Maximilien de Robespierre
Wenn man Robespierre hört, denkt man sofort an die Gran Terreur (die Schreckensherrschaft) der Französischen Revolution zwischen 1793 und 1794, in denen Maximilien de Robespierre als die Verkörperung des unbestechlichen und ehrlichen Revolutionärs den Kopf der Regierung bildete und schließlich selbst von seinen Gegnern vor 225 Jahren, am 28. Juli 1794, hingerichtet wurde.
Das Bild, dass man sich von einer Person macht, hängt hauptsächlich von der Sichtweise des Betrachters ab. Es ist fast immer subjektiv geprägt, durch Vorurteile, Rechtfertigungen des eigenen Standpunktes, von der Sicht der Sieger über den Besiegten oder aber von einer Verherrlichung und Idealisierung von Bewunderern und Anhängern bestimmt.
Mittlerweile sind aber die Historiker hellhöriger geworden, wenn einer historischen Persönlichkeit ein überaus negativer Ruf anhängig ist. So muss man immer auch fragen, wer denn dieses Bild erstellte oder welche Ereignisse, einen so negativen Nachklang erzeugten. Dennoch darf man nicht gleichsam eine Verklärung der Person oder Geschichte anstreben, sondern muss die historischen Umstände und die tatsächlichen Handlungen und Ereignisse erschließen und bewerten.
Robespierres Leben ist von vielen Gegensätzen geprägt: mal wurde er als Held der Nation gefeiert, dann aber oft kritisiert und marginalisiert, ein anderes Mal als der «letzte Revolutionär» an die Macht befördert, um kurz darauf von seinen eigenen Revolutionsbrüdern geopfert zu werden. Wer aber war Robespierre tatsächlich?
Die Tugendhaftigkeit als Erbe eines Kindheitstraumas
Maximilien François Marie Isidore de Robespierre wurde am 6. Mai 1758 in Arras (Artois, Nordfrankreich) als erstes Kind des Advokaten Maximilien Barthélémy François de Robespierre (1732-1777) geboren. Nach ihm kamen Charlotte (1760-1834), Henriette (1761-1780) und Augustin (1764-1794) auf die Welt.
Die Mutter Jacqueline Margarethe Carrault stammte aus wohlhabenden bäuerlichen Verhältnissen. Sie starb im Kindbett des fünften todgeborenen Kindes, im Jahre 1764. Maximilien war damals sechs Jahre alt, als die Familientragödie ihren Lauf nahm. Seinem Vater wurde von der Familie mütterlicherseits nun der Vorwurf gemacht, keine Rücksicht auf deren Gesundheit genommen zu haben und mit den Schwangerschaften schließlich ihren Tod verursacht zu haben. So verließ der Vater kurzerhand Arras und begab sich ins Ausland, wo er dann 1777 in München starb.
Der frühe Tod der Mutter und die «Flucht» des Vaters, führte zu einem traumatischen Erlebnis. Als ältester Sohn übernahm Maximilien nun bereits die Rolle des Vaterersatzes. Er musste somit Beispiel für seine Geschwister und tugendhaft sein. Er wurde ein Idealist und entwickelte sich zu einem Musterschüler am Collège von Arras. Durch seine herausragenden Leistungen finanzierte der Bischof von Arras ihm das humanistische und juristische Studium am renommierten Collège Louis le Grand in Paris (von 1769 bis 1781).
Wie in seiner Schulzeit, widmete er sich auch während seines Studiums ganz dem Lernen und war 1772 und 1774 als Klassenbester ausgezeichnet und 1775 als bester Schüler der Universität sogar ausgewählt, die Begrüßungsrede beim Besuch des Königs Ludwig XVI. zu halten.
Er blieb jedoch ein Einzelgänger. Seine Ferien verbrachte er bei seinen Geschwistern in Arras, wo er seine Rolle als Familienoberhaupt einnahm. Sein Examen als Advokat (Anwalt) legte er 1780 ab und im folgenden Jahr erlangte er das Lizenziat. Sein großes Vorbild wurde für ihn der Philosoph Jean-Jacques Rousseau, dessen Werke (Gesellschaftsvertrag, Bekenntnisse und Emile) er sehr schätzte und den er noch in dessen Sterbejahr 1778 besuchen konnte.
