalten bewundern wollen, wie es zum Beispiel mit den Rollen von Stallone, Schwarzenegger und Cantinflas der Fall ist.
Als nun Eastwood ab den 1970er Jahren Regie führte, gewannen seine Figuren unversehens an Profil. In seinem letzten Film «The Mule», bei dem der 88-Jährige die Regie, die Produktion und die Hauptrolle übernahm (!), legt er ein staunenswertes Zeugnis von künstlerischer Reife an den Tag.
Eastwood verkörpert Earl Stone, einen Einzelgänger, der sein ganzes Leben Taglilien gezüchtet und dabei seine Familie vernachlässigt hat. Er steht nun, wo er fast 90 ist, vor dem Bankrott. Wie gerufen erhält er in dieser schwierigen Lage ein Angebot, mit seinem schrottreifen Lastauto eine Drogenladung zu befördern. Er erfüllt den Auftrag und kann sich mit dem Honorar nicht nur seiner Schulden entledigen, sondern außerdem ein neues Fahrzeug kaufen. Weitere Bestellungen folgen, die Warenmenge vergrößert sich bei jeder Fahrt und entsprechend wird die Bezahlung besser. Opa Earl ist ein zuverlässiger Fahrer, der Drogenboss Laton ist mit ihm durchaus zufrieden. Wenn da nicht die Polizei wäre…
Clint Eastwood liefert als Earl eine beeindruckende Charakterstudie. Seine Leistung wirkt auf die Kollegen ansteckend, sodass im Endergebnis, was als Abenteuerfilm und Roadmovie konzipiert war, streckenweise zum niveauvollen Psychodrama wird.
Das Bild der Blu-ray-Platte entspricht dem heutigen hohen Standard. Die Farbwiedergabe ist natürlich, stabil und scharf. Schon die Großaufnahmen der Tageslilien während des Vorspanns imponieren durch die erstaunliche Schönheit ihrer Gebilde und Farbkombinationen.
Eine Making-of-Dokumentation mit dem Titel «Nobody runs forever» ist beigefügt. Clint Eastwood berichtet, wie er bei der Ausarbeitung des Projekts auf die Handlung aufmerksam wurde, weil sie sich von sämtlichen Geschichten, mit denen er sich bis dahin befasst hatte, deutlich absetzte. Er beschreibt anschließend seine Rolle und wie er sie in Angriff nahm. Und dann kommt die Ernüchterung: Verschiedene Darsteller, Techniker und Produktionsmitarbeiter kommen zu Wort, um sich in Lobeshymnen über ihren berühmten Alt-Regisseur zu ergehen. Das hört sich riesig nett an, aber nach wenigen Minuten macht sich Langeweile breit, denn über die Dreharbeiten erfährt man herzlich wenig.
So enttäuschend der Making-of ausfällt, so ansprechend gestaltet sich jedoch der Langspielfilm. Er ist daher jedem Liebhaber des gehobenen Unterhaltungskinos zu empfehlen.
«The Mule», USA 2018. Regie: Clint Eastwood. Produktion: Clint Eastwood u.a. Drehbuch: Nick Schenk. Musik: Arturo Sandoval. Kamera: Yves Bélanger. Schnitt: Joel Cox. Mit: Clint Eastwood, Bradley Cooper, Michael Peña, Taissa Farmiga, Laurence Fishburne, Dianne Wiest, Alison Eastwood u. a. Spieldauer: 116 Min.
Bild ****
Ton **
Darbietung ****
Extras **