Unser Leben ist wie das eines Autoreifens, oder?
Liebe Cóndor-Leser,
wenn man es einmal genau überdenkt, dann gleicht das Leben doch einem Autoreifen. Zu Beginn rollen wir frisch aus dem Werk, betriebsbereit und gespannt auf das, was vor uns liegt. Und so sausen wir dahin – einige von uns bleiben immer auf der Spur, andere schlagen neue Wege ein, einige geraten auf die schiefe Bahn, drehen durch, schlendern umher oder leben ständig auf Pump. Life is a highway.
Doch am Ende ist unweigerlich das Profil abgenutzt, wir fühlen uns müde und ausgeleiert. Die Luft ist raus. Schließlich werden wir vom Leben abgezogen.
120 Autoreifen neben Gräbern
Insofern war es nur logisch und konsequent, was vor Kurzem auf dem Öjendorfer Friedhof in Hamburg geschah. Ein Unbekannter hatte nachts 120 Autoreifen auf dem Totenacker entsorgt. «Was für eine pietätlose Umwelt-Sauerei!», empörte sich die Bild-Zeitung. «Umwelt-Sauerei», das war korrekt. Aber pietätlos? Immerhin wollten der oder die Täter den Reifen nach einem abreibenden Leben mit vielen Umdrehungen eine definitive Ruhestätte gönnen. Letzte Ausfahrt – Friedhof.
Besser wäre es allerdings gewesen, die ausrangierten Gummigürtel auf einem der staatlichen Recyclinghöfe zu beerdigen. Das kostet pro Stück nur drei Euro und ist damit allemal günstiger als ein drohendes Bußgeld von 200 Euro pro Reifen, weil der Trauernde natürlich gegen das Abfallrecht verstoßen hat. Und wer weiß: Bei fachgerechter Wiederverwertung hätte es für die Autoreifen ein Leben nach dem Straßenende gegeben. Ich bin sicher, darauf wären sie total abgefahren.