Auf der Suche nach dem Ich
Nach dem Abschluss des Studiums zog es den jungen Anwalt wieder in die Heimat nach Arras. Seine ersten Fälle, die er bekam, verliefen nicht immer erfolgreich. Den Durchbrach bracht ihm dann aber ein Rechtsfall im Jahre 1783, in dem er mit wissenschaftlicher präziser Argumentation einen Mann verteidigte, der einen Blitzableiter an sein Haus errichtet hatte und der nun eine Klage wegen allgemeiner Gefährdung entgegnen musste. Robespierre stellte seinen Klienten als Förderer der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse heraus. Hier erwies sich die rationelle und rhetorische Gewandtheit des jungen Anwalts.
Nur wenige Monate nach diesem Fall wurde er zum Richter des bischöflichen Patrimonialgerichts ernannt. Er hätte nun ein gesichertes Auskommen gehabt und sich an ein bürgerliches Leben anpassen können. Doch als ihn ein Gerichtsfall zukam, in dem er einen Verbrecher zum Tode verurteilen sollte, kam er in Gewissenskonflikte. Eine Todesstrafe wollte und konnte er nicht verhängen, daher legte er sein Amt nieder. Er musste zu sich selbst finden und sich selbst treu bleiben. Diese Orientierung an die Aufrichtigkeit und des Sich-Selbstseins werden ihn das ganze Leben kennzeichnen.
Er widmet sich nach seiner Aufnahme in die Akademie von Arras (1783) politischen Themen in Flugschriften und Pamphleten, in denen er sich gegen die Privilegien des Adels und der Geistlichkeit ausspricht. Auch die Rechte unehelich geborener Kinder und die allgemeinen Menschenrechte und Rechte von Frauen liegen ihm am Herzen. Seine eigene prekäre familiäre Situation scheint in ihm langfristig eine Sensibilität für Armen und Bedürftige gezeugt zu haben, denn als Anwalt der Armen wird er als Revolutionär Karriere machen.
Der unbestechliche Politiker in revolutionären Zeiten
Frankreich durchlebte seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine starke Finanzkrise, eine Getreideknappheit, die zu starken inflationären Preisen und Hungersnöten vor allem auf dem Land führten. Reformen waren nötig in vielen Bereichen. Staatstheoretiker wie Voltaire und Rousseau hatten schon Kritik und politische Ideen geliefert, nun mussten aber grundlegende Veränderungen in der Gesellschaft, im Steuersystem und der Verfassung vorgenommen werden, um der Krise Herr zu werden.
Robespierre wollte in die Politik gehen, dazu musste er sich in Arras Kontakte herstellen und sich einen Namen schaffen, um als Delegierter des Dritten Standes für seine Heimatstadt Arras zu der Versammlung der Generalstände – diese waren zuletzt 1614 einberufen worden – gewählt zu werden. Ziele der Generalversammlung der Stände am 5. Mai 1789 waren eigentlich nur die Lösung des Steuerproblems des Staates, aus ihr erwuchs aber dann der Beginn der Französischen Revolution, der Anfang eines grundlegenden Wandels in Europa.
Der 31-jährige Anwalt Robespierre wollte die Staatstheorie seines verehrten Philosophen Rousseau in der gesellschaftlichen Umgestaltung Frankreichs einbringen. Die Ereignisse nahmen schnell einen anderen Verlauf. Der Dritte Stand (die Vertreter der steuerzahlenden Bürger und Bauern) erklärte sich am 17. Juni 1789 zur Nationalversammlung. Durch den Beitritt von Vertretern des Klerus und des Adels konsolidierte sich diese politische Instanz. Gemeinsam schafften nun diese Vertreter des Volkes die Privilegien der Priester und Adligen ab. Damit war die Revolution geboren.
Robespierre verschaffte sich Zugang zum Club Breton, wo das Lokal der Debatten von Delegierten vorwiegend aus der Bretagne in der Zeit der Generalversammlung in Versailles, die dann mit der Verlegung nach Paris im Dominikanerkloster Saint-Jacques sich Club der Jakobiner nannte. Hier und in der Nationalversammlung trat Robespierre nun mit radikalen Forderungen auf, die aber zunächst kaum Gehör erhielten oder von der gemäßigten Mehrheit abgelehnt wurden.
