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Diskussion um Nahrungsmittel-Kennzeichnung in Deutschland

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Kreise, Sterne, Ampelfarben

Auf einer Packung Joghurt ist der sogenannte «Nutri-Score» zu sehen. Die Verbraucherorganisation Foodwatch fordert eine rasche Entscheidung für ein neues farbliches Nährwert-Logo für Fertigprodukte. Foto: dpa

In welchem Müsli sind weniger «Dickmacher»? Welcher Joghurt hat mehr Zucker? Supermarktkunden sollen das leichter auf der Packung sehen können – am besten auf einen Blick. Gibt es geeignete Vorbilder?

Berlin (dpa) – Eine «Nährwertampel» mit Rot, Gelb und Grün, schwarze Warnsymbole oder ein Siegel mit Sternen: Damit Verbraucher einfacher erkennen können, ob viel Zucker, Fett oder Salz in Fertigprodukten steckt, gibt es in einigen Ländern extra Kennzeichnungen. Die große Koalition will so etwas auch für Deutschland in Angriff nehmen. Doch wie soll das aussehen? Ein Favorit in der Debatte ist das Farb-Logo Nutri-Score, das auch schon erste Produkte in Supermärkten tragen. Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) will erst noch weitere Klärungen anstellen. Verbraucherschützer fordern aber mehr Tempo.

Kennzeichnung von Zucker, Fett und Salz

Es sei höchste Zeit, dass Klöckner sich von der «unbelehrbaren deutschen Süßwaren- und Junkfood-Industrie» emanzipiere und dem besten Modell für Europas Verbraucher auch in Deutschland zum Durchbruch verhelfe, sagte Luise Molling von der Organisation Foodwatch. Nutri-Score sei auf einen Blick zu erkennen, wie ausgewogen oder unausgewogen verarbeitete Lebensmittel sind. Die Kennzeichnung bezieht neben dem Gehalt an Zucker, Fett und Salz auch empfehlenswerte Bestandteile wie Ballaststoffe oder Proteine in eine Bewertung ein und gibt dann einen einzigen Wert an – auf einer fünfstufigen Skala von dunkelgrün bis rot.

Foodwatch stellte eine Studie vor, die fünf Modelle aus anderen Ländern untersuchte. In diesem Vergleich sei Nutri-Score «das effizienteste System» zur Aufklärung über die Ernährungsqualität gewesen. Die Teilnehmer sollten Produkte mit und ohne Kennzeichnung nach der höchsten, mittleren oder niedrigsten Qualität einordnen. In Deutschland wurden 1.000 Menschen befragt, aber ausgewählt nach bestimmten Kriterien und nicht als repräsentative Stichprobe der Bevölkerung. Die Studie stammt den Angaben zufolge von Forschern der Universität Paris-Nord – diese waren auch an der Entwicklung von Nutri-Score beteiligt – sowie der Curtin University in Australien.

Die Ampel aus Chile

Mit getestet wurde auch die britische «Ampel», über die lange heiß diskutiert wurde. Sie zeigt in separaten Feldern in Rot, Gelb und Grün einen hohen, mittleren oder niedrigen Gehalt an Zucker, Fett und Salz. Und es gibt noch weitere Modelle. So warnen in Chile schwarze achteckige Logos in Stoppzeichen-Form etwa vor einer «großen Menge Zucker». In Australien und Neuseeland gibt es eine Kennzeichnung, die eine zusammenfassende Bewertung in einem Logo darstellt – je besser, desto mehr von fünf Sternen in einem Kreis werden schwarz unterlegt.

Eine vergleichende Einschätzung hat auch schon das bundeseigene Max-Rubner-Forschungsinstitut für Ernährung (MRI) vorgelegt. Fazit: Jedes untersuchte Modell habe «Vorteile, jedoch auch Einschränkungen» – auch Nutri-Score. Das System sei als «wissenschaftlich fundiert und nachvollziehbar» anzusehen und richte sich an die Breite der Bevölkerung. Fragezeichen machte das MRI aber etwa bei Bewertungen zum Gehalt an Ballaststoffen und Zucker. Generell sei zu klären, ob ein Modell Einzelkomponenten oder das Gesamtprodukt beschreiben und bewerten solle. Um Verwirrung zu vermeiden, solle die Bundesregierung dann auch nur ein Modell unterstützen, das einheitlich aussieht.

Kommentar

Keine Angst, Frau Klöckner!

Von Petra Wilken

Wann können wir hier in Chile den Deutschen schon mal sagen: ‘Schaut her, wir machen es euch vor!’ Die Lebensmittelkennzeichnung ist solch ein Fall. Die seit 2016 gültige Gesetzgebung, die uns die achteckigen Stoppschilder auf den Verpackungen beschert hat, gilt als die strengste Nahrungsmittelkennzeichnung weltweit.

Das Gesundheitsministerium warnt nicht nur davor, was im Übermaß ungesund ist: «viel Zucker», «viele gesättigte Fette», «viel Salz», «viele Kalorien», sondern ist noch weiter gegangen: Die mit Warnschildern versehenen Produkte dürfen nicht mehr in Schulen verkauft werden, und auch das Schulessen wurde auf gesündere Zutaten umgestellt. Und die Werbung für gekennzeichnete Lebensmittel darf nicht mehr direkt auf Kinder unter 14 Jahren abzielen.

Die Lebensmittelindustrie musste diese Kröte schlucken. Die chilenische Regierung hat sich dabei gegen die Lobbyisten durchgesetzt und einen Mut bewiesen, den die deutsche Ernährungsministerin Julia Klöckner offenbar nicht hat. Sie spricht sogar von Bevormundung der Bürger. Das chilenische Gesundheitsministerium sollte ihr die ersten Untersuchungsergebnisse der Erfolge der Lebensmittelkennzeichnung zukommen lassen: 91,6 Prozent der Befragten erklärten Ende 2018, dass die Warnschilder einen gewissen Einfluss auf ihre Einkäufe hätten. 69,2 Prozent bevorzugen Produkte mit weniger Stoppschildern. 91,2 Prozent der Befragten fanden es «gut» oder «sehr gut», dass der Verkauf von Produkten mit Warnhinweisen in den Schulen verboten wurde.

Also; keine Angst, Frau Klöckner, lassen Sie zumindest die Ampellösung zu.

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