«Ich gebe immer alles»
Erwin Feuchtmann ist der neue Star am Handball-Himmel. Der deutsch-chilenische Nationalspieler spielte bei vier Handball-Weltmeisterschaften mit. Dem Cóndor erzählte er von seinem steilen, aber schwierigen Karriere-Weg vor allem in Deutschland und seinem Lieblingsprojekt, dem Handball-Verein der Familie Feuchtmann.
Von Silvia Kählert
Bei der Handball-Weltmeisterschaft am 19. Januar dieses Jahres war seine Stunde gekommen: 13.000 Zuschauer erhoben sich in der Kölner Lanxess-Arena und feuerten den 28-Jährigen mit lauten «Erwin, Erwin»- Rufen an. Bereits in drei Spielen der Vorrunde war er bester chilenischer Torjäger geworden. Zwar konnte Erwin Feuchtmann für sein Land das Blatt nicht wenden: Das Handball-Leichtgewicht Chile verlor 37:27 gegen Katar. «Doch für mich persönlich bedeutete die Begeisterung der deutschen Fans unheimlich viel: Ich hatte noch eine Rechnung in Deutschland offen, die damit beglichen war.»
Handball würde sein Leben bestimmen
Bis es so weit war, ist der Sportler einen steinigen Weg gegangen. Klar war für den jüngsten Spross der Familie Feuchtmann immer: Der Handball würde sein Leben bestimmen, denn dieser wurde ihm und seinen drei Geschwistern in die Wiege gelegt. Beide Eltern Emil und Mariela Feuchtmann sind Sportlehrer und haben in Punta Arenas einen Handball-Verein gegründet. «Ich bin quasi in der Sporthalle aufgewachsen. Sobald ich laufen konnte, war ich beim Training dabei», sind Erwins früheste Erinnerungen. Als er ein Jahr alt war, zog die Familie nach Santiago. Nun begann der Handball für Erwin, seine Brüder Harald und Emil und seine Schwester Inga eine immer größere Rolle zu spielen. Alle vier Geschwister wurden Nationalspieler, Emil und Erwin sind es noch. Besonders sein sieben Jahre älterer Bruder Emil mit der Kämpfernatur ist Erwins Vorbild: «Emil hat es mit seiner für den Handball kleinen Größe von 1,77 Meter nicht einfach. Er muss sich umso mehr anstrengen.»
Emil war auch der erste der Geschwister, der nach Europa ging. Mit 17 Jahren folgte Erwin ihm und Harald nach Alicante in Spanien nach. «Meine Eltern waren nicht begeistert, aber sie vertrauten mir.“ Erwin machte in Spanien sein Abitur nach und begann Architektur zu studieren – und spielte nebenbei Handball. «Außerdem arbeitete ich als Kellner, um über die Runden zu kommen», erzählt er. «Irgendwann musste ich mich aber beruflich entscheiden.» Der Sportler hörte mit dem Studium auf und konzentrierte sich auf den Handball. 2009 war es endlich so weit: Er erhielt seinen ersten Profi-Vertrag bei der dritten Liga von Toledo. 500 Euro im Monat plus eine Wohnung ermöglichten es ihm, sich ganz dem zu Sport zu widmen.
Deutschland, wo viele Handballer groß geworden sind
Von da an ging es Schlag auf Schlag: Auf Spanien folgte 2012 Aschersleben in Deutschland. Das Land aus dem sein Großvater Friedrich Feuchtmann aus Mannheim nach dem ersten Weltkrieg nach Chile auswanderte. «Ich wollte gerne nach Deutschland, in dem viele Handballer groß geworden sind. Trotzdem war es eine echte Herausforderung, mich einzuleben», gesteht Erwin. Zumindest sprachlich lief es besser, als er seine deutsche Freundin Judith kennenlernte.
2013 wechselte er zum Erstligisten SZKC Ordohei in Rumänien. «Ein ganz wichtiger Schritt in meiner Karriere. Die Mannschaft war richtig gut und ich habe zum ersten Mal gespürt: Ich habe das Zeug zu einem guten Handballer.» Im Sommer 2014 ging der 1,95 Meter große Sportler zum türkischen Meister Besiktas Istanbul: «Der chaotische Verkehr, die Männer schlagen sich auf die Schulter – ich habe mich hier gleich wie zuhause gefühlt.» Nach einem Jahr bekam er ein Angebot des deutschen Bundesligisten TBV Lemgo. «Da konnte ich natürlich nicht nein sagen. Das ist eine Mannschaft mit langer Handballtradition.» Trotzdem erlebte Erwin Feuchtmann hier «den schlechtesten Moment in meiner Karriere.» Nachdenklich erklärt er: «Vielleicht stand ich als Mittelmann nicht an der richtigen Stelle. Jedenfalls zeigte ich nicht, was ich konnte.» Nach einem danach spielerisch für ihn hervorragendem Jahr beim SG Handball West Wien unterschrieb er beim Bundesligisten VFL Gummersbach. «Der Verein hatte gerade eine schwierige Phase und stand unter Druck.» Das bekam auch Erwin Feuchtmann zu spüren. Das habe zwar seinen Einsatz beim Spiel nicht verändert. Trotzdem wollte der Verein ihm kündigen. Nach einem Jahr schließlich wechselte er zu seiner momentanen Mannschaft, dem französischen Erstligisten Istres Provence Handball.
Unglaublicher Jubel der deutschen Fans
Eine Genugtuung bedeutete daher sein persönlicher Triumph in Köln: «Der unglaubliche Jubel der deutschen Fans im Januar bewies: Ich gebe immer alles. Damit konnte ich dieses Kapitel abschließen.»
Ein ganz neues Kapitel in seinem Leben schlug der Sportler 2013 mit seinen Geschwistern und Eltern auf: Voll Enthusiasmus gründeten sie den Handballverein Feuchtmann HC. «Wir wollen, dass dieser Sport in Chile verbreiteter ist. Bei unserem Verein können alle mitmachen, egal wie alt und auch, wer nur aus Freude spielen möchte», versichert Erwin Feuchtmann und schildert das Faszinierende am Handball: «Dies ist ein schneller und intensiver Sport. Man muss immer aufmerksam sein, es wird keine Sekunde langweilig. » Inzwischen hat der Verein 120 Mitglieder. Es gibt auch schon mit Maximiliano Cabrera ein Vereinsmitglied, das im erweiterten WM-Kader ist.
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