Chalen, Ropen und Cocinieren
Liebe Cóndor-Leser,
den schwer auszusprechenden Straßennamen Irarrázaval nannte ich spaßeshalber «Irrer Wasserfall», was ja dem spanischen Sprachklang sehr nahe kommt. Der Mensch muss sich eben zu helfen wissen.
Seit drei Monaten wohne ich nun wieder in meiner alten Heimat Hamburg. Und auch unsere Söhne Kai (10) und Aike (8) haben aus der Not eine Tugend gemacht. Fällt ihnen ein Wort auf Deutsch gerade einmal nicht ein, so wird der spanische Begriff dem deutschen Ohr einfach angepasst. Gnadenlos.
«Zieh deine Hausschuhe an!», ermahne ich Aike. Doch der fragt nur, wo denn seine Chalen (chalas) seien. Auch Pantuflen (pantuflas) haben die beiden schon gesucht. Das Gleiche gilt für Kleidung allgemein, aus der nun Ropen (ropa) wird oder eben der Pijamen (Pijama/Schlafanzug). Die süßen Eichhörnchen im Garten haben lange Orejen (orejas/orejas). Und wir stehen dann am Fenster vor der Estufen (estufa/Heizung), um die Tiere zu beobachten.
Die Beugung auf -en wird konsequent durchgeführt, denn dann klingt es ja irgendwie deutsch. «Was werden wir heute cocinieren?», lautet die Frage bezogen auf meinen Küchenplan. Nach einer Dusche muss sich Aike erst einmal sequen (secar/trocknen). Und abends fragen mich die beiden, ob ich sie im Bett vor dem Schlafen noch ein wenig acompañieren (acompañar/begleiten) kann. «Klar chicos!», sage ich dann – denn das Wort Jungs kommt mir nicht so leicht über die Lippen.
Erstaunlicherweise treffen einige stilistische Stilblüten genau ins Schwarze. So fragte mich Aike auf dem Schiff in Richtung Nordseeinsel Helgoland, wohin wir navigieren (navegar) würden. Ich wollte ihn schon verbessern, es müsste korrekterweise fahren heißen, denn diese komische Wortschöpfung navigieren existiere nicht im Deutschen. Ich besann mich eines Besseren. Und auch als Aike seine Gafen (gafas/Sonnenbrille) suchte, lag er unbewusst ganz nahe beim Verb gaffen, was mit weit geöffneten Augen zu blicken meint.
Das seltsame Deutsch-Chilenisch ist übrigens voll und ganz nachvollziehbar: Der Schulranzen bleibt bei den beiden Ranzen, denn das Wort endet auf -en. Der Rucksack scheint dagegen kulturell unüberbrückbare Schwierigkeiten zu verursachen, also nimmt man lieber den mochila und macht daraus Mochilen.
Alles verstanden? Also, olvídensen
Von Arne Dettmann