Er forderte die Pressefreiheit, die Abschaffung von Sklaverei in den Kolonien, Aufhebung der Todesstrafe, Abschaffung des Zölibats und der Privilegien des Klerus. Zudem lehnte er das im Verfassungsentwurf von 1791 vorgesehene aufschiebende Veto-Recht des Königs ab und forderte das allgemeine Wahlreicht für alle Männer – unabhängig davon, ob sie einen Silbertaler an Steuern zahlen konnten oder nicht. Er vertrat Prinzipien und verstand sein Mandat als Delegierter allein im Interesse des Gemeinwohls.
Als «unbestechlicher» Politiker definierte er sich selbst und betonte es immer wieder gegen die Verräter des Volkes und die Korrupten. Die Volksvertreter müssten nach «der Tugend und der Begabung» gewählt werden, und schließlich forderte er eine Beschränkung der Amtszeit. Er wollte, dass man ohne Furcht und Störungen seine Meinung in den Versammlungen darlegen konnte. Das Geschrei hatte ihn oft sprachlos gemacht. Mehrfach wartete er bei seinen Reden auf einen angemessenen Lärmpegel, der dann aber nicht eintrat, so dass seine Rede abgebrochen oder nicht vernommen wurde. Wäre nicht die Revolutionspresse gewesen, so wären wohl viele seiner Reden im Lärm der Versammlungen verhallt.
Mit der Zeit gelang es ihm dann, vor allem im Club der Jakobiner, eine Anhängerschaft zu erlangen. 1790 wurde er dann sogar Präsident des Clubs und gleichzeitig stellvertretender Sekretär der Nationalversammlung. Erlangte er so erste bedeutende Erfolge, nahmen nun auch die Zahl seiner Gegner zu. Die anderen beiden Delegierten aus Arras verbreiteten negative Nachrichten in seiner Heimat, so kam ihm die Berufung als Richter am Distriktgerichte von Versailles zunächst entgegen, da er dadurch nicht von seinen Wählern in Arras abhängig war.
Trotz seinen radikalen Positionen war Robespierre bis 1791 noch ein Verteidiger der konstitutionellen Monarchie. Allerdings sollte nicht der König, sondern die Nationalvertreter über Krieg und Frieden entscheiden dürfen, denn von ihnen erwartete er, dass sie das Wohl des Volkes im Blick behielten. Der Fluchtversuch des Königs im Juni 1791 schaffte aber eine neue Situation. Die Rückführung des Königs nach Paris brachte keine grundlegende Verbesserung der Spannungen, da der König weiterhin sich bemühte, andere Königreiche zur Hilfe gegen die Revolution zu rufen. Girondisten (Delegierte aus dem Süden Frankreichs) und Jakobiner nahmen nun eine anti-monarchische Haltung ein.
Robespierre wurde im selben Monat zum öffentlichen Ankläger am Kriminalgericht von Paris gewählt, was er jedoch zunächst selbst nicht wusste. Als er am Ende des Jahres sein Mandat als Abgeordneter der Nationalversammlung beendete – sein Vorschlag der Begrenzung der Amtszeiten von Abgeordneten hatte sich inzwischen durchgesetzt – war er bis zum April 1792 im besagten Amt des öffentlichen Anklägers. Er wollte seinen Ruf als «der Unbestechliche» gewahrt sehen, daher mochte er kein Amt besetzten, dass den Verdacht der Vorteilnahme vermuten ließe.
Die Absetzung des Königs am 10. August 1792 durch die Nationalversammlung bildete eine neue Eskalation in der Revolution. Robespierre wurde nun Mitglied der Kommune von Paris. Im Herbst bestand akute Kriegsgefahr: preußische und österreichische Truppen marschierten gegen Frankreich. Die Pariser Bürger sahen sich zudem von den Anhängern des Königs bedroht. Es kam nun zu einem Blutbad unter den Königstreuen, die in den Gefängnissen saßen. Mehr als tausend Opfer waren bei diesem Septembermassaker zu beklagen. Robespierre wurde jetzt Mitglied der neuen Volksvertretung, des Nationalkonvents. Ludwig XVI. wurde des Hochverrats angeklagt. Danton und Girondisten wollten den König noch verteidigen, doch Robespierre und Louis Antoine de Saint-Just forderten seine Hinrichtung, um die Revolution zu retten. Ludwig wurde schließlich am 21. Januar 1793 durch die Guillotine enthauptet.
