Noch dunklere Zeiten
Die erste deutsche Netflix-Produktion «Dark» war 2017 ein voller Erfolg. Am 21. Juni startete nun die zweite Staffel der Serie. Wie es der Titel verspricht, dringt die Serie wieder beängstigend tief in die dunklen Geheimnisse einer Stadt, ihrer Bewohner sowie deren Vergangenheit – und Zukunft – ein.

Die Serie lebt, wie so oft bei Netflix-Produktionen, von einem Plot, der seine Spannung zu einem Großteil aus Enthüllungen bezieht. Daher zur Handlung nur so viel: In der fiktiven deutschen Kleinstadt Winden werden vier Familien, nachdem Jugendliche beginnen unter mysteriösen Umständen zu verschwinden, in ein gefährliches Spiel verstrickt, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft durcheinanderwirft. Der Jugendliche Jonas scheint dabei eine Schlüsselrolle zu spielen, muss sich aber darüber klar werden, auf wessen Seite er steht.
Die Qualität von Set Design, Kostümen, Sound und des beeindruckenden Ensembles bleibt erstaunlich hoch. Unter den jungen Schauspielern sticht Louis Hofmann als Protagonist wieder hervor. Als emotionaler Anker fungiert Karoline Eichhorn, deren Kommissarin Charlotte Doppler versucht ihrer Vergangenheit auf die Spur zu kommen, während sie an der Gegenwart verzweifelt. Julika Jenkins füllt derweil ihre schwierige und ambivalente Rolle als AKW-Chefin Claudia Tiedemann in einem Spagat aus Familie, Arbeit und Zeitreisen-Verschwörung mit einer solchen Intensität aus, dass ihr Erzählstrang den Unterhaltungscharakter der Serie während des sich etwas ziehenden letzten Drittels aufrechterhält.
Vor anderen Netflix-Kreationen muss sich «Dark» nicht verstecken und auch den Vergleich mit Blockbustern, wie dem Serienhit «Stranger Things», dessen dritte Staffel erst vor einigen Tagen angelaufen ist, nicht scheuen. Was den besonderen Reiz der Produktion aber ausmacht, ist die Ernsthaftigkeit, mit der die Zeitreise-Thematik behandelt wird. Anstelle eines effekthascherischen Science-Fiction-Szenarios werden deren philosophische und vor allem zwischenmenschliche Implikationen ausgelotet. Besonders spannend zu beobachten ist, wie die Kategorien Gut und Böse immer wieder thematisiert und relativiert werden, was man als Kommentar auf die amerikanischen Produktionen des Streaming-Anbieters lesen kann, welche immer noch meist einer traditionellen Hollywood-Dramaturgie folgen. Dennoch kann man auch «Dark» ein nicht zu unterschätzendes Suchtpotential absprechen.
In den letzten Folgen, bevor das große Finale ansteht, welches wie bei der ersten Staffel einige rauchende Köpfe zurücklassen sollte, verliert die Handlung aber etwas an Dynamik und das ausladende, über vier Zeiträume verteilte Figurenensemble droht unübersichtlich zu werden. Eine Serie zum nebenbei Schauen ist «Dark» auf jeden Fall nicht.
Andererseits lohnt es sich dranzubleiben, gerade wenn man bedenkt, dass die im nächsten Jahr anlaufende dritte Staffel, auch die letzte der Serie sein soll. Ob es dem Team um Showrunner Baran bo Odar gelingen wird, die Serie befriedigend zu Ende zu bringen, dürfte dabei die brennendste Frage sein. Nimmt man die Qualität der bisherigen Staffeln als Indikator, sollte dem allerdings nichts im Weg stehen.