250 Jahre nach seiner Geburt ist Alexander von Humboldt aufgrund seiner globalen Vision und Vielseitigkeit interessant für die Wissenschaft. Der Deutsche Akademische Austauschdienst DAAD veranstaltete dazu am 31. Mai ein Alumni-Treffen im Heidelberg Center in Santiago.
Als Experten zu dem Thema «Grenzüberschreitende Dialoge: Die Amerika-Reise von Alexander von Humboldt» waren die deutsche Anthropologin und Soziologin Dr. Sandra Rebok und der chilenische ex-DAAD- und Humboldt-Stipendiat Dr. Carlos Sanhueza ins Heidelberg Center eingeladen. Der Cóndor sprach mit Sandra Rebok, die zudem in der vergangenen Woche in Valparaíso die spanische Übersetzung eines Buch über Humboldt und Jefferson präsentierte.
Cóndor: Sie haben zahlreiche Veröffentlichungen über Alexander von Humboldt herausgegeben. Was macht ihn so interessant für Sie?
Sandra Rebok: Humboldt stand mit den wichtigsten Personen seiner Zeit im Austausch und hatte zudem die Gelegenheit, verschiedene Gegenden unserer Welt sowie unterschiedliche politische Systeme kennenzulernen, von den europäischen Monarchien über die Kolonialgesellschaften in der Neuen Welt bis hin zu den jungen Vereinigten Staaten und dem zaristischen Russland. Durch ihn erhalten wir nicht nur Informationen über den damaligen Stand der Wissenschaften, sondern auch einen aufschlussreichen Einblick in seine Zeit. Wir lernen Interessantes über die sozialen und politschen Herausforderungen, vor denen Europa damals stand, sowie über das Leben im kolonialen Amerika. In seinen Schriften finden sich neben den Fakten auch viele inspirierende Gedanken, sowie Visionen und Werte, die einen zeitlosen Charakter haben. Zudem zeichnet sich seine Wissenschaft auch durch ihre soziale Verantwortung und ihre humane Sichtweise aus, die stets das Wohl der Menschen im Blick hatte. Auch das macht ihn sehr sympathisch für unsere Zeit.
Was sollten sich Wissenschaft und Forschung heute von ihm abgucken?
Humboldts wissenschaftliche Methode war durch eine vergleichende Sichtweise geprägt, in der er ständig Bezüge zwischen verschiedenen geographischen Regionen und zwischen Wissen aus unterschiedlichen Wissensbereichen oder zeitlichen Kontexten herstellte. In verschiedener Hinsichten war er seiner Zeit voraus und geriet daher in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etwas in Vergessenheit, als sich mit Darwin ein neues Naturverständnis durchsetzen konnte. Heutzutage jedoch ist die Zeit reif für seine Postulate, Humboldtsche Wissenschaft erhält wieder eine große Aufmerksamheit, da wir uns der Aktualität seines Denkens bewusst werden. Humboldt dachte holistisch und in globalen Zusammenhängen, er hat schon zu seiner Zeit die Wichtigkeit des transdisziplinären Forschens in internationaler Kooperation erkannt, wenn auch die Begriffe als solche noch nicht existierten. Auch seine Forderung, dass Wissen frei zugänglich sein sollte, ist eine Idee, die wir heute unter dem Begriff ‘Open Access’ in der Wissenschaft verfolgen.
Wozu benötigen wir eine fächerübergreifende und international vernetzte Forschung?
Die Wissenschaft heutzutage benötigt die Kenntnis und das Wissen aus verschiedenen Disziplinen, dass wir die Herausforderungen unserer Zeit nicht aus einer Perspektive heraus angehen können. Die Differenzierung der Wissenschaften in einzelne Fachdisziplinen im 19. Jahrhundert war und ist immer noch sinvoll, um bestimmte Fragestellungen vertiefen zu können, aber nicht um uns den großen Aufgaben unserer Zeit zu stellen. Gerade in der Klimaforschung beispielsweise, wird deutlich, dass die Erde als ein komplexes System wahrgenommen werden muss und daher ein globaler und holistischer Ansatz für das Herangehen an dieses Thema notwendig ist.
Dasselbe Anliegen lässt sich auch auf die Forderung nach der Internationalisierung der Wissenschaft übertragen. Auch hier geht es darum, vorhandenes Wissen zu synthetisieren, verschiedene Wissensbestände miteinander in Bezug zu bringen und unterschiedliche Perspektiven miteinander zu verbinden. Diese Fähigkeit des Verbindens von Wissen über alle Grenzen hinweg, sowohl mit einem Blick in die Vergangenheit als auch in die Zukunft, das ist es was sein Denken auszeichnet. Das ist es auch, was jetzt verstärkt in der Wissenschaft gefordert wird, beispielsweise in von der EU geförderten Projekten, die die Vernetzung von internationalen Forschergruppen zum Ziel haben.