Vom Wohlfahrtausschuss zur Schreckensherrschaft
Eine neue Aufgabe kam Robespierre zu, als er am 27. Juli 1793 zum Mitglied des zwölfköpfigen Wohlfahrtsausschusses berufen wurde. Er wurde damit zum Verteidiger der Revolution und zum «Blutrichter» gegen die Feinde des Volkes. Robespierre verstand sich als Gesetzeshüter, legitimer Vertreter der Revolution und daher ging er gegen alle Bewegungen vor, die sich nun dem politischen Vakuum nach der Enthauptung des Königs mit eigenen Ideen, politischen und sozialen Interessen auftraten.
Opfer wurden nun der Priester Jacques Roux und seine Anhänger, die als Enragés (die «Wüteriche») verfolgt wurden, wie auch die sogenannten Hébertisten, denen die Septembermorde des Jahres 1792 zur Last gelegt wurden. Aber auch politische Größen wie Danton fanden den Tod. Als Verschwörer, die mithilfe des Auslands die Monarchie wiedererrichten wollten, starben sie unter der Guillotine.
Robespierre wurde nun ein Fanatiker, der sich selbst als höchste moralischen Instanz sah, ein Richter, der um alles in der Welt die Revolution bewahren musste. Jetzt war für ihn die Todesstrafe kein Tabu mehr. Die Köpfe rollten unter der Guillotine. Im April 1793 ordnete der Wohlfahrtsausschuss 258 Hinrichtungen an. Im Juni 1794 fanden 688 Hinrichtungen statt. Diese erfolgten, ohne dass den Angeklagten Rechtsbeistand zukam, und bereits, wenn ein einziges Konventsmitglied Anklage erhob.
Was ist aus dem strebsamen und gerechtigkeitsbewussten Anwalt aus Arras geworden? Robespierre wurde immer radikaler und setzte sich über seine engsten Vertrauten Georges Auguste Couthon und Saint-Just einfach hinweg. Der Überrichter Robespierre stellte seine Interpretation des Gemeinwohls und Gemeinwillens als höchsten Ausdruck des Rechts, er erkannte nur noch seine eigene Wahrheit an, daher verlor er schließlich den Rückhalt im Konvent.
Sein ganzes Leben war Maximilien de Robespierre darauf vorbereitet auch zu scheitern, oder besser gesagt, Opfer seiner Feinde zu werden. Niemals aber würde er seine Überzeugungen aufgeben, dafür würde er sterben und zugleich Unsterblichkeit erlangen, wenn denn die Nachwelt erkennen würde, dass er sein ganzes Leben sich um das Recht bemühte und gleichzeitig nach Anerkennung strebte. Die Terrorherrschaft war demnach ein notwendiges Übel, um das Volk auf den Gesellschaftsvertrag Rousseaus – seines verehrten Mentors – vorzubereiten, sozusagen ein Erziehungsmittel, eine Pädagogik der Angst. Der Tugend sollte mit dem Terror der Durchbruch geschaffen werden. Die Vernunft wurde nun zum Kult des höchsten Wesens.
Da der Terror als eine «Säuberung» gegen die Opposition missbraucht wurde und nun jeder Opfer – auch die Konventsmitglieder – werden konnte, musste man Robespierre stoppen. Im Konvent beschloss man einstimmig den Terror zu beenden. Am 28. Juli 1794 wurde er mit 32 seiner Anhänger ohne vorherigen Prozess enthauptet. Die Revolution entledigte sich so ihrer eigenen Kinder (Vordenker). Weitere 83 Anhänger fanden in den darauffolgenden Tagen den Tod durch die Guillotine.
Tugend, Gerechtigkeit und Unbestechlichkeit bildeten die Grundprinzipien des Handelns von Robespierre, was ihm aber fehlte, war die Kompromissbereitschaft und die Flexibilität angesichts der Realität. Seine dogmatische Haltung führte ihn zu einem Fanatismus, an dem er schließlich selbst Zugrunde ging.
Literatur-Empfehlungen
Max Gallo, Robespierre. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Daniel Schönflug und Peter Schöttler, Stuttgart: Kett-Cotta 2007.
Uwe Schultz, Der König und sein Richter. Ludwig XVI. und Robespierre. Eine Doppelbiographie, München: Beck 2012.